Vertraute Fische gehen aggressiver miteinander um

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Eine neue Studie des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) zeigt, wie Gruppen funktionieren und warum es manchmal besser ist, die eigene Gruppe zu verlassen und sich einer neuen anzuschließen.

Viele Tierarten leben in Gruppen, weil dies etwa bei der Nahrungssuche, der Verteidigung oder der Partnerwahl vorteilhaft ist. Bei Tieren kann die Aggressivität untereinander allerdings steigen, wenn die Individuen längere Zeit in unveränderten Gruppen zusammenleben. Das zeigt eine aktuelle IGB-Studie im Fachblatt Animal Behaviour, für die die IGB-Forscher Amazonenkärpflinge untersuchten – eine Fischart, die sich durch Klonung vermehrt und genetisch identische Individuen hervorbringt.

Vertrautheit ist nicht gleich Verwandtheit

Bislang wurde in der Verhaltensökologie der “Faktor Vertrautheit” oft vernachlässigt, da Vertrautheit oft mit Verwandtschaft verbunden und somit schwer einzeln zu betrachten ist, heißt es in der Studie.

Beim Amazonenkärpfling (Poecilia formosa) ist das anders, denn diese Tiere haben als Klone identische genetische Verwandtschaftsverhältnisse.

Auch bei den Elefanten verlassen einige Tiere die Gruppe und schließen sich neuen Verbänden an

IGB-Forscherin Carolina Doran und ihre Kollegen David Bierbach und Kate Laskowski nahmen drei Gruppen dieser Fische unter die Lupe, die unterschiedlich lange zusammen in denselben Aquarien gelebt hatten – einen Tag, sieben Tage und drei Wochen. Bei den beiden ersten Gruppen wurde nach einem Tag bzw. einer Woche ein Teil der Fische nach dem Zufallsprinzip ausgetauscht, die Individuen der dritten Gruppe blieben zusammen.

Am Stichtag gab das IGB-Team jeweils eine zu verteidigende Futterquelle in die Becken und analysierte das Verhalten der Tiere in den drei Gruppen jeweils davor und danach.

Vertraute Fische leisten sich mehr Aggressivität

“Wir waren überrascht, dass die Fische, die sich am besten kannten, am aggressivsten miteinander umgingen”, erläutert David Bierbach. Er und seine Co-Autorinnen waren vom Gegenteil ausgegangen: “Leben Amazonenkärpflinge eine Weile zusammen, sind die Dominanzhierarchien etabliert, und die Fische haben weniger Grund, miteinander zu kämpfen”, erklärt der IGB-Forscher.

In der Untersuchung verhielten sich jedoch die Amazonenkärpflinge, die sich am längsten kannten, sowohl vor als auch nach der Futterzugabe besonders aggressiv, etwa indem sie einander durch das Becken jagten.

Die Forschenden erklären sie sich das unerwartete Verhalten so: “Die Fische, die sich am längsten kennen, sind aus diesem Grund insgesamt am wenigsten gestresst und können es sich gewissermaßen leisten, aggressiver zu sein”, so David Bierbach.

Wenn aus spielerischem Kampf Ernst wird, wechseln auch Hyänen die Gruppe

Empfehlenswerter Wechsel in andere Gruppen

Die gesteigerte Angriffslust hat durchaus Vorteile: Gruppen, die sich länger kennen, kommen besser in neuen Umgebungen zurecht, weil sie nicht zu vorsichtig werden. Kennen sie sich allerdings so gut, dass der Grad an Aggressivität zu stark ansteigt, verlassen einige Tiere die Gruppe und schließen sich neuen Verbänden an.

So bilden sich “Fission-Fusion-Gesellschaften”, bei denen Tiere immer wieder die Verbände wechseln, in denen sie leben. Solche dynamischen Lebensverhältnisse sind auch bei anderen Wirbeltierarten verbreitet: Delfine, Elefanten, Hyänen, Bisons oder Paviane leben ebenfalls in Fission-Fusion-Gesellschaften.

Natürliche Klone als ideale Modellorganismen

Die IGB-Forschenden plädieren dafür, verstärkt Studien mit Wirbeltieren durchzuführen, die sich natürlicherweise durch Klonung fortpflanzen, so wie der Amazonenkärpfling. Im Unterschied zu künstlichen klonalen Tieren – wie dem Klonschaf “Dolly” – haben natürliche Klone schon in der Natur ihre Überlebensfähigkeit unter Beweis gestellt und eignen sich damit besser, um biologische Prozesse zu erklären.


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    Autorin/Autor: Fabian Schmidt