Wieder steht der Deutsche Fußball-Bund im Fokus der Ermittler: Staatsanwälte klingelten in den Morgenstunden bei Deutschlands größtem Sportverband und bei führenden Verbandsvertretern – und ließen sich nicht abweisen.
Polizeibeamte begleiten die Staatsanwälte zur DFB-Zentrale in Frankfurt/Main
Wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main die Geschäftsräume des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sowie Privatwohnungen von Verantwortlichen des Verbandes durchsucht. An der Aktion in Hessen, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz waren insgesamt rund 200 Beamte beteiligt, wie die Behörde in Frankfurt mitteilte.
Bandenwerbung? Vermögensverwaltung!
Dabei gehe es um Erlöse aus Heim-Länderspiele der Fußball-Nationalmannschaft aus den Jahren 2014 und 2015. “Die wegen des Verdachts der fremdnützigen Hinterziehung von Körperschafts- und Gewerbesteuern in besonders schweren Fällen geführten Ermittlungen richten sich gegen sechs ehemalige bzw gegenwärtige Verantwortliche des DFB”, so die Ermittler. “Ihnen wird zur Last gelegt, Einnahmen aus der Bandenwerbung von Heim-Länderspielen der Fußball-Nationalmannschaft aus den Jahren 2014 und 2015 bewusst unrichtig als Einnahmen aus der Vermögensverwaltung erklärt zu haben.” Damit sei der Verband einer Besteuerung in Höhe von etwa 4,7 Millionen Euro entgangen.
Den Prozess in der Schweiz hat der frühere Verbandschef Niersbach überstanden. Nun gibt es neue Anschuldigungen gegen den DFB für die Zeit seiner Präsidentschaft
Namen der Verdächtigen nannte die Behörde nicht. Präsident des größten Sportfachverbandes der Welt und des größten Einzelverbandes im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) war damals Wolfgang Niersbach, der wegen des immer noch nicht restlos aufgeklärten “Sommermärchen”-Skandals um die WM 2006 zurücktrat. “Nach den bisherigen Ermittlungen besteht der Verdacht, dass die Beschuldigten von dieser steuerlichen Unrichtigkeit wussten, sie aber bewusst wählten, um dem DFB hierdurch einen Steuervorteil von großem Ausmaß zu ermöglichen”, erklärte Oberstaatsanwältin Nadja Niesen in der Pressemitteilung.
Die “Bild”-Zeitung meldet, dass auch der zurückgetretene Verbandschef Reinhard Grindel von der Hausdurchsuchung betroffen gewesen sei. Bestätigt ist das nicht. Auch den Namen des Präsidenten von Borussia Dortmund (BVB), Reinhard Rauball, nennt das Blatt. Rauball hatte zwischenzeitlich auch Verantwortung im Verband, war bis September 2019 kommissarischer Präsident des DFB. Die Staatsanwaltschaft nannte, wie gesagt, keine Namen. Die Behörde spricht nur von sechs ehemaligen beziehungsweise derzeitigen Verantwortlichen des DFB.
Die Trennung von Infront
Der Fußball-Verband und seine langjährige Vermarktungs-Agentur Infront hatten kürzlich ihre Zusammenarbeit nach fast 40 Jahren beendet – einvernehmlich, wie es hieß. Begründet wurde dies mit Ergebnissen einer Untersuchung des Beratungsunternehmens Esecon. Darin waren Vorwürfe gegen Infront erhoben worden. Infront hatte diese zurückgewiesen und die Kündigung durch den DFB nicht anerkannt. Die Agentur hatte bis 2018 den Auftrag, Bandenwerbepartner für Spiele der Nationalelf zu beschaffen. Laut dem Ermittlungsbericht von Esecon habe die Firma 2013 vom DFB den Zuschlag für das Geschäft erhalten, obwohl ein Konkurrent bis zu 18 Millionen Euro mehr geboten habe. Schon das wirkte merkwürdig. Von der Verbandsspitze selbst stand am Mittwoch früh noch eine Stellungnahme aus.
Ging so der Trick?
Die Erklärung der Staatsanwaltschaft kann so gedeutet werden: Möglicherweise hat der DFB das Geschäft mit den Werbebanden an Infront verpachtet, um Steuerzahlungen zu entgehen. Die Anklagebehörde erklärt im einzelnen: “Durch Vertrag vom 11. Dezember 2013 soll der DFB die Rechte zur Vergabe der Werbeflächen in den Spielstätten von Länderspielen der Fußball-Nationalmannschaft für den Zeitraum 2014 bis 2018 an eine schweizerische Gesellschaft verpachtet haben. Dieser Gesellschaft soll allerdings bei der Auswahl der Werbepartner kein Handlungsspielraum verblieben sein”, hieß es nun von der Staatsanwaltschaft: “Vielmehr soll sie sich verpflichtet haben, die Exklusivität des Generalsponsors und des Generalausrüsters der Nationalmannschaft zu berücksichtigen und keine Rechte an deren Konkurrenten zu vergeben. Stattdessen soll der DFB trotz der Verpachtung der Rechte über seine Sponsorenverträge aktiv bei der Vergabe der Bandenwerbeflächen mitgewirkt haben.” Generalausrüster war schon damals die Firma Adidas.
Folgen des “Sommermärchen”-Skandals
Der DFB hat zudem noch immer mit den Folgen des erwähnten “Sommermärchen”-Skandals zu kämpfen. Bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft ist noch ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung anhängig. Die juristischen Nachwehen der WM 2006 drehen sich um eine dubiose und immer noch nicht aufgeklärte Zahlung von 6,7 Millionen Euro. Diese hatte der damalige WM-OK-Chef Franz Beckenbauer 2002 als Darlehen vom inzwischen verstorbenen Unternehmer Robert Louis-Dreyfus erhalten. Der DFB überwies die Summe im April 2005 an den Weltverband FIFA als Beitrag für eine später nie stattgefundene Gala.
Als Reformer und Aufklärer aufgetreten: der heutige DFB-Präsident Fritz Keller
Verfahren eingestellt
Das Verfahren unter anderem gegen drei ehemalige Top-Funktionäre des DFB in der Schweiz war Ende April wegen der Verjährung eingestellt worden. Auf Antrag des aktuellen DFB-Chefs Fritz Keller will der Verband die damaligen Vorgänge aber noch einmal eingehend untersuchen lassen. “Es ist höchst unbefriedigend, ja frustrierend, dass wir noch immer kein abschließendes Bild rund um die infrage stehenden Abläufe der WM 2006 haben. Damit will ich mich nicht abfinden”, erklärte Keller vor kurzem. Frustrierend dürfte er auch die Nachrichten über die neuen Vorwürfe finden.