Streit um Christoph Kolumbus

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Hätte man in Los Angeles die Statue des Kolumbus allein wegen seiner Hässlichkeit entfernt, hätte dies niemanden interessiert. Aber nun erhitzen sich wieder die Gemüter über den Völkermord der Spanier in Lateinamerika.

“Der Amerikaner, der den Kolumbus zuerst entdeckte, machte eine böse Entdeckung”, wusste schon Georg Christoph Lichtenberg im 18. Jahrhundert. Die Vorstellung, dass man vermeintlich heroische Ereignisse der Geschichte auch aus einer anderen Perspektive betrachten kann, nämlich der des Unterlegenen, ist also nicht neu.

Gerade an der Figur des Christoph Kolumbus scheiden sich seit vielen Jahren die Geister, besonders natürlich in der spanischsprachigen Welt zu beiden Seiten des Atlantiks und auch in den USA. Auslöser des neuen Erregers ist die Entscheidung des Stadtrats von Los Angeles eine Statue von Christoph Kolumbus aus einem Park zu entfernen. Über 100 Schaulustige und Nachfahren von Ureinwohnern bejubelten die Abräumaktion und dokumentieren sie auf ihren Smartphones. Der Seefahrer aus Genua sei zu sehr mit Sklaverei und Brutalität verbunden, um ihn mit einem Denkmal zu ehren, so der Stadtrat.

Belehrungen aus Madrid

Der Shitstom ließ nicht lange auf sich warten und hält auch Tage später noch an. Am Dienstag (13.11.) twitterte der bolivianische Präsident Evo Morales Glückwünsche an den Stadtrat von Los Angeles: “Ich stimme mit ihm überein, dass die sogenannte Entdeckung ein Völkermord und Ausbeutung der natürlichen Ressourcen war.”

Kann man Kolumbus für die blutigen Eroberungen von Hernán Cortés und anderen Konquistadores verantwortlich machen?

Spanien reagierte erwartungsgemäß verschnupft auf die Demontage eines seiner größten Nationalhelden. In der Tageszeitung El País beginnt der Aufmacherartikel zum Thema gleich mit historischen Belehrungen. Die Gründung der Stadt Los Angeles und ihr Name hätten einen spanischen Ursprung. Die Stadt sei 1781 von einem Andalusier gegründet worden, ganze 275 Jahre nach dem Tod des Entdeckers. In der Folge fährt “El País” eine Armada von Professorenmeinungen vorrangig aus Spanien auf, die das Bild eines völkermordenden und brutalen Kolumbus relativieren sollen.

In weiten Teilen Lateinamerikas sieht man das nicht ganz so – sicher aus gutem Grund. Mitte Oktober behauptete der Weihbischof von Valladolid, Luis Javier Argüello, im Rahmen der Festlichkeiten rund um den 12.Oktober, dem Tag der Entdeckung Amerikas im Jahre 1492, dass dieses Ereignis nichts mit einem unterstellten Völkermord zu tun habe. Für Argüello war es vielmehr “ein gegenseitiges Kennenlernen” und “ein Zusammentreffen der Kulturen”. Die Auftraggeberin dieser Entdeckungsfahrt, die spanische Königin Isabella, habe ausnahmslos integre und wohltätige Motive im Sinn gehabt, als sie Kolumbus gen Osten schickte.

Hernán Cortés in Spanien: Der linke Fuß ruht locker auf dem Kopf eines Azteken.

Äußerungen wie diese ließen selbst in Spanien einige Augenbrauen runzeln. Aber der spanische Klerus versucht schon seit über 60 Jahren im Vatikan die Heiligsprechung von Isabella, mit dem Beinamen “die Katholische”, durchzusetzen. Die Beauftragung eines Völkermords macht sich da nicht gut im Lebenslauf.

Statuen als Instrumente der Deutungshoheit

“Überall dort, wo Statuen aufgestellt werden oder nationale Feiertage bestimmt werden, geht es darum, die Deutungshoheit über die Interpretation von Fakten auszuüben”, sagt Eleonora Rohland, die an der Universität Bielefeld Geschichte lehrt, der DW.

Ein gutes Beispiel hierfür ist der Umgang mit dem Konquistador Hernán Cortés, dem Eroberer des Aztekenreiches. In Mexiko ist er, obgleich er den Grundstein für das moderne Mexiko gelegt hat, höchst umstritten. In seinem Geburtsort, im Örtchen Medellín im Süden Spaniens, steht dafür eine pompöse Statue von Cortés. Sein linker Fuß ruht auf dem abgeschlagenen Kopf eines Azteken. 2010 beschmierten Aktivisten die Statue mit roter Farbe, als Ausdruck des Blutbades, das Cortés unter den Ureinwohnern Mexikos angerichtet hat.

Für Eleonora Rohland ist eine kritische Debatte über nationale Vorbilder nicht überraschend und eher positiv zu bewerten: “In Zeiten, in denen viele gesellschaftliche Gruppen Möglichkeiten gefunden haben ihre politische, soziale, kulturelle und wirtschaftliche Ausgrenzung anzuprangern, sollte es uns nicht wundern, wenn sie sagen: Moment mal, das ist eure Version der Geschichte, aber nicht unsere.”