Kolumne: Karneval in Berlin – eine “Mission impossible”

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Berlin ist Karnevals-Provinz. Importiert aus dem Rheinland, machen nur wenige Berliner mit. Viele feiern Rosenmontag deswegen woanders – sogar das Berliner Prinzenpaar und auch DW-Kolumnist Gero Schließ.

“Alaaf” und “Helau”, das sind alte Bekannte, eben die populärsten deutschen Karnevalsschlachtrufe aus dem Rheinland. Aber “Hei-Jo”? Daran müsste ich mich erst noch gewöhnen. “Hei-Jo” steht für Heiterkeit und Jokus. Und das ruft man sich in Berlin zu, wenn Karneval ist.

Und damit ist nicht der Berliner “Karneval der Kulturen” gemeint, dessen Umzug sich an Pfingsten kunterbunt und multikulturell durch die Stadt ergießt. Die rufen auch ganz andere Dinge, nicht “Hei-Jo”, sondern sowas wie “Ökosteuer – Ökosteuer”!

Insel des rheinischen Frohsinns in Berlin: die Ständige Vertretung, auch liebevoll Stäv genannt

Nur 1500 “echte” Karnevalisten in Berlin

Ich meine den eigentlichen Karneval, der in Köln, Düsseldorf oder – als Fastnacht – in Mainz gefeiert wird. Aber eben nicht in Berlin, leider. Das sage ich als gebürtiger Kölner, der vor knapp zwei Jahren an die Spree gezogen ist. Gründe dafür gab es viele, aber – nun ja – der Karneval war’s nicht.

Während im Rheinland in der “fünften Jahreszeit” das tolle Treiben unüberhörbar ist, bleibt Berlin trotz seiner amtlichen Partykompetenz – piano. So leise, dass manch einer gar nichts davon mitbekommt.

“In Berlin gibt es ja keinen Karneval”, klagt beispielsweise ein Freund, der schon lange hier lebt und ursprünglich aus Mainz kommt.

Nun, da würden die 22 Berliner Karnevalsvereine mit ihren leider nur 1500 aktiven Mitgliedern protestieren. Da ist zum Beispiel Narrenkappe e.V. aus Berlin-Reinickendorf. 40 Jahre gibt es den Karnevalsverein. Und er hat genau 40 Mitglieder, wie mir Martina Giersch von Narrenkappe e.V. erzählt. Gut, also für jedes Jahr ein Mitglied, denke ich bei mir. Die Gründung Kölner Karnevalsvereine müsste man nach diesem System in der Steinzeit verorten.

Das unerreichte Vorbild: Karneval in Köln

Karneval aus dem Rheinland importiert

Der Karneval kam in verschiedenen Wellenbewegungen nach Berlin. Was sie alle eint? Ursprung ist das Rheinland mit dem Epizentrum Köln. Als die Preußen die Region im Westen im Jahre 1815 besetzten, da fingen sie sich eben auch den Bazillus des rheinischen Karnevals ein.

Eine weitere Welle löste später dann die Wiedervereinigung aus: Als Berlin Hauptstadt wurde, spülte der Beamten-Exodus aus dem rheinischen Bonn auch viele Jecken in die Berliner Karnevals-Diaspora.

Doch seien wir fair. Winzige Ur-Berliner Karnevalszellen gab es bereits vor den Bluttransfusionen aus dem Rheinland. Ausgerechnet der “Alte Fritz”, Preußens König Friedrich II., ergötzte sich an Karneval. Er nannte das aber “Maskenball”. Man fragt sich allerdings, wie das gutgehen konnte – bei Friedrichs ausgeprägter Humorlosigkeit. Doch immerhin bekämpfte er das Berliner Faible für Frohsinn nicht mit Tanz- und Vermummungsverbot und setzte obendrauf nicht noch eine deftige Biersteuer, wie seine königlichen Vorfahren. Gut möglich, dass trotzdem das Trauma der amtlichen Karnevals-Verhinderung so tief in der Psyche des Berliners verwurzelt ist, dass der auch heute noch nicht seine inneren Karnevalshemmungen überwinden kann.

Macht Karneval in Berlin auch nicht unbedingt lustiger: Besuch der Narren bei Bundeskanzlerin Angela Merkel

Immerhin, politisch gesehen gehörten die in Ost und West-Berlin versprengten Karnevalisten zur Avantgarde. Sie bildeten die Speerspitze der deutschen Einheit, erzählt Narrenkappen-Aktivistin Martina Giersch. Noch vor der offiziellen Wiedervereinigung gründeten die Karnevalisten in Ost- und West-Berlin einen gemeinsamen Landesverband. Es wuchs zusammen, was zusammengehört, auch wenn die Kleiderordnung immer noch der Koordination bedarf. Der West-Berliner Karnevalist tauscht seine Abendrobe im Charlottenburger Chic erst kurz vor Rosenmontag gegen das Kostüm ein. Der Ost-Berliner schlüpft gleich zu Beginn der fünften Jahreszeit ins Kostüm und behält es an bis zum bitteren Ende.

“Helau” in Düsseldorf statt “Hei-Jo” in Berlin

Doch auch wenn von Weiberfastnacht bis Rosenmontag so manche Party steigt, wie etwa in der “Ständigen Vertretung”, dem ganzjährigen Zentrum rheinischen Froh- und Unsinns: Der Funke auf Berlin will einfach nicht überspringen.

Lebt und leidet in der Karnevalsdiaspora Berlin: Unser Kolumnist Gero Schließ

Auch die letzte Hoffnung auf ein knackiges Karnevalswochenende ist nun dahin. Der kleine Karnevalsumzug am Ku’damm mit ein paar Festwagen fällt dieses Jahr aus. Grund sind die gestiegenen Kosten für Sicherheitsmaßnahmen, die nach dem Terroranschlag am Breitscheidplatz nötig würden.    

Mein Freund aus Mainz hat recht: Wer am Karnevalswochenende Spaß haben will, der kann nicht in Berlin bleiben. Mich zieht es in die Kölner Heimat. Und sogar das Berliner Prinzenpaar (siehe Artikelbild) kehrt Berlin den Rücken – und feiert Rosenmontag bei den Jecken in Düsseldorf.