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Sierens China: US-Unternehmen – Gekommen, um zu bleiben

Trotz Corona-Krise und Donald Trumps Eskalationsspiralen investieren die meisten US-Firmen weiter in China. Alles andere wäre auch fatal für die amerikanische Wettbewerbsfähigkeit, meint Frank Sieren.

Die Gigafactory 3 von Tesla in Shanghai – seit einem halben Jahr wird hier das ‘Model 3’ gebaut

Weder der Handelsstreit, noch die Corona-Krise noch Trumps Drohung, die Beziehungen zu China “einfach abzubrechen” konnten die US-Unternehmen bisher davon abhalten, weiterhin auf den chinesischen Wachstumsmarkt zu setzen. 83 Prozent der befragten Unternehmen wollen ihre Firmen nicht aus der Volksrepublik abziehen, ergab eine Studie der amerikanischen Handelskammer in China, die nach dem Höhepunkt der Corona-Krise durchgeführt wurde.

Nur neun Prozent erklärten, sie hätten Schritte für einen Weggang eingeleitet. Und das, obwohl Trumps Handelberater Larry Kudlow versprochen hatte, zurückkehrenden US-Unternehmen die Umzugskosten zu zahlen und sich Länder wie Indien und Indonesien bereits mit Vergünstigungen für US-Firmen als Alternativen zu China in Stellung bringen. Mehrere wichtige US-Unternehmen haben in den vergangenen Wochen ihre Präsenz in China sogar noch erhöht, darunter der Elektro-Autobauer Tesla, der mit 11.065 verkaufen Exemplaren seines “Model 3” im Mai auf Platz Eins der E-Fahrzeugverkäufer in China aufrückte. Auch seine “Gigafactory” in Shanghai baut Tesla in hohem Tempo weiter aus.

Festhalten an den China-Strategien

Die Autoindustrie ist ein guter Seismograph dafür, dass die amerikanischen Unternehmen an ihren China-Strategien festhalten: So hat etwa Ford in der vergangenen Woche angekündigt, sich von dem Shenzhener Unternehmen BYD, dem größten Elektrofahrzeughersteller der Welt, die Batterien für sein neues Hybrid Plug-In Fahrzeug liefern zu lassen, das im chinesischen Markt verkauft werden soll. Ein Auto, das die Amerikaner ebenfalls mit einer chinesischen Firma bauen – dem Staatsbetrieb Changan Automobile. Bis Ende 2021 will Ford mehr als 30 neue oder überarbeitete Fahrzeugmodelle in China auf den Markt bringen. Auch General Motors hat vor wenigen Tagen verkündet, in Zukunft “sehr eng” mit dem in Fujian ansässigen Unternehmen CATL zusammenarbeiten zu wollen. Der erst 2011 gegründete Konzern, der derzeit auch eine Megafabrik in Erfurt baut, ist schon jetzt der größte Batteriehersteller der Welt.

DW-Kolumnist Frank Sieren

Doch nicht nur auf dem Automarkt zeigt sich, dass die Wachstumschancen die Risiken und geopolitischen Zerwürfnisse für die meisten US-Unternehmen aufwiegen. So kündigten neben dem US-Mineralölkonzern Exxon Mobil auch die Supermarktketten Costco und Walmart – immerhin die beiden größten Einzelhandelskonzerne der Welt – an, ihr China-Geschäft inmitten der Pandemie auszuweiten. Auch die US-Fast-Food-Kette Popeyes hat Mitte Mai ihre erste Filiale in China eröffnet, 1.500 weitere sind in Planung. Walmart möchte seine Präsenz in China in den kommenden fünf bis sieben Jahren mit rund 500 neuen Geschäften ebenfalls mehr als zu verdoppeln.

Das Glück dieser Unternehmen ist, dass die Chinesen sich nach Corona mit ihrer Kaufkraft kaum noch zurückhalten. Im Mai lag der Konsum schon fast wieder auf Vorjahresniveau. Und die wachsende chinesische Mittelschicht kauft trotz Trump immer noch gerne amerikanische Marken, die sie mit Freiheit, Spaß und entspannter Weltgewandtheit assoziiert. Bei der Eröffnung der ersten Popeyes- und Coscto-Filialen in Shanghai reichten die Schlangen weit um den Block. Ähnlich könnte es aussehen, wenn der kalifornische Freizeitresort-Gigant Universal Parks im nächsten Jahr wie geplant seinen neuen 6,5 Milliarden teuren Themenpark in Peking eröffnet. Der Shanghaier Disneyland-Park ist bereits seit einem Monat wieder offen.

Das Disneyland Shanghai hat bereits seit einem Monat wieder geöffnet

“Made in China” weiter begehrt in den USA

Andersherum kaufen die Amerikaner nach wie vor gerne Produkte, die erst durch die “Made In China”-Komponente so preiswert werden, wie sie sind. 2000 Dollar für ein iPhone “Made in Texas” würden sich wohl nur die wenigsten leisten. “Nach den strategischen Leistungen bei der Pandemiebekämpfung führt China die globale wirtschaftliche Wiederbelebung an. Das ist der Grund, warum viele Betrieb weiterhin in China tätig sind”, erklärt Alan Beebe, der Präsident der China-US-Handelskammer. Chinas Handelsminister Zhong Shan ist da schon direkter: “Schlaue Unternehmen werden den riesigen chinesischen Markt nicht aufgeben.” Dasselbe gilt übrigens auch für Hongkong, wo mehr als 1.300 US-Unternehmen aktiv sind. Nach einer Umfrage des dortigen American Chamber of Commerce haben 70 Prozent der hier ansässigen US-Unternehmen keine Umzugspläne.

Im vergangenen Jahr trug China allein 33 Prozent zum Wachstum der Weltwirtschaft bei, die USA elf Prozent. Damit hat sich der Anteil in den vergangenen 20 Jahren halbiert. Peking tut das Seine, um seinen Markt für US-Unternehmen interessant zu halten. Tesla bekam etwa einen Kredit in Höhe von 563 Millionen Dollar von der staatlichen ‘Industrial and Commercial Bank of China’. Auch Ford wurde unterstützt, um die Produktion wieder hochzufahren und seine Lieferketten abzusichern. Peking würde in diesem Zusammenhang wohl von einer “Win-Win”-Situation sprechen. Mit seinem Anfang des Jahres verabschiedeten Gesetz, das Auslandsinvestitionen fairer machen und geistiges Eigentum besser schützen soll, will China den US-Konzernen – vor allem solchen in Zukunftstechnologie-Sektoren – zeigen, dass der chinesische Markt offen steht. 

China bleibt auch für Ford ein wichtiger Markt

Der Wettbewerbsdruck steigt

Auf den chinesischen Markt und seine 1,4 Millionen potenzielle Kunden verzichten wird natürlich kaum ein US-Konzern. Zumal die Sparrate der Amerikaner im April auf ein Rekordniveau von 33 Prozent geklettert ist und die hohen Arbeitslosenzahlen Grund zur Sorge geben. Die Unternehmen brauchen Chinas Markt mehr denn je. Und sie wissen: Wenn sich ein US-Unternehmen zurückzieht, stößt höchstwahrscheinlich bald ein Wettbewerber in die Lücke vor. Beispiel Qualcomm: Wenn der kalifornische Chiphersteller den chinesischen Telekommunikationsanbieter Huawei aufgrund des US-Embargos nicht mehr beliefern darf, bedeutet das kurzfristig einen Verlust der Marktanteile und langfristig den Verlust der amerikanischen Vorherrschaft bei der Halbleitertechnologie. Und klar ist auch: China wird nach der Krise mehr denn ja versuchen, die Inlandsnachfrage durch heimische Unternehmen zu befriedigen und alles daran setzen, die eigene Innovationskraft anzukurbeln. Diesen Wettbewerbsdruck müssen US-Unternehmen aushalten. 

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über zwanzig Jahren in Peking.

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