Kriegsverbrechen
Syrien: Bunker statt Medikamente
Mehr als 50 Zivilisten wurden am Montag bei Angriffen auf Schulen und Krankenhäuser im Norden Syriens getötet. Im DW-Interview spricht der Vertreter einer Hilfsorganisation, die zwei der zerstörten Kliniken betrieb.
DW: Hazem, Sie sind derzeit in Gaziantep in der Türkei, ungefähr 100 Kilometer nördlich von Aleppo.
Hazem: Ja, aus Sicherheitsgründen. Deshalb möchte ich auch nicht meinen Nachnamen nennen. Ich arbeite für die Syrisch-Amerikanische Medizinische Gesellschaft (SAMS).
Zwei Krankenhäuser, die ihre Vereinigung in der Region Idlib unterstützt, wurden am Montag mit Raketen aus der Luft beschossen. Zehn Zivilisten wurden getötet. Haben Sie mit einem solchen Angriff gerechnet?
Das war ein tragischer Tag. Aber das ist Teil dessen, was wir kennen. Diese Angriffe, auch auf Krankenhäuser, gibt es seit langem. Unsere Möglichkeiten zur humanitären Hilfe werden immer weiter eingeschränkt. Die Lage ist so furchtbar, dass wir nicht wissen, ob wir überhaupt noch weiter helfen können.
Suche auf Trümmerbergen: Mitarbeiter der zerstörten Klinik in Abu Al Dohour in Idlib
Was können Sie denn zurzeit überhaupt tun?
Wir versuchen, unterirdische Anlagen zu bauen, um überhaupt Krankenstationen betreiben zu können. Sonst können wir gar nichts mehr tun. Wir sind ja nur Ärzte, Pfleger, Apotheker. Uns fällt eigentlich nichts mehr ein, außer alle Parteien dazu aufzurufen, die Gewalt zu beenden. Wir würden unser Geld lieber in Impfstoffe investieren. Aber wir müssen es ausgeben, um Bunker zu bauen.
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Das heißt aber auch, dass es noch einige Hospitäler gibt, die funktionieren?
Ja. Aber an vielen Orten mussten Krankenhäuser und Arztpraxen schließen oder zumindest ihren Betrieb vorübergehend einstellen. Seit Beginn des Krieges gibt es Angriffe auf medizinische Einrichtungen. Und seit April 2015 hat sich das sehr verstärkt. Deshalb dokumentieren wir nun diese Angriffe auf Krankenhäuser, Krankenwagen und medizinisches Personal. Was in Kundus in Afghanistan im Oktober passiert ist, das passiert in Syrien alle drei oder vier Tage.
Sind unterirdische Bunker ein wirksamer Schutz dagegen?
Wie auch immer wir uns versuchen, zu schützen: die Konfliktparteien, das Regime, die Russen, werden einfach wirkungsvollere Waffen einsetzen. Aber wir versuchen ein Mindestmaß an Sicherheit zu schaffen. Am Ende wird nur mehr internationaler Druck auf das Regime und auf Russland helfen, diese Menschenrechtsverstöße zu beenden.
Hier hätte kein Sandsack Schutz geboten: das von SAMS unterstützte Krankenhaus steht nicht mehr
Ein rotes Kreuz, ein roter Halbmond auf dem Dach bringen nichts?
Ja, das würde man normalerweise so machen. Krankenhäuser sind gemäß der Genfer Konvention besonders geschützt. Stattdessen müssen sich Ärzte in die Erde eingraben. Oder sie verbarrikadieren sich hinter Sandsäcken. Vor der russischen Intervention waren Fassbomben unsere Hauptsorge, nicht Raketen. Jetzt können wir niemanden mehr wirklich schützen.
Wer in Aleppo oder Idlib einen Arzt braucht, der versucht also, außer Landes zu kommen?
Gesundheit ist nur ein Aspekt. Die gesamte zivile Infrastruktur ist zerstört. Schulen, Märkte, Bäckereien. Alles, was Menschen am Leben hält, wird zerstört.