Filmfestspiele Venedig: Kino als Mittel gegen die Corona-Depression

Vanessa Kirby und Greta Thunberg waren die unangefochtenen Stars am Lido. Regisseur Pedro Almodóvar machte der Branche Mut. Scott Roxborough aus Venedig.

Vanessa Kirby überzeugte in dem Film “Pieces of a Woman”, der in Venedig Premiere feierte

Tja, es ist wirklich nicht sehr spaßig, Filme mit einem Mund-Nasen-Schutz anzugucken. Oder in einem Kinosaal zu sitzen, in dem es mehr nach Desinfektionsmittel als nach Popcorn riecht. Aber für hunderte Filmkritiker, Journalisten und sonstige Hauptberufler aus dem Filmgeschäft, die sich in diesem Jahr zu den Festspielen nach Venedig – das erste größere Festival seit dem Lockdown – aufgemacht haben, sind all diese Hygienemaßnahmen ein geringer Preis dafür, dass sie endlich wieder ins Kino gehen können.

In Venedig ist man ein großes Risiko eingegangen, die Filmfestspiele überhaupt stattfinden zu lassen. Andere große Filmfestivals, wie in Cannes oder Telluride, wurden abgesagt. Und das Toronto Filmfestival, das am 10. September startet, wird 2020 wohl eine sehr lokale Veranstaltung werden. Aufgrund der Reisebeschränkungen und der Quarantänebestimmungen vor Ort werden nur wenige Nicht-Kanadier erwartet. So bleibt es also an Venedig hängen, die Fahne der internationalen Filmindustrie hochzuhalten.

Alle Hoffnungen ruhen auf Venedig

“Venedig steht für alle. Venedig ist Karlovy Vary, ist Cannes, ist Berlin. Venedig ist im Moment alles”, sagte der ungarische Regisseur Kornél Mundruczó, dessen englischsprachiger Debütfilm “Pieces of a Woman” mit Vanessa Kirby und Shia LaBeouf in den Hauptrollen am vergangenen Samstag (5.9.) in Venedig Premiere feierte. “Ich glaube, jeder empfindet das so wie ich. Ich spreche wohl im Namen aller Filmemacher. Wir hoffen alle, dass die Filmfestspiele in Venedig ein Zeichen dafür sind, dass wir wieder zurück in der Spur sind.”

Überall auf der Welt werden Kinos, die monatelang wegen des Lockdowns geschlossen waren, nach und nach wieder geöffnet. Jeder, der in diesem Jahr nach Venedig gekommen ist, zählt darauf, dass das Festival die Leute elektrisiert und wieder in die Säle zurückbringt.

Vanessa Kirby und Regina King im Rampenlicht

Betrachtet man die Besucherzahlen zur Halbzeit des Festivals, kriegt Venedig das gut hin. Vanessa Kirby, bekannt durch ihre Rolle als Prinzessin Margaret in der Netflix-Serie “The Crown”,  begeisterte das Publikum  in “Pieces of a Woman” durch ihre authentische Darstellung als trauernde Mutter, die mit dem Verlust ihres Kindes umzugehen lernt. Ebenso überzeugte sie in Mona Fastvolds “The World to Come” als charmante und verführerische Pionierin im Amerika des 19. Jahrhunderts, die eine leidenschaftliche Affäre mit ihrer Nachbarin (dargestellt von Katherine Waterston) hat.

Die US-amerikanische Schauspielerin Regina King, die für ihre Leistung in “If Beale Street Could Talk” bereits einen Oscar in der Kategorie “Beste Nebendarstellerin” im Regal stehen hat, könnte für ihr Debüt als Regisseurin des Dramas “One Night in Miami” durchaus noch ein paar weitere Preise einheimsen.

Die Geschichte eines realen Treffens zwischen Box-Legende Muhammad Ali, dem Bürgerrechtler Malcolm X, Soulsänger Sam Cooke und dem Football-Star Jim Brown wurde vom Publikum in Venedig begeistert aufgenommen und ist jetzt schon ein heißer Favorit für eine Trophäe bei der Oscarverleihung 2021.

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Filmfestival Venedig eröffnet

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Filmfestival Venedig startet mit Publikum

Auch außerhalb des offiziellen Wettbewerbs gibt es einige filmische Highlights in Venedig. Darunter die unterhaltsame  schräge griechische Fabel “Apples” von Christos Nikou, in der eine Pandemie dazu führt, dass die Menschen ihr Gedächtnis verlieren. Oder “Mainstream” von Gia Coppola (der Nichte von Sofia und der Enkelin von Francis Coppola), eine spritzige Satire über eine Social- Media-Berühmtheit mit Andrew Garfield in der Hauptrolle.

Greta lobt “I am Greta”  

Neben Vanessa Kirby stand 2020 in Venedig noch eine weitere Person im Fokus: die Klimaaktivistin Greta Thunberg. Sie reiste zwar nicht persönlich an, schaltete sich aber per Video zu, um über den Dokumentarfilm zu sprechen, der ihr Leben beschreibt: “I Am Greta”. Die Ikone der Fridays for Future-Generation sagte, der Film von Nathan Grossmann zeige die echte Greta: “Nicht die Person,  die von den Medien in eine Schublade gesteckt wurde, das ärgerliche, naive Kind, das bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen die führenden Köpfe dieser Welt anbrüllt. Denn das bin ich nicht”, betonte Greta.”Er (Nathan Grossmann) hat mich definitiv als schüchterne und nerdige Persönlichkeit dargestellt – und genau so bin ich.”

Pedro Almodóvar hat eine Botschaft

Aber die eigentliche Botschaft der diesjährigen Filmfestspiele in Venedig brachte der spanische Regisseur Pedro Almodóvar, der mit seinem Kurzfilm “The Human Voice” (in der Hauptrolle: Tilda Swinton) vertreten war, auf den Punkt: “Das Kino durchlebt im Moment nicht gerade seine beste Zeit – und genau deswegen müssen wir die Menschen jetzt einladen, ins Kino zu gehen”, sagte er. “Das Kino ist das wahre Gegenmittel gegen die Pandemie.” Und weiter: “Die Menschen sollten nicht in ihrem Zuhause sitzen müssen als wäre es ein Gefängnis. Ins Kino zu gehen bedeutet, Abenteuer zu erleben.”


  • 77. Filmfestspiele in Venedig: Italien statt Hollywood

    Italienisches Ehedrama zum Auftakt

    Zum ersten Mal seit über einem Jahrzehnt gebührt einem italienischen Film wieder die Ehre, die Internationalen Filmfestspiele in Venedig zu eröffnen: Das Drama “Lacci” wird außer Konkurrenz gezeigt und erzählt die Geschichte einer Ehe, die durch Untreue gefährdet wird. Regie führte Daniele Luchetti, der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Domenico Starnone aus dem Jahr 2014.


  • 77. Filmfestspiele in Venedig: Italien statt Hollywood

    Fokus auf Italien: Padrenostro

    Generell präsentieren sich die diesjährigen Filmfestspiele auf dem Lido auffällig italienisch: Vier der 18 um den Goldenen Löwen konkurrierenden Filme sind italienischen Ursprungs. Zum Beispiel “Padrenostro”: Regisseur Claudio Noce erzählt darin aus einer kindlichen Perspektive heraus vom politischen Terrorismus und der Gewalt, die Italien in den 1970er Jahren erschütterte.


  • 77. Filmfestspiele in Venedig: Italien statt Hollywood

    Deutscher Beitrag: “Und morgen die ganze Welt”

    Aber auch ein deutscher Film konkurriert um den Goldenen Löwen in Venedig: “Und morgen die ganze Welt” der Regisseurin Julia von Heinz handelt von der jungen Antifa-Aktivistin Louisa, die sich mit zunehmend radikalen Mitteln gegen den Rechtsruck der Gesellschaft wehrt. Gespielt wird Louisa von Nachwuchsstar Mala Emde, die hier im Bild zu sehen ist.


  • 77. Filmfestspiele in Venedig: Italien statt Hollywood

    Deutsch-Polnische Koproduktion: “Never Gonna Snow Again”

    Seine Hände scheinen Wunder zu bewirken: Alec Utgoff spielt in “Never Gonna Snow Again” den ukrainischen Migranten Zhenia, der als Masseur für die Warschauer Oberschicht arbeitet und sich für die unglücklichen Reichen zu einer Guru-ähnlichen Figur entwickelt. Der Film ist polnischer Kandidat für den Oscar in der Kategorie “Bester Internationaler Film”.


  • 77. Filmfestspiele in Venedig: Italien statt Hollywood

    Historisches Biopic: “Miss Marx”

    Nachdem es in den letzten Jahren teils heftige Kritik an fehlender Gleichberechtigung bei den Nominierungen gab, stammen in diesem Jahr immerhin acht der 18 Filme von Regisseurinnen. Einer davon ist Susanna Nicchiarellis historisches Biopic “Miss Marx” über das Leben von Karl Marx’ jüngster Tochter Eleanor Marx. Die politische Aktivistin wird von Romola Garai gespielt.


  • 77. Filmfestspiele in Venedig: Italien statt Hollywood

    Der Hollywood-Kandidat: “Nomadland”

    “Nomadland” erzählt die Geschichte einer Frau in ihren Sechzigern, die in der Weltwirtschaftskrise alles verliert und deshalb als moderne Nomadin im Van durch den Westen der USA zieht. Er ist sicher der Film, der am hochkarätigsten besetzt ist: Gespielt wird die Protagonistin Fern von der zweifachen Oscar-Gewinnerin Frances McDormand. Parallel zu Venedig feiert der Film auch in Toronto Premiere.


  • 77. Filmfestspiele in Venedig: Italien statt Hollywood

    Der Klimastreik erreicht Venedig: Dokumentarfilm “Greta”

    Streaming-Anbieter und Filmfestivals, das ist so eine Sache. Die Festspiele in Cannes verbannten Netflix, Amazon und Co., in Venedig sind sie noch willkommen. Und so präsentiert der Streaming-Anbieter Hulu seinen Dokumentarfilm “Greta”: Regisseur Nathan Grossman (2.v.l.) begleitete dafür Greta Thunberg (4.v.l.) über Monate hinweg – sogar auf die Atlantiküberfahrt im August 2019.


  • 77. Filmfestspiele in Venedig: Italien statt Hollywood

    Prominenter Juryvorsitz: Cate Blanchett

    Den Juryvorsitz hat in diesem Jahr Cate Blanchett inne, die 2007 in Venedig für ihre Rolle in “I’m Not There” als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde. Neben ihr entscheiden die Regisseure Veronika Franz, Joanna Hogg und Christian Petzold, die Schauspieler Matt Dillon und Ludivine Sagnier sowie die Autorin Nicola Lagioia darüber, welcher Film den begehrten Goldenen Löwen mit nach Hause nimmt.


  • 77. Filmfestspiele in Venedig: Italien statt Hollywood

    Ehrenpreis für das Lebenswerk: Ann Hui und Tilda Swinton

    Die ersten Preisträgerinnen sind aber schon vor dem Start des Festivals bekanntgegeben worden: Die chinesische Schauspielerin und Regisseurin Ann Hui sowie die britische Oscar-Preisträgerin Tilda Swinton wurden jeweils für ihr Lebenswerk mit dem “Goldenen Löwen für ein Lebenswerk” ausgezeichnet. Diesen Ehrenpreis gibt es seit 1970. Erster Preisträger damals war niemand Geringeres als Orson Welles.

    Autorin/Autor: Matthias Beckonert


Adaption: Suzanne Cords


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