“Der Pianist”: Wladyslaw Szpilmans Nachlass versteigert

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Weltbekannt wurde Wladyslaw Szpilman durch Roman Polanskis Film “Der Pianist”. Nun kamen seine Besitztümer unter den Hammer – auch eine Uhr mit Geschichte.

Diese Taschenuhr wollte Szpilman 1944 seinem Lebensretter schenken, jetzt wurde sie für 46.805 Euro versteigert

Im November 1944 hält sich Wladyslaw Szpilman, ein jüdischer Pole, schon eine Weile in den Ruinen Warschaus versteckt, als er auf Nahrungssuche von einem deutschen Wehrmachtsoffizier ertappt wird. Szpilman ist entkräftet und nicht in der Lage zu fliehen. Doch der Deutsche hat gar nicht die Absicht, ihm etwas zu tun. Stattdessen fragt er: “Was sind Sie von Beruf?”, woraufhin Szpilman wahrheitsgemäß entgegnet: “Pianist.” Wie zum Beweis seiner Aussage soll er auf einem verstimmten Flügel vorspielen. Mit steifen, schmutzigen Fingern und der Angst im Nacken, Anhänger der SS könnten auf die Klänge aufmerksam werden, trägt er Chopins “Nocturne cis-Moll” vor.

So hat es Wladyslaw Szpilman in seinen autobiografischen Notizen festgehalten. Roman Polanski verfilmte die Geschichte 2002, so dass Szpilman vielen als “Der Pianist” bekannt wurde. Nachzulesen ist in Szpilmans bereits 1945 niedergeschriebenen Aufzeichnungen über die Erlebnisse der Jahre 1939 bis zur Befreiung Warschaus im Winter 1944/1945 auch die anrührende Geschichte seiner Taschenuhr. Sie wird jetzt neben einem seiner späteren Klaviere, einem handschriftlichen Kompositions-Manuskript, einem Füller und anderen Habseligkeiten in Warschau versteigert.  

Diese Filmszene geht unter die Haut: Wladyslaw Szpilman (Adrien Brody) erkaufte sich sein Leben mit Klavierspiel, wie er in seiner Autobiografie schreibt

Der Retter nahm die Uhr nicht an 

Diese silberne Uhr – sein “einzigen Schatz”, wie er schreibt -, wollte Szpilman seinem deutschen Retter zum Abschied schenken. Denn Wilhelm Adalbert Hosenfeld, genannt Wilm, hatte ihn nicht verraten, sondern – im Gegenteil – zu einem sichereren Versteck verholfen und mit Nahrung und Zeitungen und zuletzt sogar mit einer warmen Decke versorgt. Hosenfeld, den Szpilman als “halb schüchtern, voller Verlegenheit” beschreibt, nahm die Uhr nicht an. So blieb Szpilman nur, seinem Retter stattdessen anzubieten, ihm einmal zu helfen, sollte es irgendwann nötig sein. Er verriet ihm seinen Namen, den des Deutschen erfuhr er damals noch nicht.

Wie sich später herausstellte, hat Hosenfeld während seiner Dienstzeit in Warschau auch anderen Juden geholfen. Doch als der deutsche Hauptmann in sowjetische Gefangenschaft geriet, konnten ihm weder Szpilman noch andere Überlebende zur Freiheit verhelfen.

Wladyslaw Szpilman, bekannt als “Der Pianist”, wollte seinerseits Wilm Hosenfeld helfen – vergebens

Als Szpilman 1950 über Umwege erfuhr, wem er sein Leben verdankte, setzte er sich bei einem im Polen der Nachkriegszeit sehr mächtigen Mann für Hosenfeld ein. So hat es zumindest Wolf Biermann niedergeschrieben, der ein Gespräch mit Szpilman im Essay “Brücke zwischen Wladyslaw Szpilman und Wilm Hosenfeld, gebaut aus 49 Anmerkungen” verarbeitete. Die Genossen in der Sowjetunion wollten Hosenfeld allerdings nicht freilassen, er starb 1952 im Kriegsgefangenenlager Stalingrad.

Wilm Hosenfeld: posthum in Yad Vashem geehrt

Andrzej Szpilman: Auch der Sohn des Pianisten ist musikalisch begabt

Szpilmans Sohn Andrzej, der jetzt die Auktion von Gegenständen des Vaters aus dessen Nachlass organisierte, setzte sich, wie zuvor schon sein Vater, dafür ein, dass Hosenfeld posthum in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem als “Gerechter unter den Völkern” geehrt wird. 2008 war es dann soweit. Hosenfeld wurde in die Reihe der ausgezeichneten Nichtjuden aufgenommen, die sich während der NS-Herrschaft unter Einsatz ihres eigenen Lebens für jüdische Menschen einsetzten, um sie vor der Ermordung zu bewahren.

Von der Rettung des Vaters und vom Schicksal seiner anderen Vorfahren väterlicherseits will Andrzej  ausschließlich aus dem Buch des Vaters wissen. Dieser habe in seiner Kindheit nie darüber gesprochen, wie ihm 1942 die Flucht vor der Deportation aus dem Warschauer Ghetto gelungen war, erzählt er. Der Rest der Familie hingegen musste in die Waggons steigen, die sie in das Vernichtungslager Treblinka brachte.

Bewahrte vor dem Verlust des Zeitgefühls: Die silberne Uhr war Wladyslaw Szpilmans Begleiter durch die Einsamkeit

Begleiter im Ghetto: eine Uhr und ein Füller

Für Wladyslaw Szpilman begann eine schlimme Leidenszeit. Er hungerte, versteckte sich an immer anderen Orten vor den Nazis; zunächst im Ghetto, später außerhalb, in verlassenen Häusern Warschaus, abgeschnitten vom Rest der Welt. Auch deshalb sei die Uhr, eine Omega, die nun Teil der Auktionsmasse ist, so wichtig für seinen Vater gewesen, sagte Andrzej der Nachrichtenagentur AFP: “Mein Vater schrieb, dass er sie aufzog, um zu wissen, wie spät es war, denn er lebte in vollkommener Einsamkeit und hatte das Zeitgefühl verloren.”

Auch dieses Klavier Wladyslaw Szpilmans, ein echter Steinway, kommt unter den Hammer

Gekauft hatte Wladyslaw Szpilman die Taschenuhr, wie auch einen Montblanc-Füller, 1937 in Paris. Beide Gegenstände begleiteten ihn im Ghetto und  später in seinen Verstecken in den Ruinen der Stadt. Vom Warschauer Auktionshaus “DESA Unicum” wurden sie am Dienstag (22.09.2020) zusammen mit 49 anderen Gegenständen versteigert. Szpilmans geliebte Omega-Uhr ging für 46.805, sein Füller für 16.718 Euro weg. Den Steinway-Flügel ließ sich ein Bieter 254.000 Euro kosten, dagegen waren drei Paar vergoldete Manschettenköpfe für 3120 Euro und drei Pfeifen für 1337 Euro geradezu ein Schnäppchen. Auch ein handschriftliches Notenmanuskript des Pianisten – mit seiner Komposition “Zycie maszyn”‘(The Life of Machines) von 1933 – kam unter den Hammer. Den Zuschlag bekam ein Gebot mit 26.500 Euro.

Erinnerung an den Komponisten Szpilman

Der Pianist Wladyslaw Szpilman (1911-2000) komponierte auch

Dass die vor, aber auch nach dem Zweiten Weltkrieg von Wladyslaw Szpilman verfassten Kompositionen der westlichen Welt nahezu unbekannt sind – darunter Filmmusiken, Schlager und symphonische Werke – bereitet dem Sohn “söhnliche(n) Kummer”, schreibt er im Vorwort zum Buch des Vaters. Mag sein, dass die mediale Begleitung der Auktion nun das Bild des im Jahr 2000 verstorbenen Wladyslaw Szpilmans dahingehend korrigiert, dass er eben nicht “nur” Interpret großer Meister, sondern selbst Komponist gewesen ist.

Wladyslaw Szpilman: Der Pianist. Mein wunderbares Überleben. Berlin: Ullstein Verlag, 6. Aufl. 2003 – mit einem Vorwort von Andrzej Szpilman, Auszügen aus dem Tagebuch von Wilm Hosenfeld und mit einem Essay von Wolf Biermann.