Automatisiertes Fahren: Bosch und VW-Tochter CARIAD kooperieren für Level 2 und 3

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Bosch und die Volkswagen-Konzerntochter CARIAD haben eine Kooperation beschlossen, um die Entwicklung von teil- und hochautomatisierten Fahrfunktionen gemeinsam voranzutreiben. Erste Funktionen nach Level 2 sollen 2023 eingeführt werden und das Fahren ohne Hände am Lenkrad („hands free“) ermöglichen.

CARIAD ist die Automotive-Software-Einheit von Volkswagen, deren Strategie der Mutterkonzern im Sommer des letzten Jahres vorgestellt hatte. Das Ziel von CARIAD ist unter anderem die Einführung eines einheitlichen Infotainmentsystems für Fahrzeuge der Konzernmarken Audi und Porsche bereits im kommenden Jahr. Bis 2025 soll im weiteren Verlauf die Software-Plattform 2.0 fertiggestellt werden, die ein einheitliches Betriebssystem für alle Konzernmarken einführen soll. Ein wesentliches Merkmal der Plattform wird außerdem deren Level-4-Fähigkeit für autonomes Fahren sein.

Großen Anteil an der Entwicklung dieser unterstützenden Systeme wird Bosch haben. An verschiedenen Standorten beider Unternehmen, insbesondere in Stuttgart und Ingolstadt, sollen Mitarbeiter des Bosch-Geschäftsbereichs „Cross-Domain Computing Solutions“ und von CARIAD gemeinsam teil- und hochautomatisierte Fahrfunktionen entwickeln. Deutlich mehr als 1.000 Fachleute beider Häuser sollen zu Spitzenzeiten an dem Projekt arbeiten, bereits jetzt haben beide Unternehmen begonnen, für die Kooperation auch neue Talente zu rekrutieren.

Level 2 um Hands-Free-Funktionen erweitert

„Wir untermauern unsere Ambition, zeitnah die bestmöglichen Lösungen für unsere Kunden auf den Markt zu bringen“, sagte Cariad CEO Dirk Hilgenberg. Konkret bedeutet das, dass schon kommendes Jahr erste Funktionen implementiert werden sollen. Den Anfang machen Level-2-Systeme für Stadt, Land und Autobahn, die explizit auch das zeitweise Fahren ohne Hände am Lenkrad („hands free“) ermöglichen. Bisherige Assistenzsystem fallen ebenfalls in die Level-2-Klasse, sind aber noch nicht freihändig nutzbar. Deshalb werden die neuen System auch als „Level 2+“ bezeichnet, weil sie weiterhin die dauerhafte Aufmerksamkeit des Fahrers verlangen, aber eben nicht mehr die Hände am Lenkrad. In den USA sind solche Systeme bei ausgewählten Herstellern schon länger zugegen, ComputerBase konnte zum Beispiel jüngst die US-Variante des BMW Driving Assistant Professional mit Assisted Driving Plus testen, der auf Highways in Stausituationen bis 64 km/h dauerhaft das Fahren ohne Hände am Lenkrad erlaubt.

Level 3 für übernimmt komplette Fahraufgabe

Im weiteren Verlauf der Kooperation soll ein Level-3-System entwickelt werden, bei dem das Fahrzeug die komplette Fahraufgabe auf der Autobahn übernimmt. Level 3 ist neben „feet off“ und „hands off“ zusätzlich „eyes off“, weil der Blick nicht mehr auf das Verkehrsgeschehen gerichtet werden muss und auch Nebentätigkeiten erlaubt sind. Mercedes-Benz will ein solches System unter dem Namen Drive Pilot in der ersten Jahreshälfte 2022 für die S-Klasse und den EQS einführen. Das System wird auf Autobahnen und dort explizit nur in Stausituationen bis 60 km/h verfügbar sein. Innerhalb einer Karenzzeit von gesetzlich vorgeschriebenen 10 Sekunden muss der Fahrer das Steuer wieder übernehmen können. Bosch und CARIAD haben noch nicht bekanntgegeben, für welche Situationen das eigene Level-3-System ausgelegt sein wird.

Software-Plattform auch für andere Hersteller

Die gemeinschaftlich entwickelte Software-Plattform für das teil- und hochautomatisierte Fahren dient der Erhebung, Analyse und Verarbeitung von Daten, die rund um das Fahrzeug von der Sensorik erfasst werden. Je umfangreicher die Basis an Informationen aus dem realen Straßenverkehr, desto robuster und natürlicher lassen sich die teil- und hochautomatisierten Fahrfunktionen auslegen, erklären die Unternehmen. Dazu zählen auch zusätzliche Ebenen für hochauflösende Karten zur Lokalisierung sowie Quer- und Längsführung von Fahrzeugen. Neben alltägliche Fahrsituationen soll das System auch mit selten auftretenden, dafür aber umso kniffliger zu lösende Sonderfällen (Corner Cases) im Straßenverkehr zurechtkommen. Die Software-Plattform soll künftig in allen privat genutzten Fahrzeugklassen der Marken des Volkswagen-Konzerns eingesetzt und könne auch in Fahrzeuge und Ökosysteme anderer Autohersteller integriert werden.

Kooperation für Level 4 wird geprüft

Oberhalb von Level 3 steht mit Level 4 das vollautomatisierte Fahren, das dann auch „mind off“ ermöglicht, sodass der Fahrer auf ausgewählten Strecken gar nicht mehr ins Fahrgeschehen eingreifen muss. Möglich wäre dann zum Beispiel das Schlafen auf längeren Autobahnabschnitten. Die Partner haben vereinbart, auch mögliche gemeinsame Entwicklungsziele und Zeitpläne in diesem Bereich zu prüfen.