EU-Reformen: Cameron wirbt und wirbt

EU

EU-Reformen: Cameron wirbt und wirbt

Zwei Tage vor dem vermutlich entscheidenden EU-Gipfel versucht der britische Premier in einem letzten Kraftakt, die anderen Mitgliedsstaaten doch noch von seinen Forderungen nach EU-Reformen zu überzeugen.

Die Redaktion empfiehlt

Der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding, hält die Folgen eines Austritts Großbritanniens aus der EU für nicht abwägbar. „Viele möchten eine Debatte über die Folgen lieber vermeiden.” (15.02.2016)

Der britische Premierminister Cameron hat mit seinen Forderungen, die EU zu reformieren, eine längst überfällige Debatte angestoßen. Und er hat Verbündete auch auf dem Festland, meint Christoph Hasselbach. (07.02.2016)

Die Reaktionen auf den Kompromissvorschlag der EU für Großbritannien sind gemischt. Auch wenn er als Verhandlungsbasis beim nächsten Gipfeltreffen dient, bleibt das Referendum gefährlich. Aus Brüssel Barbara Wesel
(03.02.2016)

Zwei Tage vor dem EU-Gipfel wirbt der britische Premierminister David Cameron an diesem Dienstag bei hochrangigen Vertretern des europäischen Parlaments für seine Reformforderungen. Der Regierungschef trifft in Brüssel zunächst EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD). In der Folge kommt er unter anderem mit den Vorsitzenden mehrerer Parlamentsfraktionen zusammen. Später wird er auch Kommissionschef Jean-Claude Juncker und dann – in Berlin – Bundeskanzlerin Angela Merkel sprechen.

Kein Durchbruch bei Treffen mit Frankreichs Staatschef

Vor einer Volksabstimmung der Briten über den Verbleib in der EU verlangt Cameron Reformen auf europäischer Ebene. Umstritten ist insbesondere eine Streichung von Sozialleistungen für EU-Ausländer in den ersten vier Jahren nach ihrer Ankunft. Eine Einigung über Camerons Forderungen wird beim Treffen der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in Brüssel angestrebt.

Bei einer Zusammenkunft mit Frankreichs Staatschef François Hollande am Montagabend in Paris (Foto) konnte Cameron keinen Durchbruch bei seinen Forderungen für einen Verbleib Großbritanniens in der EU erzielen. Nach einem Treffen der beiden Politiker verlautete aus dem Umfeld Hollandes, Paris wünsche eine Einigung, um einen “Brexit” zu verhindern. Es bleibe aber noch “Arbeit, vor allem zur wirtschaftlichen Steuerung”.

Ein Sprecher Camerons erklärte in London, die beiden Politiker seien gemeinsam der Überzeugung, “dass der vom Europäischen Rat präsentierte Entwurf eine solide Basis für eine Einigung beim Gipfel dieser Woche” sei. Hollande hatte kürzlich gesagt, beim EU-Gipfel dürfe es keine “neuen Anpassungen” und keine “neuen Verhandlungen” geben. Insbesondere sei kein Veto gegen Entscheidungen von Ländern der Eurozone durch Nicht-Euromitglieder wie Großbritannien möglich.

Tusk: Zukunft der Europäischen Union steht auf dem Spiel

EU-Ratspräsident Donald Tusk in Rumänien

Der von EU-Ratschef Donald Tusk vorgelegte Kompromissvorschlag sieht vor, dass London für EU-Bürger, die in Großbritannien arbeiten und Steuern zahlen, Sozialleistungen einschränken kann. Es soll außerdem ein “Mechanismus” geschaffen werden, der die Rechte von Nicht-Euro-Staaten schützt, aber gleichzeitig verhindert, dass “wichtige Entscheidungen” der Eurozone verzögert oder verhindert werden.

Tusk warnte am Montag vor einem Auseinanderbrechen der Europäischen Union, sollte es zum Austritt Großbritanniens kommen. Das Risiko sei “real”, sagte Tusk bei einem Besuch in Rumänien. “Was einmal zerbrochen ist, kann nicht mehr repariert werden.” Die Zukunft der EU stehe auf dem Spiel, aber es werde “keinen Kompromiss zu den Freiheiten und den fundamentalen Werten” geben.

Cameron will vermutlich noch in diesem Jahr in einem Volksentscheid über den Verbleib seines Landes in der EU durchführen. Das Datum könnte er bereits am Freitag nach dem EU-Gipfel ankündigen, falls es dort eine Einigung gebe, berichtete die britische Zeitung “Daily Telegraph”. In Umfragen liegen EU-Anhänger und “Brexit”-Befürworter in Großbritannien derzeit Kopf an Kopf.

McAllister: Nordirland-Konflikt könnte wiederaufflammen

Niedersachsens Ex-Ministerpräsident David McAllister

Der CDU-Europaparlamentarier David McAllister äußerte unterdessen die Befürchtung, dass im Falle eines Ausscheidens Großbritanniens aus der EU der Nordirland-Konflikt wiederaufflammen könnte. Die denkbaren Auswirkungen eines “Brexit” auf Nordirland sollte man nicht unterschätzen, sagte der frühere Ministerpräsident von Niedersachsen der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Das zum Vereinigten Königreich gehörende Nordirland und die Republik Irland seien gemeinsam unter dem Dach der EU. “Die Vorstellung einer EU-Außengrenze dort beunruhigt beide Seiten.”

Im Nordirland-Konflikt kämpften pro-irische Katholiken unter der Führung der Untergrundorganisation IRA gegen protestantische, pro-britische Loyalisten. Im Kern ging es darum, ob der zu Großbritannien gehörende Nordteil Irlands wieder mit der Republik im Süden vereinigt werden soll. Er war nach dem Bürgerkrieg von 1921 und dem Rückzug der Briten aus dem Süden britisch geblieben. Die IRA und auch die protestantischen Untergrundorganisationen haben heute weitgehend die Waffen niedergelegt.

sti/se (afp, dpa)


Posted

in

by

Tags: