Mehrere Stunden vor den angekündigten Massenprotesten gegen Staatschef Alexander Lukaschenko umzingeln Sicherheitskräfte den Unabhängigkeitsplatz ins Minsk. Das Innenministerium verbietet die “Massenveranstaltungen”.
Seit dem frühen Vormittag rollen laut DW-Korrespondenten Panzer und Wasserwerfer durch Minsk. Sicherheitskräfte, teils schwer bewaffnet, bringen sich in Stellung und umzingeln den zentral gelegenen Unabhängigkeitsplatz. Straßen seien mit Absperrungen blockiert, berichten lokale Medien. Mehrere U-Bahn-Stationen in der Nähe wurden geschlossen.
Das belarussische Innenministerium warnt: “Wir wenden uns an die Bürger und Gäste unseres Landes! Nehmen Sie nicht an den nicht sanktionierten Massenveranstaltungen teil. Das ist gesetzeswidrig! Die Polizeimitarbeiter werden notwendige Handlungen unternehmen, um die Durchführung solcher Aktionen zu unterbinden und die Verletzungen der öffentlichen Ordnung nicht zuzulassen.”
Am Vortag hatten laut Behörden etwa 4000 Menschen an Protesten teilgenommen. 91 Protestierende seien festgenommen worden, 34 von ihnen in die Haftanstalten eingeliefert worden. Dennoch werden am Sonntag mehr Teilnehmer erwartet. Schon am Vormittag haben sich Scharen von Demonstranten sich auf den Weg ins Zentrum der belarussischen Hauptstadt gemacht, um ab 14 Uhr Ortszeit (13 Uhr in Deutschland) an der Groß-Kundgebung auf dem Unabhängigkeitsplatz teilzunehmen.
Auch in anderen Städten des Landes ziehen Menschen auf die Straße. Im westlich gelegenen Hrodno stießen Demonstranten schon am Mittag mit der Bereitschaftspolizei zusammen, berichtet das belarussische Nachrichtenportal Tut.by, ein Video zeigt ein Handgemenge zwischen Uniformierten und Zivilisten unterschiedlichen Alters – Männer wie Frauen. Auch Tränengas soll mittlerweile zum Einsatz gekommen sein.
Bereits am Sonntagvormittag sperren Polizisten in Minsk den Unabhängigkeitsplatz ab, auf dem die Demonstration beginnen soll
Den Sonntagsdemonstrationen hatten sich in den vergangenen Wochen Hunderttausende Teilnehmer angeschlossen. Die Proteste dauern bereits vier Wochen an. Auslöser der Massenproteste war die Präsidentenwahl im August, bei der Machthaber Alexander Lukaschenko – mit dem offiziellen Ergebnis von 80 Prozent der Stimmen – für eine sechste Amtszeit bestätigt worden sein soll. Viele Menschen im Land betrachten die Wahl als gefälscht und sehen Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja als legitime Siegerin an. Zu den Zielen der Proteste gehören laut Organisatoren die Freilassung von Gefangenen, die strafrechtliche Verfolgung von Polizeigewalt sowie Neuwahlen.
Die EU erkennt das offizielle Wahlergebnis nicht an. Die EU-Mitglieder Lettland und Estland haben bereits Sanktionen gegen belarussische Regierungsvertreter verhängt, darunter Lukaschenko. In der “Bild am Sonntag” drohte Bundesaußenminister Heiko Maas der Regierung vor der Demonstration mit Sanktionen: “Ich fordere von Lukaschenko, dass er mit der Opposition verhandelt, dass die Wahl wiederholt wird, dass Lukaschenko sofort damit aufhört, friedliche Demonstranten einzusperren und zu misshandeln, dass er die Menschenrechte und die Pressefreiheit achtet.” Unterstützt wird der Präsident von Russland.