Mit Rekord-Schulden gegen die Corona-Krise

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In der Corona-Pandemie will der Bund 2021 noch einmal neue Schulden machen. 96,2 Milliarden Euro sind vorgesehen. Das geht aber nur, wenn der Bundestag erneut eine Notlage attestiert. Aus Berlin Sabine Kinkartz.

Bis zuletzt hat er eisern geschwiegen. Kein Wort war Bundesfinanzminister Olaf Scholz über die Höhe der weiteren Verschuldung Deutschlands zu entlocken, als er am 10. September die Ergebnisse der Steuerschätzung vorstellte. Nur so viel: Ohne “Kredite in erheblicher Höhe” werde der Bund auch 2021 nicht über die Runden kommen. Nun ist die Zahl raus: 96,2 Milliarden Euro neue Schulden plant Scholz für das kommende Jahr ein, nach 217 Milliarden Euro in diesem Jahr.

Man rechne auch im nächsten Jahr mit erheblichen Auswirkungen der Corona-Pandemie, sei aber zuversichtlich, dass Deutschland die Krise meistern werde, heißt es aus dem Finanzministerium. Schließlich habe Deutschland im direkten Vergleich die niedrigste Schuldenquote aller G7-Staaten. Der Rotstift wird (noch) nicht angesetzt, denn Scholz will nicht in die Krise hineinsparen. Auch 2021 hält er die “Bazooka” bereit – in Anlehnung an seine Äußerung vom März 2020, als er sagte, man müsse beim Corona-Hilfspaket die “Bazooka rausholen”. Scholz will also sprichwörtlich Geld aus allen Rohren feuern, um die Folgen der Corona-Pandemie erträglich zu halten und die Konjunktur anzukurbeln. “Nichtstun wäre viel teurer”, heißt es aus dem Bundesfinanzministerium.

Erneute Notsituation

96 Milliarden Euro neue Schulden kann der Bund im kommenden Jahr aber nur machen, wenn der Bundestag erneut eine Notlage feststellt, um die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse auszusetzen. Die sieht vor, dass Bund und Länder grundsätzlich nur das ausgeben dürfen, was sie in großen Teilen aus Steuern einnehmen. Ein kleiner Spielraum für eine Kreditaufnahme ist aber vorgesehen. Die Schuldenobergrenze liegt bei maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Das beläuft sich in Deutschland auf 3300 Milliarden Euro. In diesem Jahr beträgt die Neuverschuldung also 6,6 Prozent des BIP und im kommenden Jahr sollen es 2,9 Prozent sein.

Finanzminister Olaf Scholz will in der Krise nicht sparen

Ab 2022 soll die Schuldenbremse wieder eingehalten werden. Das heißt, dass dann noch notwendige Kredite nur noch bis zur Schuldenobergrenze gehen dürfen. Damit würden die Haushalte in den Jahren 2022 bis 2024 absehbar aber nicht auskommen. Der Finanzminister will daher die einstige Flüchtlingsrücklage von 48 Milliarden Euro auflösen und auf die Jahre verteilen. Aber auch das reicht nicht aus. Es bleiben große Löcher in den Haushaltsplanungen.

Über das dicke Ende spricht noch niemand

Über 42 Milliarden Euro fehlen zusammengenommen in der Finanzplanung für die Jahre 2022 bis 2024. Wie die fehlenden Summen erwirtschaftet werden sollen, darauf will das Finanzministerium keine Antwort geben. Es wäre nicht unwahrscheinlich, wenn sich die Lücken durch eine bessere Konjunkturentwicklung auflösen würden, heißt es optimistisch und ein Ministeriumssprecher fügt hinzu: “Wir planen keine Maßnahmen, um diesen Handlungsbedarf einnahmen- oder ausgabenseitig zu schließen.” Da im Herbst 2021 eine Bundestagswahl ansteht, wird es wohl einer neuen Regierung überlassen werden, die Löcher zu stopfen.

Wenn ein Impfstoff gegen das Corona-Virus da ist, könnte es wieder aufwärts gehen

Insgesamt sieht der Haushaltsentwurf für 2021 Ausgaben in Höhe von 413,4 Milliarden Euro vor. Davon sind 55 Milliarden Euro für Investitionen vorgesehen, also für Maßnahmen, die in die Zukunft gerichtet sind, die Konjunktur stützen und Jobs erhalten sollen. Stichworte sind das geplante Klimapaket mit dem geplanten klimafreundlichen Umbau der Industrie, die Förderung von Elektromobilität und Wasserstofftechnologien, Ausgaben für die Digitalisierung, die Förderung der künstlichen Intelligenz und der Quantentechnologie.

Der größte Block in den Investitionen soll mit 18,6 Milliarden Euro in den Verkehr gehen. Allerdings muss man dazu wissen, dass das Verkehrsministerium es bis jetzt nur in den seltensten Fällen geschafft hat, das zur Verfügung gestellte Geld bis zum Jahresende auch auszugeben. Verkehrsminister Andreas Scheuer dürfte also einiges zu tun haben.

Soziales, Verteidigung und Entwicklung

Der größte Posten im Haushalt bleiben die Sozialausgaben. Dafür ist die Hälfte des Haushaltsvolumens vorgesehen. Allein für die Rentenzahlungen sind im kommenden Jahr gut 106 Milliarden Euro veranschlagt. In der älter werdenden deutschen Gesellschaft wird die Summe laut der Finanzplanung bis 2024 auf rund 119,4 Milliarden ansteigen. Die Grundsicherung für Menschen, die keine Arbeit haben, ist im Haushaltsentwurf für 2021 mit 34 Milliarden Euro veranschlagt. Dazu kommen Zuschüsse zur Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge oder an die Bundesagentur für Arbeit wegen der deutlichen Verlängerung des Kurzarbeitergeldes.

Mehr Geld bekommt auch das Verteidigungsministerium von Annegret Kramp-Karrenbauer

Die Verteidigungsausgaben werden im kommenden Jahr auf 46,7 Milliarden Euro aufgestockt. Das sind 1,51 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt und damit nach wie vor weitaus weniger als innerhalb der NATO vereinbart. Die Nato-Staaten hatten 2014 vereinbart, den Anteil ihrer Verteidigungsausgaben am jeweiligen BIP binnen eines Jahrzehnts auf zwei Prozent zu steigern. Zuwächse gibt es auch bei der Entwicklungszusammenarbeit. Mit 18,5 Milliarden Euro wird Deutschland weiterhin die zweitgrößte Gebernation nach den USA sein.

Im Dezember soll der Haushalt stehen

Am kommenden Mittwoch will Olaf Scholz seinen Haushaltsentwurf für 2021 und die Finanzplanung für die Jahre bis 2024 im Kabinett vorlegen. Das ist drei Monate später, als in normalen Jahren. Auf den Bundestag kommt damit zu, weitaus schneller als normalerweise das Budget bewilligen zu müssen. Noch im September soll das Parlament mit der Debatte beginnen, zunächst im Plenum und anschließend in den Ausschüssen. Ab dem 8. Dezember soll der Etat abschließend im Plenum debattiert und beschlossen werden. Das sei unbedingt nötig, damit der Haushalt pünktlich zum Jahresanfang 2021 in Kraft sei, betont man im Finanzministerium.

Alle Planungen gehen allerdings davon aus, dass Deutschland in der Corona-Pandemie kein weiteres Mal in einen Lockdown gezwungen wird. Davon sei man bei den Haushaltsplanungen nicht ausgegangen, heißt es im Finanzministerium. “Dann hätten wir eine andere Situation.” Will heißen: Dann müsse vollkommen neu und wohl auch mit einem ganz anderen Ergebnis gerechnet werden.