Justizministerin Lambrecht: Twitter & Co sollen nicht über Sperren entscheiden

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Ginge es nach Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), würden in Zukunft nicht die Anbieter Sozialer Netzwerke über Account-Sperrungen entscheiden, sondern Gerichte. Dies würde jedoch eine deutliche Einschränkung des Hausrechts der Dienste bedeuten.

Dies gab die Politikerin in einem Gespräch gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) an. Für sie sei es sehr problematisch, wenn private Unternehmen darüber entscheiden, was in welcher Form von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und was nicht. Darüber hinaus sei es die Aufgabe des Staates, entsprechende Sachverhalte zu klären.

Rechtliche Regelung geplant

Aktuell liegt es in der Hand der Dienstanbieter, welche Eckpunkte sie in ihren Nutzungsbedingungen festhalten und mit welchen Maßnahmen sie wie intern auf Verstöße reagieren. Dieses Hausrecht würde Lambrecht aber gerne beschnitten sehen. Die EU-Kommission hat dazu im Dezember des letzten Jahres den Vorschlag für einen „Digital Services Act“ (DSA) vorgelegt, ein europäisches Recht für digitale Dienste. Bei der dafür bevorstehenden Diskussion will sich Lambrecht „sehr engagiert einbringen“. Das Hausrecht dürfte bei einer staatlichen Regelung jedoch nicht die einzige Hürde sein, die genommen werden muss, darüber hinaus dürfte auch die gesetzlich garantierte Vertragsfreiheit eine nicht unwichtige Rolle spielen.

Darüber hinaus sieht der DSA bislang lediglich vor, den Umgang mit Nutzerbeschwerden und das Löschen von Inhalten in der Europäischen Union einheitlich zu regeln – die Entscheidung von Gerichten bei Sperrungen, welche Lambrecht fordert, ist dort bisweilen nicht aufgeführt. Das Gesetz sieht in der jetzigen Ausarbeitung lediglich eine internes Beschwerde- sowie ein außergerichtliches Schiedsverfahren vor.

Mehr Pflichten, weniger Rechte

In einem Gastbeitrag auf ZEIT-Online führt die Politikerin zudem aus, dass genannte Plattformen nicht über dem Gesetz stehen würden und das private Unternehmen nicht darüber entscheiden dürfen „was im Netz gesagt werden darf und was nicht“. Für sie sei der Ansatz, Internetplattformen an der langen Leine zu halten, „krachend gescheitert“. Daher sei es auch richtig gewesen, dass sich Deutschland schon seit Längerem „vom neoliberalen Traum der Selbstregulierung verabschiedet“ hat.

In dem Artikel geht Lambrecht zwar auf das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) als wichtigen Anfang ein, doch man dürfe ihrer Meinung nach nicht bei nationalen Gesetzen stehen bleiben. Auf das Hausrecht der Anbieter geht die Politikerin dagegen in ihrem Beitrag nicht ein. Es entsteht zudem der Eindruck, dass Online-Portalen durch Gesetze immer mehr Pflichten auferlegt werden, bei denen sie auf entsprechende Nutzerhinweise schnell reagieren und offensichtlich strafbare Inhalte ohne richterlichen Beschluss innerhalb einer vorgegebenen Zeit löschen müssen – sie aber nicht alleine darüber entscheiden dürfen, ob sie solche Nutzer in ihren Reihen dulden wollen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Gerichte in Deutschland überhaupt über die nötigen Ressourcen verfügen, den Entscheidungen nachgehen zu können.

Keine Meinung zur Sperrung von Donald Trump

Lambrecht sieht zwar einen eindeutigen Handlungsbedarf gegeben, „wenn von bestimmten Accounts permanent volksverhetzende Aufrufe kommen“, für sie ist die Meinungsfreiheit jedoch ein besonders wichtiges, elementares Rechtsgut. „Im Zweifel müssen Gerichte über die Sperrung von Accounts entscheiden“, so die SPD-Politikerin. Auf die Frage, wie sie persönlich die Sperrung des Accounts von Donald Trump bewerte, entgegnete Lambrecht, dass es keine Rolle spielen würde, was ihr persönlich gefalle oder was nicht. Doch die Macht der Sozialen Netzwerke sei für sie bereits jetzt schon beeindruckend, „deshalb darf es nicht sein, dass sie auch noch das letzte Wort bei der Sperrung von Accounts haben“.

Diskussion neu entfacht

Die Diskussion um die Macht von Sozialen Netzwerken in Bezug auf die Meinungsfreiheit hat in den letzten Wochen erneut Fahrt aufgenommen, nachdem Twitter den privaten Account des damaligen US-Präsidenten Donald Trump nach zunächst temporärer Sperre permanent geschlossen hatte. Ein paar Tage später löschte Twitter zudem mehr als 70.000 Accounts, über welche hauptsächlich QAnon-Inhalte geteilt wurden, ebenfalls dauerhaft. Twitter-CEO Jack Dorsey verteidigte in einer später veröffentlichten Stellungnahme das Vorgehen, war sich über den Zwiespalt der Entscheidung und der Verantwortung seines Dienstes im Bezug auf die Meinungsfreiheit jedoch bewusst.

Darüber hinaus hat Twitter in den vergangenen Tagen mit „Birdwatch“ ein Projekt gegen Falschinformationen auf dem Nachrichtendienst gestartet, welches unter mithilfe durch ehrenamtliche Helfer realisiert werden soll.