Das Diversity-Problem

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Frauen vernetzen und stärker Einfluss nehmen: Das wollen die Unternehmerinnen, die zur Jahresversammlung des VdU, des Verbands deutscher Unternehmerinnen, in Hamburg trafen.

Wo kommen bloß die vielen Frauen her, fragt sich der eine oder andere an diesem Donnerstag in der Hamburger Industrie- und Handelskammer. Denn der große Saal ist traditionell ein Ort, an dem Männer miteinander diskutieren und ihre Netzwerke spinnen. Frauen sind hier immer in der Minderheit. Doch an diesem Tag ist das anders. Die Unternehmerinnen haben das Wort. Frauen aller Altersgruppen, im Businesskostüm oder bunt gekleidet, tauschen Visitenkarten aus, diskutieren über Finanzierungsmöglichkeiten oder Nachwuchsprobleme. Sie sind Unternehmerinnen, leiten überwiegend mittelständische Unternehmen in der Automobilbranche, im Medienbereich oder entwickeln Software.

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Christine Witthöft entwirft Marketing- und Vertriebskonzepte und hofft bald Aufsichtsrätin zu sein. “Die meisten Aufsichtsräte in Deutschland sind traditionell aufgestellt und männlich dominiert, die haben ein Diversity-Problem. Wir Unternehmerinnen müssen das ändern, mitreden und mitgestalten, denn nur so können die Probleme in unserer neuen digitalen Welt verstanden und gelöst werden,” sagt sie.

Netzwerke verändern die Welt

Witthöft gehört zu einem Frauennetzwerk, das Informationen über freiwerdende Positionen austauscht und geeignete Kandidatinnen ins Gespräch bringt. Außerdem ist sie Mitglied im Verband deutscher Unternehmerinnen, VdU. Der veranstaltet in diesen Tagen seine Jahresversammlung Hamburg und gibt sich kämpferisch: “Wir sind Teil eines Netzwerks, das ein klein wenig die Welt verändern kann”, ruft Stephanie Bschorr, die den Verband sechs Jahre geleitet hat. Applaus brandet auf. Einige hundert Unternehmrinnen sind nach Hamburg gereist, um  sich Gehör zu verschaffen und ihr Netzwerk zu vergrößern. Hochrangige deutsche Politiker sucht man in Hamburg allerdings vergeblich. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ist zwar Schirmherr des “Next Generation Award”, mit dem junge Unternehmensnachfolgerinnen ausgezeichnet werden sollen, aber  –  so heißt es – terminlich verhindert.

Keinen Termin beim Präsidenten

Marie-Christine Oghly weiß, wie wichtig Netzwerke sind und wie mühsam es sein kann, sich Gehör zu verschaffen. Die Französin ist Präsidentin des FCEM, des Welt-Unternehmerinnen-Verbandes (Femmes Chefs d’Entreprises Mondial, FCEM) und hat den französischen Präsidenten Emmanuel Macron mehrfach getroffen. Mit ihm sprach sie auch über Finanzierungsprobleme für Unternehmerinnen, denn Banken sind bei der Kreditvergabe an weibliche Unternehmer zurückhaltender als bei männlichen und sie pochte auf die gleichberechtige Besetzung von Aufsichtsräten. Damals war Macron allerdings noch Wirtschaftsminister. Einen Termin beim Präsidenten hat sie bisher nicht bekommen, jetzt will sie ihm einen Brief schreiben. Der FCEM repräsentiert über 500.000 Unternehmerinnen in 120 Ländern. Mit ihren deutschen Kolleginnen arbeitet sie eng zusammen und wundert sich über den Zustand im Nachbarland.

Stephanie Bschorr, Präsidentin des VdU, gibt ihr Amt ab an Jasmian Arbabian-Vogel

Vorbilder gesucht

“Wir Franzosen haben immer nach Deutschland geschaut, politisch und natürlich ökonomisch. Bei der Repräsentanz von Frauen in wichtigen Funktionen der Wirtschaft ist Deutschland aber kein Vorbild.  Da sieht es ja sogar in Frankreich besser aus!”, so ihr Urteil.

Oghly entwickelt mit Ihrem Unternehmen aerodynamische Modelle, u.a. für die Flugzeugindustrie. “Natürlich haben wir auch in Frankreich viele Probleme. Frauen werden nach wie vor oft schlechter bezahlt als Männer, obwohl das eigentlich verboten ist. Besonders in der öffentlichen Verwaltung ist das noch so”, empört sie sich im Gespräch mit der DW. Hoffnung setzt sie in die jüngere Generation. Die jungen Frauen würden sich das nicht mehr gefallen lassen und die Unternehmen hätten schon jetzt Nachwuchsprobleme.

Junge Gründerinnen

Doch wie begeistert man Frauen für das Unternehmertum? Die Zahl weiblicher Gründer ist in Deutschland niedrig, es fehlen Vorbilder oder sie sind einfach nicht bekannt. Jasmian Arbabian-Vogel will das ändern und Mentorin sein. Sie leitet vier mittelständische Unternehmen mit dem Schwerpunkt auf Pflegeleistungen für Menschen mit Migrationshintergrund, ist selbst im Iran aufgewachsen: “Diversity heißt, dass mehr Frauen in allen Positionen vertreten sein müssen, aber Interkulturaliät ist genauso wichtig”, sagt sie. Die Hannoveranerin wird den Verband deutscher Unternehmerinnen für die nächsten drei Jahre führen. “Wir haben bisher noch nirgendwo Parität als Frauen”, sagt sie bestimmt und hat sich eine anspruchsvolle Agenda vorgenommen. Sie plant Termine im Wirtschaftsministerium, bei den großen Verbänden und viele Termine mit Politikerinnen und Politikern. Besonders wichtig ist ihr die Unterstützung von jungen Gründerinnen. “Wir brauchen mehr junge Frauen, die etwas wagen”, lacht sie und freut sich auf das Wagnis, Präsidentin des deutschen Unternehmerinnenverbandes zu sein.


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    Autorin/Autor: Adonis Alkhaled