Glyphosat – nicht nur Unkrautvernichter, sondern auch Bienenkiller?

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So harmlos wie manchmal angenommen ist Glyphosat für Insekten offenbar doch nicht, zeigt eine neue Studie. Das Herbizid könnte demnach sogar Mitschuld am Bienensterben haben.

Glyphosat ist umstritten, weil der Verdacht besteht, dass es Krebs erregt. Eine neue Studie aus den USA wirft nun ein Schlaglicht auf eine ganz andere mögliche Nebenwirkung des Herbizids, die bislang so nicht Thema der Debatte war. Forscher der University of Texas haben untersucht, wie Glyphosat auf Bienen wirkt. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass das Herbizid für Bienen gefährlich ist. Ihre Studie veröffentlichten sie in dem Wissenschaftsmagazin “Proceedings of the National Academy of Sciences” (PNAS).

 

Für ihre Untersuchung hatten die Wissenschaftler Honigbienen zunächst mit einer Zuckerlösung gefüttert, der Glyphosat beigeisetzt war – in einer Konzentration, die so auch in der Umwelt vorkommt. Eine Bienen-Kontrollgruppe dagegen bekam nur den Zucker, ohne das Herbizid. Um die Insekten später im Stock wieder zu erkennen und der richtigen Gruppe zuordnen zu können, malten die Forscher den Bienen verschiedenfarbige Punkte auf den Rücken.

Forscher der University of Texas haben gezeigt, dass Glyphosat für Bienen gefährlich ist

Drei Tage später wurden die Testbienen wieder eingesammelt und untersucht. Es zeigte sich, dass die Honigbienen, die den Glyphosat-Cocktail bekommen hatten, einige ihrer nützlichen Bakterien im Darm verloren hatten. So schlussfolgerten die Forscher, dass Glyphosat durch Veränderungen des Darm-Mikrobioms einer Biene das Immunsystem der Tiere schwächen kann. Und dies, so die Wissenschaftler, sei ein Beweis dafür, dass Glyphosat zum Rückgang der Honigbienen auf der ganzen Welt beitragen kann.

Beliebtes Pflanzengift

Glyphosathaltige Unkrautvernichter, zum Beispiel Roundup von Monsanto, sind sogenannte Breitbandherbizide. Sie sind für fast alle Pflanzenarten giftig. Glyphosat gilt mit 700.000 Tonnen als das weltweit am häufigsten verwendete Mittel. Seit über 40 Jahren kommt es zum Einsatz.

Glyphosat wird auf rund 40 Prozent der deutschen Ackerflächen eingesetzt

Allein in Deutschland werden jährlich über 5000 Tonnen Glyphosat in Privatgärten, in Stadtparks und an Bahngleisen versprüht. Den größten Anteil am Verbrauch aber hat die Landwirtschaft – auf rund 40 Prozent der deutschen Ackerflächen wird Glyphosat versprüht.

Gesundheitsgefährdend, ja oder nein?

Darüber ob und in welchen Konzentrationen das Herbizid, das 1950 von dem US-Landwirtschaftskonzern Monsanto entwickelt wurde, gesundheitsschädlich ist, streiten Gegner und Befürworter leidenschaftlich. Aktuell laufen Hunderte von Gerichtsverfahren, in denen Kläger sagen, dass der Kontakt mit dem Unkrautvernichter bei ihnen Krebs verursacht hat. 

Zahlreiche Studien haben untersucht, ob das Pestizid als krebserregend einzustufen ist, oder als mutagen – also als eine Substanz, die genetische oder reproduktive Wirkungen hervorruft. Bisher gab es jedoch noch kein abschließendes Ergebnis.

Während die Krebsagentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sagt, dass es Beweise dafür gibt, dass Glyphosat “wahrscheinlich krebserregend” ist, sind sich andere Stellen – einschließlich deutscher und europäischer Gesundheitsbehörden – nicht einig. 

Das Europäische Parlament fordert ein Verbot des Herbizids bis 2022. Ende 2017 empfahl die EU-Kommission, die Lizenz um fünf Jahre zu verlängern. Im Jahr 2022 könnte es also zu einer neuen Entscheidung kommen.

Die weit verbreitete Verwendung von Glyphosat in der EU führte zu zahlreichen Protesten

Gefährdung der Biodiversität und der Tiere

Weniger umstritten als die Frage, ob Glyphosat Krebs verursacht oder nicht, sind die Auswirkungen des Herbizids auf die Umwelt.

Das Bundesumweltministerium ist besorgt darüber, dass das Allround-Pestizid Pflanzen wahllos abtötet – auch solche, die für viele Tiere überlebenswichtig sind. Monotone Ackerflächen ohne Insekten oder Vögel seien die Folge, warnen Umweltschützer.

Die Europäische Chemikalienagentur ECHA hat Glyphosat kürzlich als nicht krebserregend eingestuft, behielt aber die Einstufung als Stoff bei, “der schwere Augenschädigungen verursacht und für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung giftig ist”.

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Bienensterben könnte sich verschlimmern

Die Nachricht, dass der Unkrautvernichter für Bienen auch direkt schädlich sein könnte, ist besonders erschreckend, wenn man bedenkt, dass die Populationen von Haus- und Wildbienen in vielen Teilen der Welt sowieso schon stark geschrumpft sind. In China mussten schon Apfel- und Birnenbäume von Hand bestäubt werden, weil es nicht mehr genug Bienen gab, die den Job erledigten.

Wahrscheinlich ist eine Kombination verschiedener Faktoren für den Rückgang verantwortlich: Schädlinge wie die Varroamilbe, ein fehlendes Nahrungsangebot für die Insekten, Einflüsse durch chemische Pflanzenschutzmittel und veränderte klimatische Bedingungen.

Ein weiteres Puzzleteil

Die neue Studie jedoch verbindet nun direkt den Einsatz von Glyphosat mit dem Rückgang der Bienen. Denn in einem Folgeversuch fanden die Forscher außerdem heraus, dass Bienen mit durch Glyphosat beeinträchtigtem Darm-Mikrobiom weitaus häufiger sterben, wenn sie einem bestimmtem Erreger, dem Bakterium Serratia marcescens, ausgesetzt waren.

Für ihre Studie markierten die Forscher die Rücken der Honigbienen. Die unterschiedlichen Farben stehen für unterschiedliche Glyphosatmengen, denen die Insekten ausgesetzt waren.

Etwa die Hälfte der Bienen mit einem gesunden Mikrobiom waren acht Tage, nachdem sie dem Erreger ausgesetzt worden waren, noch am Leben. Aber nur etwa ein Zehntel der Bienen, deren Mikrobiome durch Glyphosat verändert wurden, überlebten.

Daher empfehlen die Forscher, das Versprühen von Glyphosat auf Blütenpflanzen gänzlich zu vermeiden, um die Bienen nicht zu gefährden.

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  • Lecker, Glyphosat!

    Eiscreme

    Bei Untersuchungen von Proben in Frankreich und Großbritannien ist Glyphosat auch in dieser Eiscreme, die doch ein faires Öko-Image hat, aufgetaucht – in einer Menge, die ein Gesundheitsrisiko darstellen könnte, heißt es. Die Substanz habe sich wohl über Milch oder enthaltene Keksstücke eingeschlichen.


  • Lecker, Glyphosat!

    Getreide

    Apropos Kekse: Wenn auf Feldern, auf denen Weizen, Gerste, Roggen angebaut werden, Glyphosat zur Unkrautvernichtung zum Einsatz kommt, dann ist es auch nachweisbar und landet theoretisch im Brot und Brötchen, Kuchen und allem anderen, was man so backen kann …


  • Lecker, Glyphosat!

    Cornflakes

    Und auch Cornflakes sind aus – ja, genau – ein Produkt von der Scholle. Folglich ist auch hier schon Glyphosat nachgewiesen worden. Die Belastung habe teils bedenkliche Werte erreicht, hieß es im vergangenen Jahr von Nahrungsmittel-Aktivisten. Die Wege, auf denen das Mittel im Herstellungsprozess in die Ware kommt, seien allerdings nicht ganz eindeutig.


  • Lecker, Glyphosat!

    Wasser

    Klarer wird es hier: Glyphosat steckt auch im Wasser. Im Wasser? Ja!. Wenn der Unkrautvernichter beim Anbau aufs Feld kommt, dann sickert er auch ins Grundwasser, in Flüsse oder Seen. Und ist damit nicht nur in unserer festen Nahrung, sondern auch in Getränken …


  • Lecker, Glyphosat!

    Bier

    … auch im allseits beliebten Freizeitgetränk Bier. In geringer Dosierung zwar, zeigten gleich mehrere Untersuchungen. Sicherlich ist das gefährlichste am Bier noch immer der Alkohol, aber trotzdem. Rückstände sind hier genauso nachweisbar, wie vorher im Getreide, und das steckt ja wie Wasser auch im Bier.


  • Lecker, Glyphosat!

    Honig

    Und wer am Ende dieser Liste meint, Honig auf das hoffentlich glyphosatfreie Brötchen aus Bio-Getreide zu streichen, sei sicher, der kann auch Pech haben. Denn Blüten, die von Bienen angesteuert werden und möglicherweise auf Glyphosat-besprühten Feldern stehen, sind gleichfalls Überträger und sorgen dafür, dass das Süße am Ende bitter ist.

    Autorin/Autor: Klaus Esterluss