Johnson bahnt harten Bruch mit EU an

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Noch bis zum Jahresende ist Großbritannien in EU-Binnenmarkt und Zollunion. Weil die Verhandlungen über ein dauerhaftes Freihandelsabkommen aber fruchtlos geblieben sind, schaltet der Premier in den Offroad-Modus.

Im Brexit-Streit erwartet der britische Premierminister Boris Johnson nach eigenen Worten nun einen harten Bruch ohne Vertrag mit der Europäischen Union am 1. Januar. Die EU habe offenkundig kein Interesse an einem von Großbritannien gewünschten Freihandelsabkommen wie mit Kanada, sagte Johnson in London. Dementsprechend erwarte man nun eine Beziehung wie mit Australien, also ohne Vertrag.

Gleichwohl ließ sich Johnson eine Hintertür offen, um doch noch weiter über einen Handelspakt verhandeln zu können. Dafür müsse die EU allerdings ihre Haltung ändern, sagte der Premier in einem im Fernsehen übertragenen Statement. Johnson hatte eigentlich eine Einigung bis zum EU-Gipfel am 15. Oktober verlangt, was nicht gelang. Danach erwog er den Abbruch der Verhandlungen. 

Es drohen Zölle und Handelshürden

Die EU hatte Johnson hingegen nochmals intensivierte Verhandlungen für die nächsten zwei bis drei Wochen angeboten – mit dem Ziel, bis Ende Oktober oder Anfang November eine Einigung zu erzielen. Gleichzeitig verlangte der EU-Gipfel aber Zugeständnisse von London, worauf die britische Regierung enttäuscht reagiert hatte.

Sicher weniger Verhandlungspartner, sondern eher Kontrahenten: Der britische Verhandlungsführer David Frost (l.) und sein EU-Kollege Michel Barnier konnten bisher keinen dauerhaften Handelsvertrag ausarbeiten

Bei den Verhandlungen geht es um einen umfassenden Handelsvertrag ab 2021. Großbritannien hatte die Staatengemeinschaft Ende Januar verlassen, ist aber während einer Übergangszeit bis zum Jahresende noch Mitglied im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Erst danach kommt der wirtschaftliche Bruch. Ohne Vertrag drohen Zölle und hohe Handelshürden. Die Wirtschaft auf beiden Seiten warnte vor erheblichen Verwerfungen. Einbußen sind bereits jetzt zu spüren.

Großer Streitpunkt Nordirland

In den seit Monaten laufenden Verhandlungen gab es lange Zeit fast keine Bewegung. Hauptstreitpunkte waren von Anfang an der Zugang von EU-Fischern zu britischen Gewässern sowie die Forderung der Staatengemeinschaft nach gleichen Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaft, also gleiche Umwelt-, Sozial- und Subventionsstandards. Im Gegenzug soll Großbritannien Waren ohne Zoll und Mengenbeschränkung in den EU-Binnenmarkt liefern können. Dritter wichtiger Punkt für die EU sind Regeln zur Schlichtung für den Fall, dass eine Seite gegen das Abkommen verstößt. Das rückte zuletzt in den Vordergrund, weil ein britisches Gesetz Teile des bereits gültigen EU-Austrittsvertrags aushebeln soll. Dabei geht es um Sonderregeln für den britischen Landesteil Nordirland. Brüssel reagierte empört auf das sogenannte Binnenmarktgesetz.

Die britischen Wähler hatten 2016 mit knapper Mehrheit für den EU-Austritt gestimmt. Johnson gewann 2019 die Parlamentswahl unter anderem mit der Ansage, den Brexit tatsächlich durchzuziehen.

sti/uh (dpa, afp, rtr)