Tadschikistans ewiger Herrscher Rachmon

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Emomali Rachmon wurde zum fünften Mal als Präsident bestätigt. Seit 28 Jahren regiert er Tadschikistan. Er hat Frieden gebracht, unterdrückt jede Opposition und pflegt einen exzentrischen Personenkult. Ein Portrait.

Emomali Rachmon ist am 5. Oktober 68 Jahre alt geworden. Aber auf sein größtes Geschenk musste er einige Tage warten: Am 11. Oktober wurde er erneut in seinem Amt als Präsident Tadschikistans bestätigt. Obwohl offiziell vier weitere Kandidaten zur Wahl standen, gibt es in seinem Land – dem ärmsten in Zentralasien – keine unabhängige Opposition und keine freien Medien. Dass Rachmon seine mittlerweile fünfte Wahl gewinnen würde, galt als sicher.

Als “letzter Diktator Europas” ist im Westen zwar der belarussische Herrscher Alexander Lukaschenko verschrien – in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, zu denen auch Tadschikistan zählt, gilt der fragwürdige Titel allerdings eher Rachmon.

Vom Elektriker zum Präsidenten

Geboren wurde er 1952 in einem kleinen Ort namens Dangara als Emomali Rachmonow. Er machte eine Ausbildung als Elektriker und arbeitete zunächst in einer Käsefabrik, dann leistete er drei Jahre Wehrdienst als Matrose. Später wurde er Direktor einer Sowchose, eines staatlichen landwirtschaftlichen Großbetriebs. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion folgte Rachmons rascher Aufstieg: 1990 war er einfacher Abgeordneter des tadschikischen Parlaments, 1992 wurde er zunächst Oberhaupt der Provinz Kulob und im selben Jahr als Kompromisskandidat zum Vorsitzenden des Parlaments gewählt, in das damals höchste politische Amt des jungen Staates.

Kioske in der Hauptstadt Duschanbe – Tadschikistan ist das ärmste Land in Zentralasien

Seitdem regiert Rachmon Tadschikistan – zunächst aber in Wirklichkeit nur etwa die Hälfte davon: Denn das Land versank in den 1990er Jahren, nach dem Ende der Sowjetunion, in einem blutigen Bürgerkrieg zwischen der Zentralregierung und der Opposition aus liberalen, demokratischen und islamischen Parteien und Bewegungen. Der Krieg dauerte fünf Jahre und kostete offiziellen Schätzungen zufolge bis zu 100.000 Menschen das Leben. Andere Quellen nennen geringere Opferzahlen.

Rachmon schloss 1997 ein Friedensabkommen mit der Opposition, wonach deren Vertreter 30 Prozent der Posten in der Regierung und in anderen politischen Schlüsselpositionen sowie ein knappes Drittel der Plätze im Parlament besetzen durften. Die Partei der Islamischen Wiedergeburt Tadschikistans (PIWT) war die wichtigste Stimme der Opposition. Rachmon musste sie dulden, denn “er hatte eine schwächere und weniger stabile Machtbasis und war daher anfangs zu Kompromissen gezwungen”, kommentiert Beate Eschment, Zentralasien-Expertin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS).

Rachmon hielt sich einige Jahre an die Vereinbarung. Doch gegen Ende der 2000er Jahre verdrängte er allmählich Oppositionelle aus allen Posten. 2015 ließ er die islamische Partei zerschlagen und verbieten, sie gilt offiziell als terroristische Organisation. “Das Verbot der PIWT und die unnachgiebige, völlig überzogene Verfolgung ihrer Führungsmitglieder samt Familien war der Schlusspunkt dieser Entwicklung. Seitdem kann Rachmon sich als unangefochtener Führer fühlen und das Land als die Pfründe seiner Familie betrachten”, so fasst Eschment die Entwicklung zusammen. Tausende Anhänger der verbotenen Partei und viele andere Oppositionelle mussten ins Exil gehen und berichteten später, sie würden auch im Ausland verfolgt.

“Eure Exzellenz” Rachmon

Mit den Jahren wurde der tadschikische Herrscher nicht nur brutaler im Umgang mit seinen Gegnern, sondern auch exzentrischer. Er änderte seinen Namen 2007 von Rachmonow zu Rachmon und forderte seine Landsleute auf, keine “fremden” Namen zu vergeben. Seit einigen Jahren gibt es einen Katalog mit “erlaubten” Namen. In medienwirksamen Aktionen lassen die tadschikischen Behörden Männer mit langen Bärten anhalten und diese abrasieren, weil sie als Merkmal von Islamisten gelten. Frauen wird ausdrücklich empfohlen, keine “europäischen” und keine schwarzen, sondern traditionelle nationale Kleider zu tragen.

“Eure Exzellenz” Emomali Rachmon regiert Tadschikistan auf Lebenszeit

Rachmon ließ die Verfassung mehrmals ändern. Seit 2016 ist er Präsident auf Lebenszeit und heißt offiziell “Gründer von Frieden und Einigkeit und Anführer der Nation”. Im Parlament wurden zu seinen Ehren Gedichte vorgelesen. Die staatlichen Medien vergleichen ihn oft mit einer “Sonne”. Überall in Tadschikistan sind Plakate mit Bildern und Zitaten von Rachmon aufgestellt. In der Öffentlichkeit soll jeder Emomali Rachmon nur mit “Tschanobi Oli” ansprechen – “Eure Exzellenz”.

Es gibt viele Parallelen zu einem anderen autoritär regierten zentralasiatischen Land, zu Turkmenistan, sagt Beate Eschment und zählt auf: “Der Titel als Führer der Nation, der ausgeprägte Personenkult in Büchern, Gedichten, Bildern und so weiter, ebenso wie die langfristige Planung einer Erbfolge. Auch wenn Rachmon dieses Mal doch erneut selbst kandidiert, besteht wohl kein Zweifel daran, dass er seinen Sohn zum Nachfolger aufbaut – wie (der turkmenische Präsident Gurbanguly) Berdimuhamedow es mit seinem Sohn Serdar auch tut. Auch das extrem harte Vorgehen gegen jegliche Opposition erinnert an Turkmenistan: Verfolgung bis ins Ausland, Entführungen, Verschwindenlassen.”

Politik bleibt in der Familie

Tatsächlich wurde im April 2020 der 32 Jahre alte Sohn von Rachmon, Rustam Emomali, zum Parlamentschef und somit zum zweitwichtigsten Politiker des Landes ernannt. Zuvor war das Mindestalter für eine Präsidentschaftskandidatur vorsorglich von 35 auf 30 Jahre gesenkt worden. Die älteste Tochter Osoda leitet Rachmons Präsidentschaftsverwaltung, ihr Ehemann ist stellvertretender Leiter der Nationalbank. Insgesamt hat der tadschikische Präsident neun Kinder. Viele Verwandte und Landsleute aus dem Dangara-Bezirk, aus dem Emomali Rachmon stammt, haben Schlüsselposten inne – in Tadschikistan spielen regionale Clanstrukturen immer noch eine wichtige Rolle. 

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In der offiziellen Autobiographie des tadschikischen Präsidenten auf seiner Internetseite steht, alle wichtigen Errungenschaften und Erfolge des Landes seien “ein Ergebnis der selbstlosen Arbeit und der mutigen Schritte von Emomali Rachmon”. Wenn man zurückblickt, kann man Rachmon zugute halten, dass Tadschikistan sich “aus dem Bürgerkrieg zu einem weitgehend friedlichen Staat” entwickelt hat, sagt Beate Eschment. Die tadschikische Führung akzeptiere auch, dass sie der Bevölkerung keine Arbeitsplätze bieten kann und unterstütze daher faktisch die Arbeitsmigration – etwa eine Million von mehr als acht Millionen Einwohnern arbeitet im Ausland, vor allem in Russland. Ihre Geldüberweisungen nach Tadschikistan machen schätzungsweise bis zur Hälfte des gesamten Bruttoinlandsproduktes aus.

Auch die Spannungen mit regionalen Nachbarn, vor allem Usbekistan, haben abgenommen. “Diese Feststellungen müssen aber unbedingt im Kontext dessen, was er nicht geschafft hat, gesehen werden”, schränkt die ZOiS-Expertin Eschment ein. “Die Wirtschaft liegt am Boden, die Bevölkerung lebt am Existenzminimum, die Familie Rachmon und die Dangara-Connection werden gleichzeitig immer reicher.” Tadschikistan ist das ärmste Land der Region mit einem Durchschnittslohn von umgerechnet etwa 128 Euro im Monat.

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