Keine EU-Sanktionen gegen Belarus

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Die EU-Außenminister konnten sich erneut nicht auf Sanktionen gegen das Regime in Belarus einigen. Zypern blockierte die nötige Einstimmigkeit. EU-Chefdiplomat Josep Borrell sieht die Glaubwürdigkeit der EU gefährdet.

“Ich werde weiter darauf hinarbeiten, es ist mir zu einem persönlichen Ziel geworden”, sagte EU-Chefdiplomat Josep Borrell, nachdem er einmal mehr damit gescheitert war, die EU-Außenminister zur Einigkeit bei den Belarus-Sanktionen zu bewegen. Am Morgen hatte der deutsche Vertreter Heiko Maas schon forsch gefordert, Machthaber Alexander Lukaschenko selbst auf die Liste der Sanktionen zu setzen – und dann endete das Treffen wieder ohne Beschluss.

Einstimmigkeit verhindert EU-Außenpolitik

Die Sanktionen scheiterten am Einspruch Zyperns, das die Verbindung herstellt zwischen Maßnahmen gegen Belarus und Sanktionen, die Nikosia gegen die Türkei verhängt sehen will. Die Regierung fordert von den übrigen EU-Mitgliedsländern eine Wende in der bislang vorsichtigen Türkeipolitik und will aggressives Verhalten von Präsident Erdogan durch die Probebohrungen vor der Küste Zyperns mit Sanktionen bestrafen. Beide Schauplätze haben nichts miteinander zu tun, aber es ist schlechte Tradition in der EU, manchmal solche Verbindungen zu ziehen, um eigene Ziele voran zu bringen. Und dafür genügt im Zweifel auch die Stimme eines kleinen Mitgliedslandes.

EU-Chefdiplomat Josep Borrell musste das Scheitern der Sanktionsbemühungen verkünden

Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel, als derzeitige Vorsitzende des europäischen Rates, wie auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fordern deshalb, das Einstimmigkeitsprinzip in der Außenpolitik zu beenden und künftig mit qualifizierter Mehrheit abzustimmen. Dagegen sträuben sich aber vor allem die kleinen Mitgliedsländer, weil sie ihre Vetomacht verlieren würden.

Die Frage der Belarus-Sanktionen kommt am Donnerstag (24.09.2020) beim Gipfeltreffen der Regierungschefs in Brüssel erneut auf den Tisch. Vielleicht beweist Angela Merkel dann mehr Geschick dabei, ihren zypriotischen Kollegen Nicos Anastasiades davon zu überzeugen, dass die Opposition in Belarus europäische Unterstützung verdient hat, ganz unabhängig von den Vorgängen im südöstlichen Mittelmeer. “Es geht um die Glaubwürdigkeit der EU”, klagte Chefdiplomat Josep Borrell, als er den erneuten Fehlschlag verkünden musste.

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Belarus: keine EU-Sanktionen

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Keine EU-Sanktionen gegen Lukashenko oder Belarus

Mehr Mut, bitte!

Dabei hatte der Tag hoffnungsvoll begonnen, denn die EU-Außenminister und Josep Borrell hatten sich am Morgen mit der belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja zum Frühstück getroffen. Ein Termin, der selbst schon ein politisches Signal war. Nach einem weiteren Wochenende mit Großprotesten und Verhaftungen von friedlichen Demonstranten in Belarus sollte er das einzige sichtbare Zeichen der Solidarität durch die Europäer bleiben. 

Tichanowskaja wiederum urteilte über das wochenlange Zögern der EU mit freundlicher Vorsicht: Sie verstehe, dass die Europäer gegenüber Belarus Gründe hätten, nicht zu viel Druck auszuüben. “Ich habe sie aber gebeten, mutiger zu sein”, fügte sie hinzu. “Sanktionen sind in unserem Kampf sehr wichtig, weil sie Teil des Drucks sind, um die sogenannten Autoritäten zum Dialog mit uns zu veranlassen”.

Swetlana Tichanowskaja zeigt den EU-Außenministern Fotos von misshandelten Demonstranten

Gleichzeitig bat sie die EU um finanzielle Unterstützung für die Oppositionsbewegung und vor allem um Überprüfung, wohin etwa die 53 Millionen Euro fließen, die Brüssel im Kampf gegen Covid-19 zur Verfügung gestellt hat. “Am Anfang hatten unsere Ärzte nicht einmal Masken (…), wir fragen uns, wohin das Geld gegangen ist”. Bei einem Treffen mit dem zuständigen EU-Kommissar wollte sie klären, wie Mittel direkt an freie Medien und oppositionelle Kräfte in Belarus gezahlt werden könnte. Polen hatte einen milliardenschweren Hilfsfond für Belarus gefordert, um das Land zu stabilisieren.

Josep Borrell sagt nach dem Treffen mit der Oppositionsvertreterin, er sei “beeindruckt vom Mut und der Standhaftigkeit der Menschen in Belarus, besonders der Frauen, die wirkliche Führungskraft zeigten”. Und er betonte erneut, die EU habe keine versteckte Agenda, wolle sich in Belarus nicht einmischen, sondern nur demokratische und faire Wahlen unterstützen. Trotz der schönen Worte aber ging Swetlana Tichanowskaja am Ende des Tages mit leeren Händen.

Enttäuschte Reaktionen

Der litauische Außenminister Linas Linkevicius stellte fest: “Wir sind jedenfalls enttäuscht”. Zwar seien Sanktionen nur ein Teil der politischen Antwort der EU, aber einige Kollegen stünden da im Wege, weil sie Sachen miteinander verknüpften, die nicht zusammengehörten. Über Sanktionen hinaus aber müsse man zum Beispiel für eine spätere Strafverfolgung derjenigen sorgen, die in Belarus Verbrechen durch Gewalt gegen friedliche Demonstranten begingen, sagte er gegenüber der DW.

Trotz des Fehlschlags an diesem Montag müsse man die Sanktionen weiter verfolgen und eine klare Botschaft an Belarus senden. Litauen beherbergt derzeit Tichanowskaja und andere Mitglieder der Opposition in Belarus. Sie flüchten zunehmend vor Verfolgung und Gefängnis in der Heimat und finden Aufnahme in den Nachbarländern.

Die EU lobt den Mut der Frauen in Belarus – aber zeigt selbst Uneinigkeit

Sein lettischer Amtskollege Edgars Rinkevics zeigte sich ebenso frustriert: “Es ist bedauerlich, dass wir uns nicht auf Sanktionen für Menschenrechtsverletzungen einigen konnten (…). Das sendet das falsche Signal an Belarus, unsere Gesellschaften und die ganze Welt”.

Auch Sergey Lagodinski, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament kritisiert, dass es zwischen Belarus und den Vorgängen im südöstlichen Mittelmeer überhaupt keine Verbindung gebe. “Das ist Erpressung, und ich erwarte dass wir innerhalb der EU nicht so miteinander umgehen”. Schließlich hätten sich die Außenminister längst auf Sanktionen geeinigt und es sei inakzeptabel, dann am Ende den Beschluss zu blockieren. Im EU-Parlament gebe es viel Unterstützung für die Anliegen von Griechenland und Zypern gegenüber der Türkei, es sei nicht notwendig, deswegen ein anderes Feld der EU-Außenpolitik kaputt zu machen.

Zu der Vermutung aber, hinter Zyperns Verhalten stünden auch die besonders engen Geschäftsbeziehungen zu Russland, sagt der Grünen-Politiker: “Es gibt keinen Anspruch darauf, russisches Geld zu waschen”. Er hoffe, dass diese Verdachtsmomente beim Gipfeltreffen in dieser Woche ausgeräumt werden könnten. Zypern wird seit längerem vorgeworfen, russische Finanzströme über seine Banken nicht zu kontrollieren und an russische Oligarchen EU-Pässe zu verkaufen.