Urheberrecht: Europa regelt das Netz neu

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Für Kritiker ist es das Ende der Meinungsfreiheit im Netz: Das Europaparlament hat die umstrittene Urheberrechtsreform angenommen. Die Gesetzgeber wollen das Recht an das digitale Zeitalter anpassen.

Bis zuletzt war nicht klar, ob eine Mehrheit im Plenum des EU-Parlaments zustande kommen würde. Die Kommission hatte der Richtlinie bereits zugestimmt, genau wie die Mitgliedsländer der EU. Doch zuletzt waren selbst die Befürworter nicht mehr sicher, ob die Urheberrechtsreform Erfolg haben würde.

Am Ende war das Ergebnis dann aber eindeutig. 348 Abgeordnete sprachen sich für die Neuregelung aus, die das Urheberrecht an die Voraussetzungen im digitalen Markt anpassen soll. 274 hielten dagegen. Das Europäische Parlament in Straßburg hat entschieden: Dieser Teil des Internets wird reguliert mit allen dazugehörigen Konsequenzen.

Vorausgegangen war der Abstimmung eine hitzige Debatte im Parlament – ein letzter Versuch der Gegner, die Reform abzuwehren. An vorderster Front: Julia Reda von der Piratenpartei. Die Wortführerin der Reformgegner appellierte an ihre Kollegen im Parlament, die Richtlinie nicht in der vorgelegten Form durchkommen zu lassen: “Das wäre nicht nur verheerend für die Freiheit im Netz. Es würde auch einer ganzen Generation das Vertrauen rauben, dass die Politik funktioniert und dass dieses Parlament die Interessen der Bevölkerung vertritt.”

Piraten-Politikerin Julia Reda ist die Wortführerin der Reform-Gegner im EU-Parlament

Der öffentliche Druck hatte in den letzten Tagen noch einmal deutlich zugelegt. Am Wochenende waren europaweit rund 200.000 Menschenauf die Straße gegangen. Viele von ihnen in Deutschland. Eine Petition auf der Plattform Change.org verzeichnet mittlerweile weit mehr als fünf Millionen Unterstützer. Noch nie hat es so großen Wiederstand gegen eine geplante EU-Richtlinie gegeben.

Dabei ist der Ansatz der Reform weitestgehend unumstritten: Urheber wie Künstler und Rechteinhaber wie Verleger sollen angemessen an den Einnahmen der Internetdienste beteiligt werden, wenn ihre Produkte im Netz landen.

Angst vor der Zensur im Netz

Sorgen bereitet aber vor allem der Artikel 17, der nach einer früheren Fassung als Artikel 13 bekannt geworden ist. Darunter fällt die Regelung, dass Unternehmen wie beispielsweise Google oder Facebook verantwortlich sind dafür sind, dass die Rechteinhaber von Videos, Fotos und Musik, die Nutzer auf Plattformen wie Youtube, Facebook und Instagram hochladen, angemessen vergütet werden.

Danach müsste jeder Inhalt überprüft werden und bei fehlenden Rechten gesperrt werden, noch ehe es im Netz angeschaut werden kann. Um das zu leisten, fürchten Gegner der Reform, werden die Firmen Uploadfilter einsetzen. Diese Programme sollen illegalen Content automatisch erkennen und aussortieren, sind aber Kritikern zufolge, insbesondere für Videos, noch nicht ausgereift.

Noch am Wochenende vor der Abstimmung protestierten 200.000 Menschen europaweit, wie hier in Göttingen

Für den Abgeordneten Peter Liesel von der EPP ist das allerdings kein Argument. Bei der Verhandlung über die Reduktion von CO2-Emissionen, sagt er, habe man sich schließlich auch nicht an die Bedenken der Autoindustrie gehalten, dass die Technik für Elektrofahrzeuge nicht ausgereift sei.

Befürworter berufen sich zudem auf die Ausnahmen: Die neue Regelung nimmt Satire und Zitate ausdrücklich aus. Tatsächlich ist dies aber lediglich ein Hinweis auf ein ohnehin existierendes Recht. Experten allerdings sind der Meinung, dass Programme nicht in der Lage sind, derlei legale Inhalte von illegalen zu unterscheiden. Damit würde zu viel aussortiert und die Meinungsfreiheit im Netz eingeschränkt.

Der für die Reform im Parlament verantwortlich CDU-Abgeordnete Axel Voss sieht hingegen keinen Grund zur Sorge. Internetriesen, wie Google und Facebook hat er zwar nicht auf seiner Seite, dafür genießt er den Rückhalt großer Medienhäuser. Die Mediengruppe Bertelsmann sprach sich für die Richtlinie aus. Und auch der Vorsitzende des Musikrechteverwerters Gema, Harald Heker, sagte, die neue Richtlinie schütze und stärke die Kreativschaffenden in vielen Bereichen.

Verteidigt die Reform des Urheberrechts: CDU-Europa-Abgeordneter Axel Voss

Hoffnung auf beiden Seiten

Als Axel Voss am Nachmittag vor seiner Pressekonferenz das Podium betritt, fangen einige Journalisten im Saal an zu klatschen. Sie werden von zwei Mitarbeiterinnen des Pressestabs ermahnt, aber Voss freut sich sichtlich über die Anerkennung. In den vergangenen Wochen hat er viel einstecken müssen, sogar Morddrohungen gegen ihn hat es gegeben. Tröstend wendet er sich an seine Kritiker: “Ich weiß, dass viele frustriert sind. So schlimm wie es ausgemalt wurde, ist es aber nicht.”  Sein Ziel, mehr Rechtssicherheit im Netz zu schaffen, habe er erfüllt, sagt er. Was gut sei für die User.

Seine Gegenspielerin von der Piratenpartei ist anderer Meinung. Julia Reda spricht von einer vertanen Chance, der EU ein modernes Urheberrecht zu geben. Weil die Befürworter der Reform das nicht gewollt hätten: “Es gab alternative Optionen. Die Diskussion mit Kritikern wurden nicht ernst genommen”, sagt sie. Reda zufolge sind Gegner der Reform diskreditiert und Falschinformationen verbreitet worden.

Trotz allem gibt sich die Netzpolitikerin kämpferisch. Sie hat die Hoffnung, dass sich Wiederstand regt, und will den Druck auf die Bundesregierung erhöhen. In einem allerletzten Akt müssen die EU-Länder erneut dem Kompromiss zustimmen. Erst dann ist das letzte Wort gesprochen.

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Urheberrechtsreform: Abstimmung in Straßburg