Katastrophenschutz: Digitales Warnsystem Cell Broad­cast kommt ab 2022

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Nach der Hochwasser-Katastrophe soll nun auch Deutschland Cell Broadcast erhalten. Bis zum Sommer 2022 will das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) das öffentliche Warnsystem installieren, berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) unter Berufung auf Regierungskreise.

Mittels Cell Broadcast können Netzbetreiber eine Warnung als Push-Nachricht an alle Mobilfunk-Nutzer versenden, die in einer bestimmten Funkzelle angemeldet sind. Weil diese Push-Nachrichten einfach an alle Geräte versendet wird, sind auch keine Empfängerlisten nötig, wodurch das System als datenschutzfreundlich gilt. Zudem ist es datensparsam, es überlastet die Sendeanalgen also nicht. Die maximale Länge der Nachrichten beträgt 1395 Zeichen, neben konkreten Warnungen können auch Verhaltenstipps übermittelt werden.

Call Broadcast ist grundsätzlich in den Mobilfunk-Standards enthalten, eine Umsetzung ist also ohne Weiteres möglich. Was benötigt wird, ist aber eine entsprechende Verordnung von der Bundesregierung. Die Kosten für die Einführung sollen sich auf 20 bis 40 Millionen Euro belaufen, sagte BBK-Präsident Armin Schuster dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Er sprach aber Anfang dieser Woche noch von einer Machbarkeitsstudie, die zu erst bis zum Herbst erstellt werden soll. Die massive öffentliche Kritik im Verlauf dieser Woche scheint aber Spuren zu hinterlassen. Offenbar will die Bundesregierung die Einführung nun beschleunigen.

In vielen Ländern bereits im Einsatz

In vielen Ländern wird Cell Broadcast bereits mit großem Erfolg eingesetzt. Dazu zählen etwa Japan, Bangladesch, die USA und die Niederlande, die das System im Rahmen von NL-Alert seit 2012 nutzen. Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung sollen sich damit erreichen lassen, heißt es in einem Bericht von AG Kritis – einer Arbeitsgemeinschaft, die sich mit kritischen Infrastrukturen befasst.

Die EU schreibt die Umsetzung ebenfalls in einer Richtlinie von 2018 vor. Bis 2022 sollen EU-Staaten das Cell-Broadcast-System eigentlich einführen. Eine Ausnahme besteht allerdings für Länder, die einen gleichwertigen Ersatz vorweisen können. Deutschland wollte offenbar diese Ausnahmen nutzen, die Warnstrategie setzte auf Apps wie Nina und Katwan, wie Christoph Unger, der im letzten Jahr noch amtierende Chef vom Bundesamt für Katastrophen-Schutz, im Interview mit dem Spiegel erklärte. In diesem Kontext gab es wohl aber auch einige grundlegende Missverständnisse bei der Funktionsweise von Cell Broadcast, die Datenschutzaspekte und die Netzauslastung betragen.

Warn-Apps erwiesen sich im Notfall als nicht ausreichend. Ohnehin gelten diese als problematisch, Apps müssen Nutzer selbst installieren, es werden also nicht einmal alle Personen mit Mobiltelefon informiert. Und derzeit haben nur rund 15 Prozent der Mobilfunknutzer eine entsprechende Warn-App installiert, berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Analoge Warnungen via Sirenen sind ebenfalls nicht überall möglich, weil die entsprechende Infrastruktur schlicht nicht mehr existiert.

Forderung nach Cyber-Hilfswerk

Von Cell Broadcast abgesehen gibt es noch weitergehende Forderung. So will die FDP etwa in Anlehnung an das Technische Hilfswerk (THW) ein Cyber-Hilfswerk einführen, berichtet der Spiegel. Wie entsprechende Organisationen in den USA soll sich dieses dann etwa darum kümmern, dass im Katastrophenfall die Internetverbindungen bestehen bleiben oder schnell wiederhergestellt werden.

In vielen Katastrophengebieten kam es zu Netzausfällen, sowohl Leitungen als auch Sendemasten wurden durch Fluten und Hochwasser beschädigt oder völlig zerstört. Die Aufbauarbeiten dauern an, in manchen Orten muss die Infrastruktur aber völlig erneuert werden.