Meinung: Nigeria wird 60 – Die Jugend macht den Unterschied

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Korruption, Bürgerkrieg und Militärdiktaturen – was gibt es da nach 60 Jahren Unabhängigkeit zu feiern, fragen Manche. Die nigerianische Aktivistin Maryam Laushi meint: Die jungen Menschen und ihre Widerstandskraft.

Am 1. Oktober 1960 wurde Nigeria unabhängig. Eine aufregende Zeit, in der die Menschen vor Ideen nur so platzten, was ihre Nation alles erreichen könnte. 1963 gab sich Nigeria eine neue Verfassung und wurde Republik. Nnamdi Azikiwe amtierte als Präsident, Tafawa Balewa als Premierminister. Zu dieser Zeit hatte das Land noch den Anschein einer Demokratie.

1966 übernahm erstmals das Militär die Macht, weitere Putsche folgten. Ein Bürgerkrieg forderte eine unvorstellbare Zahl an Todesopfern und brachte brutale autokratische Regime hervor. Erst als Olusegun Obasanjo im Mai 1999 zum Präsidenten gewählt wurde, übernahm wieder eine zivile Regierung die Macht. Seitdem hat Nigeria regelmäßig alle vier Jahre Wahlen abgehalten. Manche sagen, dass sie nicht frei und fair waren, andere halten sie dagegen für demokratisch.

Probleme in Hülle und Fülle

Die Nigerianer haben über Jahrzehnte turbulente Zeiten erlebt: Hohe Arbeitslosigkeit, politische Instabilität in verschiedenen Landesteilen, ethnischer und religiöser Fanatismus sind nur einige Gründe dafür. Wenn man sich Nigerias Erfolge seit der Unabhängigkeit anschaut, dann gibt es nicht viel zu feiern. Das Land müht sich noch immer damit ab, die Bedürfnisse seiner Bürger zu erfüllen und Spitzenreiter bei der Entwicklung von Infrastruktur, Wirtschaft und Gesellschaft zu werden.

DW-Gastkommentatorin Maryam Laushi

Die Frage nach den Gründen für diese magere Bilanz drängt sich auf. Fehlende Gemeinsamkeit – bedingt durch ethnischen und religiösen Fanatismus – hat bis heute großen Einfluss darauf, wer Spitzenämter in den großen politischen Parteien übernehmen kann. Sie beeinflusst auch die Entscheidung, wer wen wählt. Ein anderer Grund ist Korruption, die fast jede Regierung seit der Unabhängigkeit geplagt hat. Korruption ist eine tief verwurzelte, harte Tatsache, die noch lange nicht besiegt ist.

Trotz aller Probleme dieses Landes, das immer noch seine Identität zu definieren sucht, hat Nigeria auch ein wertvolles Gut: Seine Jugend und ihre Widerstandsfähigkeit. Junge Nigerianer haben sich entschieden, Ungerechtigkeit auf neue Art und Weise zu bekämpfen. Die Ergebnisse dieses Kampfes kann jeder sehen.

Kämpferische junge Menschen

Kiki Mordi hat zum Beispiel eine wichtige Rolle dabei gespielt, den “Sex für Noten-Skandal” zu enthüllen: Junge Universitätsstudentinnen wurden von ihren Dozenten zu sexuellen Handlungen gezwungen, sonst wären sie bei Prüfungen durchgefallen. Nachdem die Dokumentation ausgestrahlt wurde, verabschiedete der nigerianische Senat ein Gesetz gegen sexuellen Missbrauch. Es bleibt noch viel zu tun, aber die Auswirkungen sind bereits spürbar.

Hauwa Ojeijo ist eine andere junge Nigerianerin, die viel bewegt: Sie hat kürzlich Online-Unterstützungsgruppen für Menschen mit psychischen Problemen gegründet. Victor Ugo setzt sich mit seiner Stiftung “Mentally Aware” ebenfalls dafür, Menschen mit psychischen Problemen zu helfen.

In der Wirtschaft kämpfen viele junge Nigerianer nicht nur dafür, selber zu überleben, sondern schaffen Arbeitsplätze für andere.

Was braucht die Jugend?

Neben der interessanten Debatte über Nigerias historische Erfolge gibt es eine viel drängendere Frage: Was kann Nigeria tun, damit seine Jugend im globalen Wettbewerb mithalten kann? Und wie kann ein Umfeld geschaffen werden, in dem junge Menschen nicht nur ums Überleben kämpfen müssen, sondern gut und erfolgreich leben können?

Wenn Nigerias Regierung der Jugend eine bessere Zukunft ermöglichen will, dann muss sie zunächst die Sicherheit der Menschen verbessern. Unser Land leidet unter Gewalt und Kriminalität. Die permanente Angst ist lähmend und die hohe Zahl an Todesopfern durch Terroristen und Kriminelle trägt nicht dazu bei, das zu ändern.

Eine Demokratie, die alle einschließt

Ein weiterer wichtiger Schritt ist eine konsultative Regierungsführung. Sie muss die Bedürfnisse und die Meinungen junger Menschen, der Frauen und überhaupt aller Nigerianer einschließen. Nigerias Demokratie wird sich nicht weiterentwickeln, wenn die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger nicht ernstgenommen werden. Um Fortschritte zu machen, muss ein inklusiveres Regierungssystem eingeführt werden.

Unternehmer brauchen ein Umfeld, das Wirtschaftswachstum ermöglicht. Steuern und Abgaben dürfen nicht exorbitant hoch sen. Die Regierung muss grundlegende Dienstleistungen wie eine funktionierende Stromversorgung, die Verfügbarkeit von Internet und einen einfacheren Zugang zu nationalen und internationalen Märkten gewährleisten. Nicht zuletzt muss sie den öffentlichen Dienst reformieren.

Nigeria muss an einer nachhaltigen Zukunft bauen und seine Übel bekämpfen, statt nur Symptome zu kurieren. Junge wie ältere Nigerianer wünschen sich eine Zukunft ohne riesige Unterschiede zwischen Arm und Reich – in einem Land, das sich um seine Bürgerinnen und Bürger und ihre Bedürfnisse kümmert.

Maryam Laushi ist eine nigerianische Aktivistin und Gründerin der Kampagne “Not Too Young to Run”. Für ihren Einsatz für Gleichberechtigung, soziale Gerechtigkeit und die Beteiligung junger Menschen an politischen Prozessen hat sie mehrere Preise gewonnen.