Meinung: Bundesliga 2020 – mehr als nur Corona

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Corona-Pandemie, Geisterspiele, Black Lives Matter: Das Bundesligajahr 2020 ist so ganz anders gewesen als alle anderen und doch ist am Ende alles wieder wie immer. Alles? Nicht ganz, meint DW-Redakteurin Sarah Wiertz.

Es war so dramatisch wie symbolisch: In der Nachspielzeit landet der Ball nach einem individuellen Patzer von Leverkusens Jonathan Tah letztlich bei Bayerns Torjäger Robert Lewandowski, der Sekunden vor Abpfiff  das 2:1-Siegtor erzielte und somit den FC Bayern im letzten Spiel vor Jahresende zum Tabellenführer hievt. Der deutsche Serienmeister liefert und die Konkurrenz patzt, wenn es darauf ankommt – sportlich läuft es also alles wie immer in der Bundesliga.

Und abseits des Platzes? Da sorgte die Corona-Pandemie Mitte März erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg für ein Aussetzen des Spielbetriebs. Und auch Geisterspiele, die seit Mitte Mai angeordnet wurden, gab es in der 1. Liga so noch nie. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) stand unerwartet vor Problemen und Herausforderungen, die sie mit einem ausgeklügelten Hygiene-Konzept meisterte – dabei jedoch den Verlust der Fankultur billigend in Kauf nahm.  

Stimmung? Gibt es auch vom Band

Auch wenn die DFL in Person von Christian Seifert versucht hat, ihre Aussagen schön zu verpacken, die Botschaft war klar: Die Bundesliga muss so schnell wie möglich wieder spielen, mit oder ohne Fans – egal. Das einzige, was wirklich zählt, ist das Geld von den Rechteinhabern. Fans sind ganz nett für die Stimmung, aber für das Geschäft nicht zwingend notwendig, dafür gibt es ja die Stadion-Atmo vom Band.

DW-Redakteurin Sarah Wiertz

Demut und Solidarisierung waren die großen Stichworte, die DFL-Chef Seifert angesichts der Pandemie immer wieder betont hat. Vor einem Monat hätte die DFL zeigen können, dass es ihr ernst damit ist und bei der Umverteilung der nationalen Fernsehgelder ein Zeichen setzen können. Letztlich blieb aber (fast) alles beim Alten: Jeder bekommt mehr Geld, die erfolgreichen Klubs weiterhin mehr als alle anderen. 

Jetzt im zweiten Lockdwon wird die Sonderrolle der Bundesliga erneut ersichtlich. Obwohl gerne als deutsches Kulturgut tituliert, gelten für den deutschen Fußball weiterhin andere Regeln als für die restlichen Kulturbetriebe, die allesamt wieder schließen mussten.

Hoffnung auf mehr Sensibilität und Diversität

Am Ende ist also alles wie immer? Nein, nicht alles. Etwas hat sich geändert – dank der Black Lives Matter-Bewegung und dank der Protestaktionen vieler Spieler in der Bundesliga blieb es in diesem Jahr nicht nur bei Anti-Rassismus-Lippenbekenntnissen in Kampagnen und auf Bannern. Viele Spieler haben mit ihren Protestaktionen nicht nur für die Welt sichtbar ein Zeichen gesetzt, sondern die DFL unter Druck gesetzt, so dass sie von ihrem Regelwerk abgerückt ist und auch künftig auf Sanktionen bei Anti-Rassismus-Aktionen auf dem Spielfeld verzichten will.

Dadurch verschwindet der Rassismus nicht aus den deutschen Stadien, durch die Geisterspiele zeigt er sich derzeit vermehrt in den vermeintlich sozialen Netzwerken. Dennoch haben die Proteste immerhin zu einer Regeländerung geführt, sie zeugen von einer gewissen Mündigkeit einiger Spieler, die bisher so nicht offenkundig war und sie geben Hoffnung. Hoffnung, dass man gemeinsam, ob Spieler, Fans, Vereine, etwas bewirken kann – für mehr Sensibilität, mehr Diversität, mehr Menschlichkeit im deutschen Fußball.