Macht und Ohnmacht von Turbine und Leverkusen

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In der Frauen-Bundesliga spielen noch immer traditionsreiche, reine Frauenvereine wie Turbine Potsdam. Aber auch Teams wie Bayer Leverkusen, die Profi-Bundesligaklubs angeschlossen sind. Die Probleme sind die gleichen.

Der 2:0-Sieg von Turbine Potsdam gegen Bayer Leverkusen in der Frauen-Bundesliga am Sonntag war wie eine Momentaufnahme aus dem letzten Jahrzehnt. Dass mit Potsdam einer der traditionsreichsten deutschen Frauenvereine die weniger etablierten Leverkusenerinnen schlug, war keine Überraschung. Dennoch befinden sich beide deutsche Spitzenmannschaften mit ihren unterschiedlichen Spielansätzen in der gleichen, unbefriedigenden Situation.

Große Historie und viel Tradition

Turbine Potsdam ist eines der erfolgreichsten Frauenteams in Deutschland. Als sechsmaliger deutscher Meister und zweifacher Champions-League-Sieger zeigten sie in der Vergangenheit eine ähnlich große Dominanz, wie sie heute der VfL Wolfsburg inne hat. Zwischen 2009 und 2012 haben sie die Liga vier Mal in Folge gewonnen. Doch danach zogen der FC Bayern und Wolfsburg vorbei und wurden stärker und stärker.

Ein Sieg gegen Leverkusen befeuert heute nicht mehr den Kampf um den Titel, wie Cheftrainer Sofian Chahed im Nachhinein andeutete: “Wir sehen uns nicht im Titelrennen, sondern eher im oberen Drittel.”

Das mag zum Teil daran liegen, dass Potsdam immer mehr als Außenseiter auf den sich rapide verstärkenden Trend des Zusammenschlusses von Frauen- und Männer-Bundesligavereinen reagiert. Die Turbine behält weiterhin ihre stolze Identität als reiner Frauenverein, während die Rivalinnen des 1. FFC Frankfurt und der Frankfurter Eintracht in diesem Sommer fusionierten und Borussia Dortmund und der FC Schalke 04 jeweils eigene Frauen-Abteilungen gründeten. Damit kommt wieder mehr Bewegung in den deutschen Frauenfußball, der nach Ansicht vieler im Vergleich zu anderen europäischen Ländern stagniert.

Verena Hagedorn, Ex-Trainerin von Bayer Leverkusen

“Das ist auf jeden Fall positiv”, sagte die ehemalige Bundesliga- und Nationalspielerin Verena Hagedorn gegenüber der DW. “Wenn es um Marketing oder Löhne geht, liegen die deutschen Vereine immer noch hinter England oder Frankreich. Aber die Entwicklung geht eindeutig nach oben”.

Optimismus in Leverkusen

Im Gegensatz zu Turbine Potsdam sind die Leverkusenerinnen seit zwölf Jahren in einem Bundesliga-Profiklub angesiedelt. Allerdings zeigt ihr Beispiel, dass die Zugehörigkeit zu einem Männerverein nicht automatisch zum Erfolg führt: Die Mannschaft hat seit ihrer Gründung im Jahr 2008 nie einen besseren als den 7. Platz erreicht und sie verbrachte die Saison 2017/18 sogar in der zweiten Liga.

Vielleicht stehen der Mannschaft, die regelmäßig darum kämpft, in der Liga zu bleiben, aber Veränderungen bevor: Leverkusen hat die ersten beiden Spiele der Saison gewonnen, und Trainer Achim Feifel ist der Überzeugung, dass der Klub auf dem Weg nach oben ist. “Insgesamt stehen uns mehr Ressourcen zur Verfügung. Vor allem in unserer Infrastruktur, im Trainerteam und so weiter. Dort tut sich einiges, auch in Bezug auf die Teambildung.”

Vormachtstellung von Wolfsburg und Bayern

Hagedorn, einst Cheftrainerin in Leverkusen, nun Trainerin beim Fußball-Verband Mittelrhein, weist auf die Kluft zwischen der Spitze und dem Rest der Liga hin. “Es gibt immer noch eine Mischung aus Vollprofis und Halbprofis, aber das ist bei vielen Mannschaften der Fall”, sagte Hagedorn. “Es gibt zwei bis drei Vereine, die klar an der Spitze stehen, und ich hoffe, dass Leverkusen diesen Schritt in Zukunft machen kann.”

Wolfsburg gewann in der vergangenen Saison zum vierten Mal in Folge die Meisterschaft und zum sechsten Mal nacheinander den DFB-Pokal

Potsdam und Leverkusen mögen deutlich unterschiedliche Strukturen und Vereinsgeschichten haben, aber in ihrer aktuellen Form scheinen beide nicht in der Lage zu sein, die Vormachtstellung von Wolfsburg und Bayern zu beenden. Zwar waren die Turbinen-Fans über den Sieg gegen Leverkusen überglücklich. Doch wenn sie jemals wieder einen Titel feiern wollen, muss sich in der Bundesliga einiges ändern. Darüber kann auch der Sieg vom Sonntag nicht hinwegtäuschen. Dabei geht es nicht nur darum, mit einer Männermannschaft verbunden zu sein oder eine starke Geschichte zu haben, sondern vielmehr um mehr Ressourcen und ein größeres Engagement für den Frauenfußball.

Adaption: Olivia Gerstenberger