Audi-Chef Stadler in Untersuchungshaft

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Nächster Schlag für die Autoindustrie: Mit dem Audi-Chef Rupert Stadler wurde der bisher ranghöchste Manager festgenommen. Wegen Verdunkelungsgefahr wurde Untersuchungshaft angeordnet.

In der Dieselaffäre bei Volkswagen sitzt mit Audi-Chef Rupert Stadler erstmals ein Mitglied der obersten Führungsetage in Untersuchungshaft. Das Amtsgericht München erließ am Montag Haftbefehl gegen den Audi-Chef. Der Manager wurde am frühen Morgen in seinem Haus in Ingolstadt festgenommen. “Der Beschuldigte wurde der Ermittlungsrichterin vorgeführt, die den Vollzug der Untersuchungshaft angeordnet hat”, teilte die Münchner Ermittlungsbehörde mit. Begründet wurde die Haft mit Verdunkelungsgefahr. Diesen Haftgrund führt die Justiz an, wenn sie befürchtet, dass Beweismittel vernichtet werden könnten oder jemand versucht, auf Zeugen einzuwirken.

Bei der Haftrichterin machte Stadler laut Staatsanwaltschaft keine Angaben zur Sache. Seine Vernehmung soll spätestens am Mittwoch beginnen.

Volkswagen und Audi bestätigten die Festnahme Stadlers, der Audi seit elf Jahren führt, und erklärten, für ihn gelte weiterhin die Unschuldsvermutung. Ein Sprecher des VW-Eigners Porsche SE sagte: “Es ist klar, dass sich der VW-Aufsichtsrat mit dem Thema beschäftigen wird.” Stadlers Anwalt lehnte eine Stellungnahme ab. Laut Staatsanwaltschaft hat die Verteidigung bisher noch keine Erklärungen abgegeben.

An diesem Montagabend wollte sich der Aufsichtsrat von Volkswagen mit dem Fall Stadler befassen, aber auch mit dem Stand der Aufarbeitung des Dieselskandals insgesamt. Stadler sollte an der Sitzung des Aufsichtsrates ursprünglich teilnehmen.

Wie die Deutsche Presse-Agentur von mit der Angelegenheit vertrauten Personen erfuhr, soll der derzeitige Audi-Vertriebsvorstand Bram Schot den Chefposten vom verhafteten Rupert Stadler übernehmen. Der Audi-Aufsichtsrat muss der Personalie noch formal zustimmen.

Durchsuchung in Stadlers Privathaus

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In der vergangenen Woche hatte die Staatsanwaltschaft München ein Ermittlungsverfahren gegen Stadler und ein weiteres Audi-Vorstandsmitglied eingeleitet. Sie legt ihnen “Betrug sowie mittelbare Falschbeurkundung zur Last”. Die beiden Manager hätten Dieselautos mit manipulierter Abgasreinigung in Europa in den Verkehr gebracht, hatte die Staatsanwaltschaft dazu mitgeteilt. Ermittler hatten aus diesem Grund vor genau einer Woche die Privatwohnung des Audi-Vorstandschefs durchsucht.

Für Volkswagen-Chef Herbert Diess werden die Ermittlungen gegen Stadler zusehends zu einem Problem. Denn er setzt bisher beim Umbau des Wolfsburger Mehr-Markenkonzerns auf den Audi-Chef. Stadler leitet die wichtige Premiumgruppe der Wolfsburger mit der Marke Audi an der Spitze. Über seine bevorstehende Ablösung als Vorstandschef in Ingolstadt wurde in der Vergangenheit mehrfach in Medien spekuliert. Belastbare Hinweise für ein Fehlverhalten Stadlers lagen allerdings Insidern zufolge bislang nicht vor. Einen Rücktritt lehnte der langjährige Audi-Manager in der Vergangenheit ab. Bisher hatten die Familien Porsche und Piech trotz aller Kritik Stadler im Amt gehalten.

Was wusste Stadler von den US-Manipulationen?  

Stadler soll nach der Aufdeckung der Manipulationen in den USA von den falschen Abgaswerten auch in Europa gewusst haben, aber anders als in den USA keinen Vertriebsstopp angeordnet haben. Die Ermittler stützten sich auf die Auswertung von Korrespondenz, verlautete aus Ermittlerkreisen. Im März 2017 und im Februar 2018 hatte es in der Audi-Zentrale in Ingolstadt und im Werk Neckarsulm Razzien gegeben. Neben Stadler sitzt als Beschuldigter auch ein ehemaliger Chef der Audi-Motorenentwicklung und Porsche-Entwicklungsvorstand in Untersuchungshaft. Er war im September 2017 verhaftet worden.

Einer seiner früheren Mitarbeiter bei Audi in Neckarsulm war nach mehreren Monaten Untersuchungshaft im November 2017 wieder freigekommen. Audi soll in den USA und Europa von 2009 an rund 220 000 Dieselautos mit Schummelsoftware verkauft haben. Seit Ende 2015 hatten sechs Audi-Vorstände ihren Hut nehmen müssen. Gegen Stadler waren immer wieder Rücktrittsforderungen laut geworden.

Die Verhaftung von Audi-Chef Rupert Stadler hat die Volkswagen-Anleger am Montag verschreckt. Die Aktien bauten ihre Verluste nach dem Bekanntwerden des Haftbefehls aus und gaben 2,2 Prozent auf 157,50 Euro nach. Damit waren sie einer der größten Verlierer im Leitindex Dax. “Das hat jetzt nochmal eine neue Qualität und vor allem ausländische Anleger werden davon wach gerüttelt, dass die Sache noch nicht ausgestanden ist”, sagte ein Händler.

hb/iw (dpa,rtr,afp)