Sommerreise Teil 3 – Wie zukunftssicher ist die deutsche Wirtschaft?

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Die Region Stuttgart ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft: viele Unternehmen sind hier zu Hause. Vor welchen Herausforderungen stehen sie? Nina Haase und Sumi Somaskanda waren auf ihrer Sommerreise vor Ort.

Stuttgart ist ein einziger Stau. Gefühlt jede Ampel schaltet auf Rot, wenn wir in der Innenstadt mit Tempo 15 – mehr geht oft nicht – auf sie zu schleichen. Vor, hinter und neben uns ein einziges Meer von Autos – silberglänzende, moderne Karossen: die große Mehrheit trägt den berühmten Stern.

Trotz Verkehrschaos – der Region geht es insgesamt blendend. Baden-Württemberg liegt in wirtschaftlichen Statistiken im Deutschland- und EU-Vergleich immer vorne: Arbeitslosigkeit unter vier, Wachstum über drei Prozent. Große Automarken wie Daimler und Porsche haben hier ihren Stammsitz, aber auch der Mittelstand – die Säule der deutschen Wirtschaft: Jeder Zweite arbeitet hier in einem Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern.

Baden-Württemberg brummt – noch?

Geht’s auch in Zukunft so gut weiter? Bei Daimler sieht man die Zukunft elektrisch. Die Firma habe 10 Milliarden Euro in E-Mobilität und eine weitere Milliarde in Batterie-Fabriken dafür investiert, erzählt uns Jürgen Schenk, Chefingenieur der Elektroautos bei Daimler.

Daimler schützt seine Forschung mit allen Mitteln. Die Produktionshallen besuchen oder gar filmen dürfen wir nicht. Wir gehen ins Mercedes Benz-Museum nebenan. Von außen ein futuristisches Gebäude aus Glas und Stahl – innen viel Geschichte der erfolgreichen Marke. Wer hier nach E-Mobilität sucht, findet in der Ausstellung lediglich ein paar Elektroautos und drei Motoren.

Problem sei, dass deutsche Kunden Elektroautos immer noch nicht gut annähmen, sagt Schenk. Die Politik müsse helfen, die Infrastruktur dafür zu verbessern, zum Beispiel mehr Ladestationen würden gebraucht.


  • #Deutschland Wählt: Stuttgart

    Der Alteingesessene

    “Ich hoffe, dass wir mit der europäischen Integration einen Schritt weiterkommen”, sagt Thomas Erb, gebürtiger Schwabe und Chef einer Messtechnik-Firma. “Europa ist einfach unsere Zukunft gegen die großen Weltmärkte.” Auch wünscht er sich mehr Unterstützung: “Die Politik wird bestimmt von den wenigen großen Arbeitgebern. Der Mittelstand wird eigentlich gar nicht mitgehört.”


  • #Deutschland Wählt: Stuttgart

    Der Optimist

    “Ich wünsche mir von Deutschland einfach wesentlich mehr Offenheit und Optimismus, was die Zukunft betrifft”, sagt Startup-Mitarbeiter Philipp Haberland. “Ich hab das Gefühl, dass wir sehr griesgrämig und pessimistisch sind. Man sollte mehr die Chancen sehen, die sich bieten und sich nicht nur auf die Gefahren fokussieren.”


  • #Deutschland Wählt: Stuttgart

    Der Zugereiste

    “Ich muss meine Sprachkenntnisse verbessern – am Telefon ist es noch schwierig, Schwäbisch zu verstehen”, sagt Ingenieur Álvaro Tejero, der aus Spanien nach Stuttgart gezogen ist. “Vielleicht braucht Deutschland, oder zumindest der Süden, mehr Wohnungen. Die Gebäude sind klein, haben nur vier Etagen oder weniger und sind richtig teuer. Nicht nur für uns Zugereiste, sondern auch die Deutschen.”


  • #Deutschland Wählt: Stuttgart

    Der Gründer

    “Deutschland muss sich seine Wettbewerbsfähigkeit erhalten und nachdenken, was Technologie für unsere Industrie bedeutet”, sagt Nikolai Ensslen, der eine Firma für Robotertechnik betreibt. “Ich wünsche mir, dass Deutschland zurück zu einer Gründerkultur wie vor mehr als 100 Jahren findet: Zur Gründerzeit sind nämlich die ganzen großen Firmen entstanden, die wir heute so schätzen in Deutschland.” 


  • #Deutschland Wählt: Stuttgart

    Die Entwicklungshelfer

    “Für die Zukunft der Arbeit wünsche ich mir, dass wir die Transformation zu neuen Technologien bewerkstelligen”, sagt Thilo Zimmermann (rechts), der gemeinsam mit Jörg Castor das Kompetenzzentrum Mittelstand 4.0 im Frauenhofer Institut in Stuttgart betreibt. “Und dass es Deutschland als Land und der deutschen Wirtschaft weiterhin so gut geht wie heutzutage.”

    Autorin/Autor: Sumi Somaskanda, Nina Haase


Unsicherheit bei Beschäftigten

Morgens vor Schichtbeginn fangen wir Mitarbeiter von Daimler vor den Werkstoren in Untertürkheim ab. Hier sorgen sich viele, wie sich die E-Mobilität auf die Arbeitsplätze auswirken wird.  Ein Entwickler von LKW-Motoren, der seit 1985 bei Daimler arbeitet, beschreibt, wie sich die Branche verändert hat: “Heftig, und es wird noch viel heftiger: Jetzt kommt die ganze Elektrifizierung dazu, wo auch die technische Umstellung Sorgen bereitet.” Er werde diese große Aufgabe aber nicht mehr mittragen. “Das ist für die nächste Generation.”

Im europäischen Vergleich der Regionen liegt Baden-Württemberg in Sachen Innovation unangefochten ganz vorne- vor der Region East of England und Berlin. Das Bundesland investiert 4,8 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung – weit mehr als die drei Prozent, die die EU empfiehlt.

Wo ist das Auto in 20 Jahren?

Im Westen Stuttgarts ist das sichtbar in Form der ARENA 2036 – der nach eigenen Angaben größten Forschungsplattform für Mobilität in Deutschland. Seit 2015 tüfteln hier Wissenschaftler mit Wirtschaftlern gemeinsam an der Zukunft des Automobils. ARENA steht für “Active Research Environment for the Next Generation of Automobiles”. 2036 steht für den 150jährigen Geburtstag des Autos. Am 29. Januar 1886 nämlich meldete Carl Friedrich Benz das Patent für das erste Auto der Welt an.

In der etwa fußballfeldgroßen Halle von ARENA 2036 forschen die großen Namen: Bosch, Rexroth, KUKA, Daimler. Detailfotos sollen wir lieber nicht machen. Aber auch der Mittelstand macht sich hier fit in Sachen Digitalisierung. Das Fraunhofer Institut hat hier sein 1000 qm großes “Future Work Lab” eingerichtet.

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