Sport im globalen Entertainment-Wettlauf

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Verdrängt der Fußball alle anderen Sportarten? Oder lässt er der Konkurrenz genug Luft zum Atmen? Einige Nischen können von Randsportarten erfolgreich besetzt werden. Neue Verbreitungswege bieten viele Möglichkeiten.

“Der Fußball erdrückt in Deutschland alle anderen Sportarten” – auf den ersten Blick ist diese These zutreffend und wirkt kaum anzweifelbar. Weltstars wie Ronaldo, Messi, Neymar sind in der Gegenwartskultur omnipräsent bis überrepräsentiert. Als millionenschwere Werbe-Testimonials sind sie aus der globalen Marketing-Maschinerie nicht mehr wegzudenken.

Oder noch einfacher: Der Fußball als Event und als Entertainment-Produkt ist allgegenwärtig. “Football total” auf allen Kanälen. Doch erdrückt der Fußball wirklich alles andere? Und wenn ja, ist ihm das vorzuwerfen?

Zugpferd oder Raubtier?

Fußball ist alleinige Nummer eins in der Gunst der deutschen TV-Zuschauer und infolgedessen auch in der Vermarktung und der Monetarisierung des sportlichen Geschehens. Man kann den Fußball folglich als Raubtier bezeichnen, das sämtliche schwächeren Spezies nach und nach auffrisst. Man kann ihn und seine immer neuen Vermarktungsmöglichkeiten aber auch als Zugpferd der gesamten Sportbranche sehen, denn vermarkten wollen sich schließlich alle, Supercups gibt es auch im Handball und auch Handballer, Basketballer und andere Sportler fungieren in Deutschland als Werbe- und Imageträger.

Die Frage nach “Zugpferd oder Raubtier” machte Korrespondent Moritz Küpper zum Kern seiner Eröffnungsrede bei der 7. Sportkonferenz des Deutschlandfunks in Köln. Küpper tendierte dazu, dass der Fußball durch seine Übermacht mehr Raubtier als Zugpferd sei und belegte dies mit Beispielen wie dem des Hamburger Hockeyprofis Tobias Hauke, der als Welthockey-Spieler und zweifacher Olympiasieger seinen Lebensunterhalt als Angestellter in der Geschäftsstelle des Fußball-Bundesligisten Hamburger SV bestreitet.

Die Frage danach, ob es “gerechtfertigt” ist, dass jemand, der in seinem Sport zur Weltspitze gehört, einen “normalen Job” benötigt, um Geld zu verdienen, ist notwendig und dringend. Doch ist sie mit der Übermacht des Fußballs zu beantworten? Oder ist sie schlicht ein strukturelles Problem des Hockeys, unabhängig vom Erfolg des Fußballs? Würden Hauke und der Hockey-Sport automatisch von einer sinkenden Fußball-Popularität profitieren, ein theoretisches Vakuum also auf Anhieb ausgleichen? Nein, denn der gesamte Sport konkurriert mittlerweile in einem globalen Angebot an medialem Entertainment.

DHB-Generalsekretär: “Mehr Vorbild als Feindbild”

Der Fußball habe “vieles sehr früh richtig erkannt und umgesetzt” erklärte in der Podiumsdiskussion der DLF-Sportkonferenz Mark Schober, Generalsekretär des Deutschen Handball-Bundes (DHB) und stellt klar: “Der Fußball ist für uns ein absolutes Vorbild.” Der Fußball als Vorbild und Vorreiter in Sachen Vermarktung und Verbreitung, das sieht man auch bei Jung von Matt Sports so. “Die Konkurrenz des Fußballs sollte nicht lamentieren, sondern handeln. Man kann vom Fußball extrem viel lernen”, sagt Robert Zitzmann, Sponsoring-Experte der Hamburger Agentur.

Der EM-Titel hatte für den Handball einen spürbaren Effekt

Wichtigster Effekt für die mediale Wirkung eines Sports sind die Erfolge. Der WM-Titel 2014 gab dem ohnehin schon sehr erfolgreichen Fußball in Deutschland nochmal einen Schub, auch der Handball profitierte vom Sensations-EM-Titel 2016 nachhaltig, wenngleich auch nicht in diesen Dimensionen. “Wenn wir deutsche Olympiasieger haben, hilft das hinterher den Sportarten in der Popularität”, erklärt ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. Rainer Koch geht in eine ähnliche Richtung: “Sport wird nicht durch Medienpräsenz, sondern durch staatliche Förderung wieder stark gemacht”, so der DFB-Vizepräsident.

Ohnehin sei der Anteil des Fußballs im ARD-Programm in den letzten 20 Jahren gleichgeblieben, rechnet Balkausky vor: “Sechs bis neun Prozent des ARD-Programms ist Sport, davon entfallen 20 Prozent auf Fußball, 35 Prozent auf Wintersport und der Rest auf alle anderen Sportarten”, so der ARD-Verantwortliche für Sportrechte. Balkausky und Koch vertreten den Standpunkt, dass die Medien die Popularität eines Sports abbilden aber nicht erzeugen. Einig sind sie sich auch darin, dass zuerst die Förderung einer Sportart, dann die Arbeit in Verbänden und Vermarktung und schließlich der sportliche Erfolg den medialen und gesellschaftlichen Stellenwert produzieren.

Streaming als Zukunftsmodell?

Einen Schlüssel für globalen Erfolg stellen auch die neuen Möglichkeiten der Verbreitung dar. Längst ist der Sport nicht mehr von einigen wenigen Fernsehsendern und deren linearem Programm abhängig, sondern findet über Streaming und Social Media den Weg zum Konsumenten – ob live, relive oder in Ausschnitten, plattformgerecht gibt es heute die Möglichkeit, Sport diversifiziert und für den individuellen Konsum angepasst zu verbreiten.

Die Bundesliga ist bequem im Netz mitzuverfolgen

Und diese Entwicklung steht wohl erst am Anfang. “Ich sehe große Chancen im Medienwandel, in Anbietern wie Amazon und Netflix. Andere Nationen haben zweite und dritte extrem erfolgreiche Sportarten neben dem Fußball. Da wollen wir auch hin”, sagt DHB-Generalsekretär Mark Schober.

In der Tat fällt ganz deutlich auf, dass es in Deutschland keine dem Fußball ansatzweise ebenbürtige Sportart gibt, daher auch die Frage nach der alles erdrückenden Fußball-Blase. Doch Beispiele aus anderen Ländern, so der sehr erfolgreiche Rugby-Sport in England mit geschätzten TV-Einnahmen von 60 bis 80 Millionen Euro, zeigen, dass es neben dem extrem präsenten und erfolgreichen Fußball andere Big Player geben kann. Es müssen keine Umverteilungen erzwungen werden, um den Fußball zu schwächen, sondern Verbände, Vereine und Athleten müssen ihr “Produkt”, und das ist Sport heutzutage, am Markt bestmöglich und erfolgreich platzieren. Dafür braucht es Mediaplanung, Vermarktungsstrategien, sportlichen Erfolg und diversifizierte Medienplattformen und -Partner. Der Fußball macht es vor.