Kommentar: Evo Morales’ Zeit ist abgelaufen

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Am Ende half selbst der Versuch nicht mehr, sich mit Neuwahlen an der Macht zu halten. Boliviens Präsident hat viel zu spät auf die wochenlangen Proteste reagiert und die Zeichen der Zeit erkannt, meint Johan Ramírez.

Präsident Evo Morales hat die politische Krise, in der sich Bolivien befindet, nicht verstanden und musste deswegen gehen. Das ist überraschend für einen Mann, der seit 2006 an der Macht ist. Er hat nicht nur nicht verstanden, dass seine Strahlkraft in diesen fast vierzehn Jahren der Regierung nachgelassen hat, sondern auch den Wandel nicht erkannt. In der Politik ein unverzeihlicher Fehler.

Morales ignorierte das Ergebnis des Referendums vom 21. Februar, bei dem die Bolivianer mehrheitlich seinem Wunsch nach einer vierten Amtszeit eine Absage erteilt haben. Dies war die erste Botschaft, die der Präsident nicht verstand: Mehr als die Hälfte des Landes wollte einen Übergang, und eine solche Entscheidung ist in einer Demokratie unantastbar.

Er verstand nicht, dass es an der Zeit war, einen Wandel in der Führung des Landes einzuleiten. Doch statt einen Kandidaten innerhalb seiner eigenen Partei (MAS) zu fördern und auf diesem Weg die Macht im Regierungspalast “Palacio Qumado” zu sichern, suchte er nach rechtlichen Schlupflöchern, um sich doch noch einmal zur Wahl stellen zu können.

Vertrauensbruch

Die Demonstrationen gegen Morales ließen bis zum Wahltag nicht nach. Morales war nicht nur entschlossen, zu gewinnen, sondern er wollte es direkt in der ersten Runde schaffen. Der vorläufige Bericht der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) enthüllt eine Reihe schwerwiegender Unregelmäßigkeiten und Manipulationen, die das Vertrauen in das offizielle Wahlergebnis infrage stellen. In diesem zutiefst strukturkonservativen Land konnte selbst die eigene Basis, darunter viele Indigene, Morales dies nur schwer verzeihen.

Als Morales kurz nach der Wahl zum Sieger erklärt wurde, ging die Opposition auf die Straßen und forderte eine Neuauszählung. Der Präsident wollte aber auch diese Botschaft nicht hören. Wenige Tage später eskalierte die Situation und die Opposition verlangte die Annullierung des ersten Wahlgangs und Neuwahlen. Und auch diese Botschaft wollte der Präsident nicht hören. Die Rücktritt-Rufe gegen Evo Morales wurden unterdessen immer lauter.

DW-Redakteur Johan Ramírez

Fatale Ansprache

Am Samstag nun richtete Morales eine Botschaft an die Nation, die auf erschreckende Weise belegte, dass der amtierende Präsident immer noch nichts verstanden hatte: Er prangerte einen Staatsstreich an, rief seine Anhänger auf, die Regierung zu unterstützen, sprach von Rassismus, unterschlug, dass sich diverse Polizeieinheiten längst auf die Seite der Demonstranten geschlagen hatten, und forderte einen Dialog, der aber die Bürgerkomitees, die derzeit die Opposition anführen, nicht einschloss.

Diese Bürgerkomitees mobilisieren gerade die Massen, verfügen in der Bevölkerung über eine breite Unterstützung und entwickeln sich zu einer sozialen Bewegung. Die Weigerung, diese Bürgerkomitees als Gesprächspartner anzuerkennen, war der definitiv letzte politische Fehler von Evo Morales.

Zu spät!

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Bolivien vor Neuwahl

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Krise in Bolivien: Morales will Neuwahl

Am Sonntag dann hat Evo Morales sein Land mit der Nachricht überrascht, doch Neuwahlen zuzustimmen. Mit Verlaub, Herr Präsident: Diese Ankündigung kam mindestens zehn Tage zu spät! Denn längst forderten die Demonstranten keine Wiederholung der Wahl, sondern ihren Abschied von der Macht. Die Krise hatte einen Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gab. Die Zeit von Evo Morales war unwiderruflich abgelaufen, er musste zurücktreten. Dass Zeit ist ein fundamental wichtiges Element in der Politik ist, hat Morales bis zum Schluss nicht verstanden. Und so hat Bolivien gerade einen historischen Moment erlebt.