Chinas Parteitag und die “Xi-Ideen”

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Trotz stundenlanger Eröffnungsrede bleibt der KPCh-Parteitag spannend. Beispielsweise durch die Frage, ob Xi Jinping sich in der Parteisatzung verewigen lassen und damit mit Mao und Deng Xiaoping gleichziehen wird.

35 Mal sprach Xi Jinping in seiner Eröffnungsrede auf dem 19. Parteitag vom “neuen Zeitalter”.  Man befinde sich jetzt an dem entscheidenden Moment, an dem “der Sozialismus chinesischer Prägung in ein neues Zeitalter eintritt”, sagte Xi vor den rund 2300 Delegierten am Mittwoch. Dass Xi höchstpersönlich China in dieses neue Zeitalter führen wird, versteht sich von selbst.

Denn der Ablauf des Parteitags verlaufe nach einem Drehbuch, dessen Handlung schon vor längerer Zeit begann, sagt der Pekinger Politologe Wu Qiang gegenüber der DW. “Während seiner ersten fünfjährigen Amtszeit ist es Xi gelungen, die Macht auf sich zu konzentrieren und einen Kult um seine Person aufzubauen, wie es einst Mao vorgemacht hatte.” Der Parteitag sei der Abschluss dieses Prozesses und diene als Bühne für seine “Selbstinthronisation”. 

Mao, Deng und Xi

Diese Zeremonie wäre ohne die entsprechende ideologische Weihe unvollständig. Traditionsgemäß werden Gedanken der offiziellen sowie faktischen KP-Chefs in die Parteisatzung übernommen: So gibt es die “Mao Zedong-Gedanken” und die “Deng Xiaoping-Theorie”. Jiang Zemin wiederum ist für die Aufnahme der sogenannten “Drei Repräsentationen” verantwortlich, Xis Vorgänger Hu Jintao für das “Wissenschaftliche Entwicklungskonzept”. Es wird vermutet, dass Xi den Begriff “Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter” in die Parteistatuten aufnehmen lässt, vielleicht sogar die “Xi Jinping-Ideen”. 

Die theoretischen Ergüsse von Jiang Zemin und Hu Jintao wurden allerdings nicht mit namentlicher Nennung ihrer Urheber in der Parteisatzung verewigt. Xi wird nachgesagt, dass er seinen Namen analog zu Mao und Deng zum Bestandteil der Parteidoktrin machen möchte.


  • Auftakt zum 19. Parteitag der KPCh

    Bühne frei für Xi

    Parteichef Xi Jinping sprach mehrfach vom “Wiedererstarken” Chinas. Er selbst strahlt Selbstbewusstsein und Kraft aus. Während der langen Rede trank er nur einmal aus seinem Wasserglas.


  • Auftakt zum 19. Parteitag der KPCh

    Graue Eminenz Jiang Zemin

    Auf dem Podium neben Xi sitzt der 91-jährige Jiang Zemin. Er war von 1989 bis 2002 Generalsekretär der KPCh. Er hat eine junge Fangemeinde im Internet, die ihn wegen seiner großen Brillengläser “Frosch” nennt. Jiang war für sein unkonventionelles Verhalten gegenüber Reportern und auf Staatsbesuchen bekannt. 2011 hatte ein Hongkonger TV-Sender verfrüht sein Ableben gemeldet.


  • Auftakt zum 19. Parteitag der KPCh

    Einheit der Parteispitze

    Xi eingerahmt von Hu Jintao, Generalsekretär von 2002 bis 2012, und von Jiang Zemin. Die Anwesenheit aller lebenden Parteichefs auf dem Podium soll Einigkeit demonstrieren. Allerdings hatte Xi Jinping im Zuge der Anti-Korruptionskampagne mehrere hochrangige Vertraute der letzten Parteiführungen ins politische Abseits beziehungsweise hinter Gitter befördert.


  • Auftakt zum 19. Parteitag der KPCh

    Li Keqiangs Zukunft unklar

    Die Eröffnung wurde von Li Keqiang geleitet, der in der Parteihierarchie direkt nach Xi kommt. Mit seinem Namen ist die “neue Normalität” des niedrigeren Wirtschaftswachstums verbunden. Li könnte gemäß Parteiregeln eine weitere Amtszeit auf Platz zwei bleiben, aber er soll gesundheitlich angeschlagen sein.


  • Auftakt zum 19. Parteitag der KPCh

    Personalentscheidungen am letzten Tag

    Wer es in das mächtigste Organ der KP schafft, den Ständigen Ausschuss des Politbüros, wissen wir erst am letzten Tag des Plenums. Eins ist sicher: Xis Wiederwahl als Parteichef, vielleicht sogar mit dem Titel Parteivorsitzender.

    Autorin/Autor: Mu Cui


Xi wirklich so stark wie es scheint?

Joseph Cheng, emeritierter Professor der Hongkong City University, meint, dass Xi mit diesem Vorhaben möglicherweise nicht ohne weiteres durchkommen werde. “Mao und Deng als die erste und zweite Führungsgeneration hatten Jahrzehnte gebraucht, um diesen Status in der Partei zu erlangen. Xi dagegen ist erst seit fünf Jahren die Nummer eins, in einer Zeit, wo es keine großen Krisen und Herausforderungen für die Staats- und Parteiführung gab. Der Widerstand würde groß sein.”

Bei jeder Gelegenheit stelle Xi seinen Namen in den Vordergrund, um so große Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu bewirken, fügt Cheng hinzu. “Daraus kann man schließen, dass es Widerstand gegen seine derartige Erhöhung gibt. Es ist nicht klar erkennbar, dass er dafür treue Unterstützer im Ständigen Ausschuss hat. Er musste etwa zehn Arbeitsgruppen neu gründen, um dort seine Vertrauenspersonen außerhalb der engsten Führungsriege zu installieren. Das hat ein wirklich starker Führer nicht nötig.”

Virtueller Applaus für Xi über mobile Anwendungen

Xis Pläne reichen weiter

Voraussichtlich am kommenden Dienstag werden die Delegierten über die Änderung der Parteisatzung abstimmen. Ebenfalls wird das neue Zentralkomitee gewählt, sodann das Politbüro und dessen Ständiger Ausschuss. “Die Aufnahme der ‘Xi-Ideen’ in die Parteistatuten wäre nur ein Etappensieg für Xi, aber nicht das Endziel”, sagt Politologe Wu Qiang. Xi werde weiter intensiv an der Machtkonzentration arbeiten, um sich auf seine nächste Amtszeit nach 2022 vorzubereiten. Laut bisheriger Parteiregelung ist die Karriere nach zwei Amtszeiten als KP-Chef vorbei. Doch Xi könnte diese Regel durchbrechen – “und vielleicht sogar zum lebenslangen Parteichef wie Mao werden.”