Spaniens Tourismusbranche am Ende?

Das Land gilt wieder als Risikogebiet. Die Urlaubssaison ist damit vorbei. Während die Kanaren hoffen, muss der Rest der spanischen Wirtschaft umdenken. Denn allein auf Tourismus zu setzen wird nicht mehr reichen.

Ausbleibende Urlauber treffen Spaniens Wirtschaft hart

“Die Saison ist vorbei und damit stehen eine Millionen Jobs auf dem Spiel”, resümiert Juan Carlos Higueras von der Madrider Business-Schule EAE die aktuelle Situation.

Offiziell weist Spanien derzeit in Europa mit 132 am meisten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner auf. Deutschland kommt gerade mal auf 15. Es hagelt infolge Reisewarnungen von überall.

Bisher haben offiziell nur 55.000 Spanier ihren Job verloren, weil die meisten sich noch in Kurzarbeit-Programmen befinden. Eine Studie des Wirtschaftsverbands FEDEA sieht jedoch voraus, dass am Ende 70 Prozent der Angestellten im Tourismussektor ihre Arbeit verlieren werden.

Besonders stark betroffen sind die Balearen, wo diese Branche 35 Prozent zur Wirtschaftsleistung beiträgt, im Rest des Landes sind es zwölf Prozent.

Die Kanaren, wo die Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch ist, haben dagegen derzeit kurzfristig einen Vorteil: Nicht nur, dass sie von den meisten Reisewarnungen wegen der geringen Infektionen ausgeschlossen sind und der deutsche Reiseveranstalter Tui ein Teil der Spanien-Reisen dorthin umleitet – ihre Hauptsaison fängt zudem erst im Winter an.

Für Mallorca sieht es dagegen düster aus: “Die übertriebene Panikmache mancher deutscher Massenmedien hat die Situation verschlimmert”, kritisiert der Investor Matthias Meindel, der zeitweise auf der Insel lebt.

Er selbst lässt sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen und hält an seinem geplanten Radler-Hotel in der mallorquinischen Kleinstadt Inca fest: “Wir fangen im nächsten Jahr mit den Umbauten an.”

Vermehrte Polizeistreifen und das Schließen von Stränden und Parks bei Nacht sollen die Ausbreitung des Virus eindämmen. Maskenpflicht besteht bereits seit langem. Jetzt darf auch nur noch mit einem Abstand von zwei Metern in der Öffentlichkeit geraucht werden.

Die Einheimischen halten sich mit eiserner Disziplin an die Vorschriften. “Von den Touristen kann man das nicht immer sagen”, bemerkt Meindel. Zudem kann nur noch in Spanien einreisen, wer vorher digital einen umfangreichen Fragebogen ausgefüllt hat.

Schlaflose Nächte für 2,4 Mio. Menschen

Klar ist, dass Spaniens Wirtschaft in Windeseile umdenken muss. Die Regierung will jetzt zusammen mit einer privaten Unternehmensberatung den gesamten Feriensektor auf größere Margen bei weniger Besuchern trimmen.

Nach dem Rekordjahr 2019 mit fast 84 Mio. ausländischen Touristen, die 92 Mrd. Euro im Land ließen, rechnet der Branchenverband Exceltur in 2020 mit einem Minus von fast 100 Mrd. Euro. Das sind 15,6 Mrd. Euro mehr als bisher gedacht.

Das vor kurzem vom Tourismus-Ministerium herausgegebene Qualitätssiegel “sicherer Tourismus” (turismo seguro) soll den Urlaubern Angst nehmen. Es garantiert Hygiene-Protokolle und geringe Ansteckungsgefahr.

“Wir promoten unter diesem Schutzschirm in der Region Castilla-La Mancha vor allem Wein- und Gastronomierouten, Wanderungen sowie Events unter freiem Himmel”, berichtet Ruth Ardyla, Chefin des Madrider Tourismus Büros der autonomen spanischen Region mit der von Ausländern in normalen Zeiten viel besuchten Stadt Toledo als Hauptattraktion.

Aber was Castilla-La Mancha im Kleinen erlebt, gilt für das ganze Land – trotz der emsigen Bemühungen der Spanier: “Vorher waren 40 Prozent unserer Besucher Ausländer, jetzt sind es vielleicht noch zwischen 15 bis 20 Prozent”, berichtet Ardyla. Die Zukunft ist unsicherer als in jedem anderen EU-Land.

Ruth Ardyla – Direktorin des Promo-Büros Castilla La Mancha in Madrid

Im Rekordjahr 2019 arbeiteten in Spanien fast 2,4 Millionen Menschen direkt oder indirekt in der Urlaubsindustrie, die in zehn Jahren 500.000 neue Jobs schaffte. Diese sind jetzt bei einem knappen Drittel der ausländischen Besucher ein Klotz am Bein.

Exceltur fordert deswegen, dass ein Viertel der zugesagten 140 Mrd. Euro aus Brüssel in ihren Sektor fließen. Die Kurzarbeit soll nach Wunsch der Branche bis zur Wintersaison verlängert werden. Exceltur fordert sogar bis Ostern 2021.

Wie das finanziert werden soll, ist unklar. Die spanischen Staatsschulden stiegen im Juni nach Angaben der Banco de España auf 110 Prozent und könnten Ende des Jahres bei 120 Prozent des BIP liegen.

Umbau der Wirtschaft mit dem Blick nach Afrika

Während der auf Mallorca lebende deutsche Rechtsanwalt Tim Wirth froh war, dass die Könige und Premier Pedro Sánchez kürzlich noch auf der Insel verweilten und damit positive internationale Presse erzeugten, “hat die plötzliche Panik jetzt auch den Immobilienmarkt negativ beeinflusst.”

Nach Angaben des spanischen Gutachters Tinsa, sind die Wohnungspreise seit März 2020 auf den Balearen und Kanarischen Inseln im Durchschnitt um 8,2 Prozent und an der Mittelmeerküste um 6,1 Prozent gefallen.

König Felipe und Pedro Sánchez auf Mallorca: Die Corona-Pandemie und die wirtschaftliche Situation Spaniens standen ganz oben auf der Agenda

Um das aufzuhalten, rät der spanische Ökonom Javier Díaz-Giménez, den Rest der Wirtschaft nicht aus den Augen zu verlieren und endlich energieeffizientere Häuser und Gebäude zu bauen: “Die Bauindustrie ist genauso wichtig für uns wie der Tourismus.” 

Spaniens Blick müsse deswegen nach Afrika gehen, wo das Land sich mit weltweit renommierten Infrastrukturunternehmen wie ACS und Ferrovial einbringen könne.

“In meinem Unterricht nimmt der Kontinent derzeit ein zentrales Thema ein”, gesteht der Dozent, der an der Elite-MBA-Schmiede IESE in Madrid unterrichtet.

“Horizonte África” – eine wirtschaftliche Chance für Spanien?

Auch Industrie-Ministerin Reyes Maroto hat das Potenzial erkannt und gerade den Plan “Horizonte África” verabschiedet, der den Einstieg spanischer Firmen vor Ort erleichtern soll.

Ökonom Higueras lobt das, denn er glaubt ebenfalls ganz stark an die wirtschaftliche Zukunft Spaniens in Afrika: “Wir sind die Brücke Europas zu diesem Kontinent und sollten nicht das ganze Geschäft den Franzosen, Briten, Chinesen und Amerikanern überlassen.”

Derweil warnt Díaz-Giménez Premier Sánchez vor einem zweiten Lockdown und fordert, jetzt vor allem den Menschen zu helfen und nicht den Firmen: “Wir dürfen keine Airlines oder Hotelketten retten und schon gar nicht Automobilunternehmen, aber wir müssen den Arbeitslosen helfen mit Geld und Umschulungen.”


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    Der Sommerurlauber will Sonne, Strand und vor allem Sicherheit. Anders als die Türkei, Tunesien und Ägypten, Griechenland oder Italien verspricht Spanien einen entspannten Urlaub. Denn bislang sind die spanischen Ferienregionen von Terror oder Flüchtlingskrise nicht betroffen.


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    Die Bettenburgen von Benidorm an der Costa Blanca sind im Sommer so gut wie ausgebucht. Das Meer fest im Blick, im Rücken die Hochhäuser. In Europa haben nur London und Paris mehr Hotels. Sie sind steingewordenes Symbol für den modernen Massentourismus. Der erfasste Spanien Ende der 1950er Jahre und lässt es seither nicht mehr los. 74 Millionen Touristen waren es 2016.


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    Im Land des Toro

    Wer sich aufmacht, das Landesinnere zu entdecken und durch die weiten, staubtrockenen Ebenen reist, wird immer wieder ihm begegnen: dem “Toro de Osborne”. Als Werbung für den Brandy Veterano der Osborne-Gruppe erfunden, entwickelte er sich zum nationalen Symbol Spaniens und ist heute beliebtes Souvenir in jeder nur erdenklichen Form.


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    Weite, nichts als Weite

    Unendlich wirken die Hochebenen im Zentrum Spaniens. Die Windmühlen in der Region La Mancha sind als Schauplatz der Weltliteratur berühmt geworden. In seinem Roman “Don Quichote” ließ der spanische Schriftsteller Miguel de Cervantes seinen Helden durch La Mancha irren und gegen Windmühlen kämpfen. Touristen können heute seinen Spuren auf der 400 Kilometer langen “Ruta del Don Quijote” folgen.


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    Der Weg ist das Ziel

    Der berühmteste Wanderweg Spaniens ist der Jakobsweg. Seine Hauptroute, der “Camino Francés”, führt von den Pyrenäen über 800 Kilometer bis nach Santiago di Compostella, zum Grab des heiligen Jakobus. Die Stadt entwickelte sich im Mittelalter neben Rom und Jerusalem zu einem wichtigen christlichen Pilgerziel. Das Foto zeigt das Pilgerdenkmal auf dem Weg zum Alto del Perdón.


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    Madrid und seine Museen

    Die Hauptstadt Spaniens ist auch die Kunstmetropole des Landes. In Madrid gibt es über 20 Museen. Die berühmtesten sind der Prado – er präsentiert europäische Kunst vom 12. bis 19. Jahrhundert – und das Museo Reina Sofia. Letzteres widmet sich der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts. Hier ist eines der Hauptwerke des spanischen Malers Pablo Picasso zu sehen: Guernica (im Bild).


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    Barcelona und Gaudí

    Die katalanische Hafenstadt am Mittelmeer fasziniert mit ihrer aufregenden Architektur. Seit den Olympischen Spielen 1992 wurden im Stadtgebiet zwar viele moderne Akzente gesetzt. Der berühmteste Architekt jedoch ist und bleibt Antoni Gaudí, der im 19. Jahrhundert mit seinen organischen Strukturen seiner Zeit weit voraus war. Die Casa Batlló ist ein typisches Beispiel seiner Formensprache.


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    Bilbao und das Guggenheim Museum

    Es sieht aus wie eine silbrige Riesenechse, die sich in der Sonne räkelt. Das von dem US-amerikanischen Architekten Frank O. Gehry entworfene Museum ist seit 1997 Wahrzeichen der spanischen Hafenstadt Bilbao. Der anfangs umstrittene Bau machte die verschlafene Stadt an der Atlantikküste mit einem Schlag berühmt. Mehr als eine Million Gäste besuchen das Guggenheim Museum jedes Jahr.


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    Stadt mit Strand

    Aufgrund seines milden Klimas diente das baskische San Sebastián/Donostia den spanischen Königen, die der Hitze in Madrid entfliehen wollten, lange Zeit als sommerliche Residenz. Davon zeugen prachtvolle Alleen und Paläste. Der berühmte Strand La Concha lockt eine halbe Million Touristen im Jahr an. Und Surfer suchen die Herausforderung in den Atlantikwellen.


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    Klein und fein

    Wer in Spanien Urlaub macht, darf sich auf ein Land freuen, das seine kulinarische Tradition mit Hingabe pflegt. Typisch und längst über die Landesgrenzen hinaus beliebt sind die Tapas. Diese herzhaften, köstlichen Häppchen aus Fleisch, Fisch oder Gemüse werden in den Bars zum Wein gereicht. Man verspeist sie unkompliziert an der Theke im Stehen.


  • Mehr als zehn Gründe für Spanien

    Viva España!

    Zu jeder Jahreszeit werden in Spanien Fiestas gefeiert. Viele haben einen religiösen Hintergrund, wie die “Sanfermines” in Pamplona. Andere feiern einfach nur das Leben, wie die “Feria de Abril” in Sevilla. Egal wo, immer wird ausgelassen getanzt, gegessen und getrunken. Die Frauen führen ihre Flamenco-Tracht aus und die Männer ihre Anzüge. Alles zusammen: Spanien, ein Fest für die Sinne.

    Autorin/Autor: Anne Termèche



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