Mehr Herz, mehr Kopf – deutsches Trainerduell in Liverpool

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Zum Champions League-Auftakt stehen sich Jürgen Klopps FC Liverpool und Thomas Tuchels Paris St. Germain gegenüber. Die beiden Erfolgstrainer verbindet einiges. Doch Klopp und Tuchel sind völlig unterschiedliche Typen.

“Thomas Tuchel und Jürgen Klopp sind absolute Ausnahmetrainer, jeder auf seine eigene Art”, sagte Christian Heidel einmal über die beiden deutschen Trainer, die am Dienstag mit ihren aktuellen Vereinen zum Auftakt der Champions League aufeinandertreffen: Klopps FC Liverpool empfängt Tuchels Paris St. Germain (Anpfiff um 21 Uhr MESZ). Heidel, inzwischen Sportvorstand des FC Schalke 04, hat mit beiden Trainern als Manager des Bundesligisten FSV Mainz 05 zusammengearbeitet. “Thomas Tuchel ist ein komplett anderer Typ als Jürgen Klopp, aber kein schlechterer Kerl”, befand Heidel. “Thomas ist einer, dem ist völlig egal, was einer für ein Preisschild umhängen hat, wo der herkommt und ob der Nationalspieler ist. Er geht mit allen gleich um. Er ist kein einfacher Typ, aber wer glaubt, dass Jürgen Klopp ein einfacher Typ ist, der kennt ihn überhaupt nicht.”

Unterschiedliche Taktik

Nach außen wirkt Klopp stets wie der Kumpel, der mit jedem kann. Mit seiner offenen, oft auch witzigen Art gewinnt der 51-Jährige schnell die Herzen der Spieler und Medien. Tuchel wirkt im Vergleich zum emotionalen Dauerbrenner Klopp dagegen eher zurückhaltend, fast schon “verkopft”. Doch nicht nur das Auftreten unterscheidet die beiden Trainer, sondern auch ihr taktisches Konzept. Klopp gilt als Verfechter des schnellen Umschaltspiels. Wie schon bei Borussia Dortmund lässt er seine Spieler auch in Liverpool fast überfallartig aus der Defensive nach vorne stürmen – egal, welches Team auf der Gegenseite steht. Auch Tuchel liebt das schnelle Offensivspiel, richtet seine Taktik aber mehr auf die Schwachstellen des jeweiligen Gegners aus. Der 45-Jährige hatte Klopp als Trainer erst in Mainz, dann auch beim BVB beerbt. Mit dem Engagement beim Starensemble in Paris ist Tuchel endgültig aus dem Schatten Klopps herausgetreten.

Mit Paris durchgestartet

Thomas Tuchel: Erfolgreicher Saisonstart bei Paris St. Germain

Auch in Paris bestätigt Tuchel Heidels Einschätzung, dass große Namen für den Trainer nicht zählen. Zwar ist Torwartlegende Gianluigi Buffon in der Champions League gesperrt und kann in Liverpool nicht spielen, doch musste er seinen Platz als Nummer eins zwischen den Pfosten auch in der Liga zuletzt an Frankreichs Nationalkeeper Alphonse Areola abgeben. Tuchel beorderte zudem Brasiliens Superstar Neymar von der linken offensiven Seite ins Mittelfeld, als klassischen Spielmacher. Die ersten Partien gaben ihm Recht. PSG ist in die neue Saison der französischen Ligue 1 regelrecht durchgestartet: Fünf Spiele, fünf Siege, fünf Punkte Vorsprung auf den Tabellenzweiten. Klubpräsident Nasser Al-Khelaifi äußerte sich euphorisch über Tuchels Einstieg. “Wir haben den besten Trainer der Welt”, schwärmte der Geschäftsmann aus Katar. Doch die Begeisterung dürfte verfliegen, wenn sich die PSG trotz ihres extrem teuren Spielerkaders erneut früh aus der Champions League verabschieden sollte.

Tuchel hofft auf großen Lauf

In den vergangenen beiden Spielzeiten war jeweils im Achtelfinale Endstation, in den vier Jahren zuvor im Viertelfinale. Der Gewinn der Champions League sei nicht planbar, sagte Tuchel gegenüber der Sportzeitung “L’Equipe”. Ihm ist jedoch klar, dass er vor allem daran gemessen wird, wie Paris St. Germain in der Eliteklasse abschneide. Der PSG, so Tuchel, fehle eine Erfolgsserie, wie sie etwa Real Madrid hingelegt habe. “Es wird der Tag kommen, an dem du einen wichtigen Sieg feierst, der wiederum einen Lauf nach sich zieht.”

Jürgen Klopp: Fünf Spiele, fünf Siege

Einen Lauf hat derzeit auch Jürgen Klopps FC Liverpool. Auch die “Reds” gewannen ihre ersten fünf Saisonspiele in der Premier League allesamt. Nur aufgrund der schlechteren Torausbeute liegt Liverpool auf Platz zwei hinter dem punktgleichen FC Chelsea. In seiner vierten Spielzeit als Trainer des englischen Traditionsvereins will Klopp endlich seinen ersten Titel holen. In der vergangenen Saison scheiterte Liverpool im Champions-League-Finale an Real Madrid, 2016 im Endspiel der Europa League am FC Sevilla und in derselben Saison im englischen Ligapokal an Manchester City.

“Keine Sekunde, die leicht ist”

Vor dem Champions-League-Auftakt gegen PSG stapelte Klopp tief: “Die sind wirklich gut, ein sehr interessantes Fußballprojekt”, sagte der deutsche Erfolgstrainer über den Gegner und verwies darauf, dass Paris am vergangenen Freitag beim 4:0-Sieg gegen AS St. Etienne sogar ohne zwei Superstars gespielt hatte: Weltmeister Kylian Mbappe war gesperrt, Neymar wurde von Tuchel geschont.

“Die Leute sagen: ‘Ihr solltet in diesem Jahr die Champions League gewinnen, weil ihr im letzten Jahr das Finale erreicht habt'”, beschrieb Klopp die hohen Erwartungen an ihn und seinen FC Liverpool. “Aber Leute, hört auf! Wir spielen in den zwei härtesten Wettbewerben der Welt, der Premier League und der Champions League. Da gibt es nicht eine Sekunde, die leicht ist.”


  • Jürgen Klopp: Mit Herz und Charisma

    Gruppenbild mit Seeler

    Jürgen Klopp wird 1967 in Stuttgart geboren und wächst im Schwarzwald auf. Als A-Jugendspieler des TuS Ergenzingen (oben, 2.v.l.) darf er bei einem Turnier 1985 in Hamburg sogar neben HSV-Legende Uwe Seeler stehen. Da ahnt noch niemand, dass sich heute Leute darum reißen, sich für ein Selfie neben Klopp platzieren zu können.


  • Jürgen Klopp: Mit Herz und Charisma

    Eher Fußball-Handwerker

    Ein Ballzauberer ist Jürgen Klopp in seiner aktiven Karriere eher nicht. Der Stürmer, der beim Zweitligisten FSV Mainz 05 bald zum Verteidiger umschult, steht eher für einen rustikalen Stil. Die Fans mögen seine ehrliche Art, Fußball zu spielen. Als einziger Spieler der Mainzer hat er einen eigenen Fan-Klub, die “Kloppos”.


  • Jürgen Klopp: Mit Herz und Charisma

    Abschied aus Mainz nach 18 Jahren

    Nahtlos wechselt Klopp 2001 vom Spielfeld auf die Trainerbank. Nachdem Mainz zweimal knapp daran gescheitert ist, gelingt dem Team unter Klopp 2004 im dritten Anlauf der historische erste Aufstieg des FSV in die Bundesliga. Nach dem Abstieg 2007 und dem knapp verpassten Wiederaufstieg im Jahr darauf verabschiedet sich Klopp aus Mainz: nach 18 Jahren als Spieler und Trainer.


  • Jürgen Klopp: Mit Herz und Charisma

    Preisgekrönter TV-Experte

    Klopp ist ein Energiebündel – und hat fast immer einen lockeren Spruch auf den Lippen. Verbunden mit seiner Fußball-Kompetenz macht ihn das zum idealen TV-Experten. Mit dem Ex-Schiedsrichter Urs Meier (l.) und Moderator Johannes B. Kerner (r.) bildet Klopp von 2005 bis 2008 beim ZDF ein eingespieltes Team. Später heuert er bei RTL als Experte an. Zweimal erhält er den Deutschen Fernsehpreis.


  • Jürgen Klopp: Mit Herz und Charisma

    Trendsetter

    Jürgen Klopp kommt mit seiner offenen und sympathischen Art bei den Fernsehzuschauern und Fußballfans gut an – und wird auch zum Trendsetter. Selbst seine modischen Brillen werden von der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen. 2008 ernennt das “Kuratorium Gutes Sehen” Klopp zum “Brillenträger des Jahres”.


  • Jürgen Klopp: Mit Herz und Charisma

    Stars machen

    Mitte 2008 wird Klopp Cheftrainer von Borussia Dortmund. Der BVB ist nach der Fast-Pleite drei Jahre zuvor immer noch dabei, die Finanzen zu sanieren, sportlich läuft es nicht rund. Klopp verspricht, dem Verein “wieder in die Spur” zu helfen. Seine Devise lautet: Keine Stars kaufen, sondern sie machen. So stellt er die beiden erst 19 Jahre alten Mats Hummels und Neven Subotic ins Abwehrzentrum.


  • Jürgen Klopp: Mit Herz und Charisma

    Drei Titel in zwei Jahren

    Klopps Rezept geht auf, der Weg des BVB führt nach oben. 2011 holen die Dortmunder die Meisterschale – und feiern hinterher so kräftig, dass der Trainer am Tag danach bei der Party mit den Fans auf dem Borsigplatz seine Augen hinter einer Sonnenbrille verbergen muss. 2012 schafft der BVB sogar das Double.


  • Jürgen Klopp: Mit Herz und Charisma

    Gelegentliche Ausraster

    Bei allem Charme und Witz – immer wieder gehen Klopp an der Seitenlinie auch mal die Gäule durch – wie hier 2010 bei einem Disput mit dem Vierten Offiziellen, Schiedsrichter Stefan Trautmann. “Ich habe mich über mich selbst erschrocken, das war nicht in Ordnung”, sagt Klopp, nachdem er dieses Foto gesehen hat.


  • Jürgen Klopp: Mit Herz und Charisma

    Glücklich verheiratet

    Seit 2005 ist Klopp in zweiter Ehe mit seiner Frau Ursula verheiratet. Beide haben je einen Sohn aus früherer Ehe. “Ich wäre nicht im Ansatz derjenige, der ich bin, wenn es meine Frau nicht gäbe”, verrät Klopp einmal der Zeitschrift “Gala”: “Ich wäre nicht ein solch zufriedener Mensch.” Seine “Ulla”, so Klopp, möge auch seinen Bart, ein weiteres seiner Markenzeichen.


  • Jürgen Klopp: Mit Herz und Charisma

    Das Ende der Geheimratsecken

    “Wir haben mit unseren Söhnen und einem Freund, der Arzt ist, zusammengesessen und darüber gesprochen, was man an sich ändern würde, wenn man könnte”, sagt Klopp hinterher. Dem BVB-Trainer missfallen seine Geheimratsecken, also lässt er sie sich sich per Haartransplantation verkleinern. Und er redet 2013 offen darüber: “Ich finde, das Ergebnis ist ganz cool geworden, oder?”


  • Jürgen Klopp: Mit Herz und Charisma

    Bittere Niederlage in Wembley

    2013 hat Klopp die Chance, seinen ersten internationalen Titel zu holen und dann gleich in der Champions League – im Finale im Wembleystadion in London gegen den deutschen Rivalen FC Bayern. Der BVB verliert unglücklich mit 1:2, der Siegtreffer der Münchener durch Arjen Robben fällt in der vorletzten Minute. Klopp ist als Tröster gefordert.


  • Jürgen Klopp: Mit Herz und Charisma

    Tschüss, BVB!

    Mitte 2014 wird der BVB zum zweiten Mal in Serie Vizemeister, danach beginnt die Krise. Nach 18 Spieltagen steht Dortmund auf dem letzten Tabellenplatz. Klopp wirkt erschöpft. Immerhin führt er das Team noch als Siebter in die Europa League und ins DFB-Pokalfinale 2015, das der BVB gegen Wolfsburg mit 1:3 verliert. Zu diesem Zeitpunkt hat Klopp bereits seinen Abschied aus Dortmund verkündet.


  • Jürgen Klopp: Mit Herz und Charisma

    “The Normal One”

    Klopps “Sabbatjahr” dauert nur fünf Monate. Im Oktober 2015 wird er als neuer Teammanager des FC Liverpool vorgestellt. Angesprochen auf den Ausspruch “I’m the Special One” des portugiesischen Star-Trainers Jose Mourinho, antwortet Klopp: “Ich war ein durchschnittlicher Spieler, und in Mainz habe ich als durchschnittlicher Trainer angefangen. Man könnte sagen: I’m the Normal One.”


  • Jürgen Klopp: Mit Herz und Charisma

    Liebling der Fans

    Wie in Mainz und in Dortmund, fliegen ihm auch in Liverpool die Herzen der Fans zu. Klopp lässt die “Reds” attraktiven Offensivfußball spielen – und formt, wie einst beim BVB, neue Stars. So reift Mohamed “Mo” Salah unter Klopp zu einem Weltklassespieler. Mit 32 Treffern bricht der Ägypter den bisherigen Torrekord der Premier League und wird zum “Spieler der Saison 2017/18” gekürt.


  • Jürgen Klopp: Mit Herz und Charisma

    Mit Herz gegen Real

    Das Champions-League-Finale gegen Real ist Klopps drittes Endspiel mit dem FC Liverpool. Die ersten beiden im Jahr 2016 – im Ligapokal und in der Europa League – verloren die “Reds”. Und jetzt gegen Madrid sind sie Außenseiter, trotz ihres charismatischen Trainers. “Real ist elfmal Weltklasse”, sagt Klopp. “Aber meine Jungs haben viel Herz.”

    Autorin/Autor: Stefan Nestler