Terrorabwehr mit “intelligenten Kontrollen”

Sicherheitspolitik

Terrorabwehr mit “intelligenten Kontrollen”

Ein Tag nach den Terrorattacken von Brüssel antwortet die deutsche Politik – mit einer Debatte um innere Sicherheit. Der Innenminister fordert mehr Datenaustauch über Gefahren, Polizei-Praktiker intelligente Kontrollen.

Mehr Schleierfahnung, mehr Sicherheit? Die Debatte in Deutschland hat begonnen

Nach dem Schock über die Terroranschläge am Brüsseler Flughafen und im EU-Regierungsviertel kommt in Deutschland eine Debatte um die innere Sicherheit in Gang. Wie groß ist die Gefahr von Terroranschlägen in Deutschland? Und wie kann man mehr Sicherheit schaffen? Bundesinnenminister Thomas de Maizière gab einen ersten Impuls am gestrigen Abend gegenüber der ARD. In der Sendung “Tagesthemen” forderte er, die Brüsseler Attacken als Weckruf für einen verstärkten Datenaustausch europäischer Sicherheitsbehörden zu verstehen. Eine lange geforderte, aber nie realisierte Verknüpfung vorhandener “Datentöpfe” in Europa sei notwendig, um dem internationalen Terrorismus mitten in Europa die Stirn bieten zu können. “Datenschutz ist schön, aber in Krisenzeiten wie diesen hat die Sicherheit Vorrang”, so der Minister kämpferisch.

Bosbach: Bundesländer müssen mehr Geld in Polizei investieren

Will, dass “Datentöpfe” vernetzt werden: Innenminister de Maizière

Thorsten Schäfer-Gümbel, stellvertretender Bundesvorsitzender der mitregierenden Sozialdemokraten, warnte am Morgen gegenüber dem Deutschlandfunk davor, reflexartig über eine Verschärfung von Gesetzen zu spekulieren.”Die meisten Bundesländer haben im letzten Jahr schon deutlich aufgesattelt, sowohl bei Polizei als auch bei den Landesämtern für Verfassungsschutz”, so Schäfer-Gümbel. Tatsächlich wurden im Krisenjahr 2015 in Europa, wie auch in Deutschland, bereits zahlreiche Sicherheitsgesetze als Reaktion auf die Anschläge von Paris verschärft. In Deutschland wurde die Vorratsdatenspeicherung zur besseren Terrorbekämpfung ausgebaut, eine Verlängerung der Anti-Terrorgesetze wurde auf den Weg gebracht. Und auf EU-Ebene wurde ein besserer Austausch von Fluggastdaten vereinbart.

Dennoch sieht Wolfgang Bosbach, CDU-Innenpolitiker im Bundestag, dringenden Handlungsbedarf. Die Bundesländer müssten deutlich mehr Geld in die chronisch unterfinanzierten Sicherheitsbehörden stecken, so der Politiker am Morgen gegenüber dem Deutschlandfunk. Ziel sei es, gut aufgestellte deutsche Polizeien mit europäischen Partnern nach dem Modell des gemeinsamen Terrorabwehrzentrums in Berlin-Treptow zu vernetzen, so Bosbach: “Wie wir dort die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder koordinieren, das muss auch auf europäischer Ebene geschehen.” Bosbach wünscht sich eine einheitliche Definition des Begriffs “Gefährder” in allen EU-Staaten. Und er unterstrich die Forderung, des Innenministers, Datenschutzregeln zu lockern. Es gebe in Europa sicherheitsrelevante Daten im VISA-Informationssystem sowie im Schengen-Informationssystem, auf die Sicherheitsbehörden aus Datenschutzgründen nicht gemeinsam zugreifen könnten. “Diese Daten stecken in einem großen Silo, und diese Silos stehen nebeneinander. Wichtig wäre allerdings eine Gesamtschau.” Hier habe die europäische Zusammenarbeit bislang versagt.

Kriminalpolizei: “Intelligente Kontrollen”

Video ansehen
01:39

Teilen

Sicherheitsvorkehrungen am Frankfurter Flughafen

Versenden

Facebook

Twitter

google+

Whatsapp

Tumblr

VZ

Mr. Wong

Xing

del.icio.us

Webnews

Yigg

Newsvine

Digg

Permalink http://dw.com/p/1IHtA

Nach Anschlägen in Brüssel: Massive Sicherheitsvorkehrungen am Frankfurter Flughafen

Für André Schulz, Präsident beim Bund deutscher Kriminalbeamter, steht es Deutschland nicht zu, mit dem erhobenen Zeigefinger auf Versäumnisse anderer EU-Staaten oder der EU-Bürokratie zu zeigen. Auch in Deutschland scheitere die Polizeiarbeit allzu oft an den Egoismen zwischen den einzelnen Bundesländern. “Landesgrenzen sind oftmals weiter Informationsgrenzen”, sagte Schulz gegenüber dem Deutschlandfunk. Als Gewerkschafter wies er insbesondere auch auf die verfehlte Personalpolitik bei den Sicherheitsbehörden hin. Viele Polizei-Behörden hätten in den vergangenen Jahren massiv Personal abgebaut. Das räche sich jetzt, so Schulz: “Man versucht ,Personal einzustellen, aber bekommt teilweise gar nicht mehr das Personal, was man benötigt und auch die Ausbildungsstellen der Polizei kommen an ihre Kapazitätsgrenzen.” Als konkrete Antwort auf die unvermindert hohe Gefahr von Terroranschlägen in Deutschland forderte der Schulz die Einführung “intelligenter Kontrollen” an den deutschen Grenzen. Wie hoch die Gefahr sei, könne auch er nicht konkretisieren. “Wir haben ja durchaus die Möglichkeit der sogenannten Schleierfahndung, also Maßnahmen, an den Grenzen, wo Spezialisten sich den Personenverkehr anschauen und dann gezielt kontrollieren”. Dies könne ein Weg sein, um geschlossene Grenzen zu vermeiden.

Innenminister: Keine konkreten Deutschlandbezüge

Länder müssen liefern: Wolfgang Bosbach

In Bezug auf die Gefährdungslage in Deutschland hatte der Innenminister am Abend wiederholt, diese sei “unverändert hoch”. Die Sicherheitsbehörden würden jedoch alles in ihrer Macht stehende tun, um Anschläge zu verhindern. Ein sichtbares Zeichen setzte die Bundespolizei bereits wenige Stunden nach den Anschlägen. Die Präsenz von Polizisten an Flughäfen, Bahnhöfen und sicherheitskritischen Gebäuden wurden deutlich ausgeweitet. Grenzkontrollen an Übergängen zu den Benelux-Staaten und Frankreich wurden verstärkt – und nach dem Prinzip der Schleierfahndung Sichtkontrollen durchgeführt. CDU-Politiker Bosbach verschärfte, auch mit Blick auf die Einreise von zigtausenden Flüchtlingen ohne Papiere in den vergangenen Monaten, die Tonlage. “Wir sollten niemand ins Land lassen mit völlig ungeklärter Identität und Nationalität”. Dass dies kein Rezept gegen terroristische Gefährder darstellt, die als Staatsbürger der EU unbehelligt in Europa leben, gestand allerdings auch er ein.


Posted

in

by

Tags: