Der Bill Gates aus Bielefeld

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Als das Internet noch in den Kinderschuhen steckte, da ahnte Peter Barkowski schon, dass man damit auch Fabriken vernetzen könnte. Doch es brauchte bald 20 Jahre, bis seine Vision Wirklichkeit wurde.

Eigentlich war sein Unternehmen schon tot. Anfang der 2000er Jahre, die Internet-Blase war gerade geplatzt. Von den damals 20 Mitarbeitern mussten mehr als die Hälfte gehen, ganze sieben blieben übrig. Aber aufgeben? Für Peter Barkowsky war das nie eine Option. Er erinnert sich an ein Treffen mit einem seiner damaligen Gesellschafter, als die schlechten Nachrichten überhand nahmen. Dieser habe ihm Zahlen seiner eigenen Unternehmungen gezeigt: “Da war zu sehen, dass die acht Jahre lang rote Zahlen geschrieben und dann erst Erfolg hatten.” Für Barkowsky ein Beispiel für den Willen von Unternehmern, Dinge durchzuhalten und zum Erfolg zu bringen. “In so einer Atmosphäre lässt sich auch unser Geschäft betreiben.”

Firmensitz hinter historischem Gemäuer: Symmedias Hauptquartier, wo früher die deutsche industrie-Ikone Dürrkopp saß.

15 harte Jahre

Symmedia, so heißt Barkowskys Firma im westfälischen Bielefeld, entwickelt Lösungen für den Maschinen- und Anlagenbau – vor allem ein Serviceportal namens SP/1. Dahinter verbirgt sich eine Software, mit der sich Maschinen vernetzen lassen. In über 100 Ländern ist die Software schon im Einsatz, Maschinen mit einem Anlagenwert von 40 Milliarden Euro sind bereits miteinander verbunden. Zahlen, von denen sie in der Firma lange geträumt haben.

“Es hat jetzt fast 20 Jahre gedauert, bis das, was wir uns damals ausgedacht haben, in der Realität auch in der entsprechenden Menge umgesetzt wird.” Von den 20 Jahren, in denen es die Firma gibt, seien erst die letzten fünf Jahre so gewesen, “wie man sich das als Unternehmer erhofft und wünscht. Die 15 Jahre vorher waren wirklich sehr eng.”

15 harte Jahre, 15 Jahre Geduld. Eine Zeit, da ist sich Barkowsky sicher, die man nicht durchgestanden hätte, wenn man alle Vierteljahre Quartalsberichte mit Erfolgsmeldungen hätte liefern müssen. So aber konnte er sich auf seine Mitgesellschafter verlassen. Das Vertrauen von Unternehmen und Gesellschaftern wie Oetker sei ganz wichtig gewesen, gerade in den kritischen Phasen. “Sie haben uns immer ihr Vertrauen geschenkt und haben da nichts zurückgezogen, das war für uns eine ganz wesentliche Stütze.”

Datenbox, Datenbrille und die passende Software: Mehr braucht es (fast) nicht für die Vernetzung von Maschinen.

Die Geduld der Gesellschafter

Dr. Oetker, der große Lebensmittelkonzern aus Bielefeld, gehörte 1997 zu den Gründern, gemeinsam mit Barkowsky, dem heute 56jährigen Wirtschaftsingenieur, und der Gundlach-Gruppe, ein ebenfalls in Bielefeld ansässiger Mittelständler. Das verwundert, denn gerade Oetker setzt ja eher auf Pizza, Bier und Backmischungen. Doch für den Lebensmittelriesen sei Symmedia der “Sensor für die digitale Welt”, wie der Oetker-Chef einst formulierte.

Und heute, wo auch Oetker die Digitalisierung vorantreiben will – unter anderem mit den zwei Milliarden Euro, die der Verkauf der Reederei Hamburg Süd in die Kassen spülen wird – dürften die Erfahrungen, die man mit der Symmedia-Beteiligung gesammelt hat, Gold wert sein.

Eine Lehre könnte sein: Nicht nur die Gesellschafter müssen bei der Stange bleiben, auch Mitarbeiter und Kunden müssen Durchhaltevermögen haben. Und der Glaube an die Sache sei wichtig, sagt Peter Barkowsky: “Wir waren immer davon überzeugt, dass das kommen wird und dass das richtig ist. Wir müssen nur einfach durchhalten, wir müssen es durchstehen.”

Auf die Mannschaft kommt es an: Die “Symmedianer” sind stolz auf ihr Produkt.

In der Wirklichkeit angekommen

Wichtig seien zudem auch positive Signale gewesen, die man von den Kunden bekommen habe. Schließlich habe man gemeinsam mit ihnen um die beste Lösung gerungen, “da sind sehr enge Beziehungen entstanden, die man auch nicht enttäuschen wollte.”

Ein Mann und seine Vision – heute scheint sie wahr geworden zu sein. Seit einigen Jahren wächst das Unternehmen im Schnitt um 25 Prozent im Jahr, demnächst sollen es gar 50 Prozent sein. “Wir hatten das Produkt, aber der Markt war nicht da”, sagt Barkowsky. Heute ist Symmedia mit seinem Fernwartungssystem europäischer Marktführer. Und seit das Schlagwort von der “Industrie 4.0” die Runde macht, ist manches auch für Symmedia leichter geworden. Denn damit ist das Thema Vernetzung von Maschinen endlich in der Wirklichkeit angekommen. 

Chaos, aber nur ein bisschen: “Wir sind heiß wie ein Startup”

“Unser Ding fängt gerade erst an”

Geht man durch die Firma, dann erinnert der Look mit den gläsernen Wänden, den bunten Sitzgelegenheiten, den offenen Meetingräumen im Inneren einer alten Fabrik ein bisschen an die Firmenzentralen der Silicon-Valley-Giganten. Nur eben ein ganzes Stück kleiner: Kein Wunder: Es sind nur 65 Mitstreiter, die aber alle “stolze Symmedianer” sind. Und auch, wenn die Atmosphäre an ein Startup-Unternehmen erinnert, so will man doch anders sein: Heiß wie ein Startup, sagt Barkowsky, aber nicht so chaotisch. So oder so aber ein Unternehmen, dass – glaubt man dem Firmengründer – eine glänzende Zukunft vor sich hat.

Der Grund: Der geringe Digitalisierungsgrad in der weltweiten Produktionsindustrie, der irgendwo im einstelligen Prozentbereich liegt. Die Digitalisierung der Produktion fängt also gerade erst an. Was daraus entsteht, wenn alles digitalisiert wird? “Keine Ahnung”, sagt Barkowsky und lächelt, “Prophet bin ich nicht. Ich weiß nur: Unser Ding fängt gerade erst an.”