Eine Welt ohne Beethoven? DW-Dokumentation startet

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Ludwig van Beethoven beeinflusst bis heute Musiker aller Sparten. Wie genau – das verrät Sarah Willis in einem neuen Musikfilm der Deutschen Welle.

Sarah Willis führt mit ihrem Horn durch den Dokumentarfilm

Eine Welt ohne Beethoven? Für die DW-Moderatorin Sarah Willis ist das unvorstellbar. Allein schon, weil Beethoven so fantastische Soli für Horn geschrieben hat, wie sie sagt. Sarah Willis ist hauptberuflich Hornistin bei den Berliner Philharmonikern. Sie hat sich auf den Weg gemacht, um internationale Musiker, Manager, Komponisten und Experten zu fragen, was der musikalischen Welt heute fehlen würde, hätte es den innovativen Komponisten Ludwig van Beethoven nicht gegeben.

Sir Simon Rattle dirigiert Beethovens 5. Sinfonie mit den Berliner Philharmoniker

Der DW-Film “Eine Welt ohne Beethoven?” beleuchtet in sieben Kapiteln, welchen Einfluss Beethoven auf das Konzertwesen, auf Musiker, ja sogar auf ganze Genres der populären Musik hat. Er ist der letzte Teil einer Beethoven-Trilogie zu Beethovens 250. Geburtstag. Dazu gehören auch die DW-Filme “Beethovens Neunte – Symphonie für die Welt” und “Beethoven – Der Klang der Natur”.

In allen drei  Dokumentationen geht es um musikalische Spuren, die Beethoven weit über Europa hinaus in der Welt hinterlassen hat. “Eine Welt ohne Beethoven?” will den berühmten klassischen Komponisten von seiner innovativen Seite zeigen: ein Komponist, der die Grenzen der Musik sprengte und sich kritisch mit der Gesellschaft seiner Zeit auseinandersetzte.

Beethoven, der Innovator

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Trailer: Eine Welt ohne Beethoven?

Die Idee zum Film hatte DW-Regisseur Martin Roddewig. “Es ist ja ein Allgemeinplatz, dass man sagt: ‘Beethoven war ein Innovator und hat die Welt verändert.’ Ich wollte sehen, was heute davon noch da ist, welchen Einfluss er auch heute noch hat.” Bei dieser Frage würde man oft nur klassische Musiker befragen, die Beethoven natürlich bewusst im Repertoire hätten. “Ich wollte Musiker befragen, die aus aktuellen Musikrichtungen kommen  wie Jazz, Pop-, Rock-, oder Filmmusik.” Roddewigs Film beschreibt keine Welt ohne Beethoven, sondern erzählt, warum er so wichtig war für nachfolgende Generationen.

Unterstützt wurde das Filmprojekt von der Jubiläumsgesellschaft BTHVN 2020 mit Fördergeldern aus dem Bundesministerium über die Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Der erste Teil der  90-minütigen Dokumentation ist am 16. September auf DW TV zu sehen, Teil zwei folgt am 23. September. Ab dem 16.9 steht  der Film außerdem in voller Länge beim Streamingdienst Amazon Prime zur Verfügung.

Hier der Link zu den Sendezeiten bei DW TV

Beethoven und die Rockmusik

Hätte Beethoven zur E-Gitarre gegriffen, wenn es sie zu seiner Zeit schon gegeben hätte?

Rockige prägnante Gitarrenriffs, die ins Ohr gehen, würde man vielleicht nicht gerade mit Beethoven assoziieren, und dennoch hat Sarah Willis gerade bei Rockgrößen der 60er und 70er Jahre die Verbindung zu Beethoven gesucht und gefunden. Es ist scheinbar eine ganz einfache Idee, die auf vier Tönen beruht und bis heute begeistert: das Eingangsmotiv von Beethovens 5. Sinfonie.

Viele bekannte Bands sind mit nur drei bis fünf Tönen in ihren markanten Gitarrenriffs berühmt geworden, auch wenn dabei nicht alle unbedingt an die Nähe zu Beethoven gedacht haben. Für Ian Anderson von der Band Jethro Tull gehen diese Riffs ganz klar auf Beethovens Konto. Für den Hit “Locomotive Breath” braucht auch Anderson nur vier Töne. “Ich denke, würde Beethoven heute leben, dann wäre er der Typ, der sich mit dem Geländemotorrad im Schlamm richtig dreckig macht. So stelle ich mir Beethoven vor.”

Rudolf Schenker ist klassich geprägt

Auch für Rudolf Schenker, Gitarrist bei den Scorpions, steht fest, dass Beethovens Motiv die Mutter aller Rockriffs ist, zumindest in Europa. Die Gitarrenriffs mit Melodie, die Schenker für die Band geschrieben hat, haben die Scorpions weltbekannt gemacht. “Wir sind durch die Klassik so geformt, dass wir auf eine Melodie und einen gewissen Rhythmus ausgeprägt sind. Die Klassik ist in unseren Genen”, sagt er im Film und lässt sich von Sarah Willis zu einer kleinen Jam-Session mit Horn und Gitarre verleiten.

Auf den Spuren Beethovens

Beethoven hat viele Attribute: Beethoven, der Revolutionär, der mit seinen Sinfonien neue Maßstäbe setzte; Beethoven,  der Wegbereiter der Romantik, Beethoven als Vorläufer der Konzeptalben in der Popmusik mit seinem Liederzyklus “An die ferne Geliebte” oder Beethoven als großer Meister der Improvisation. Sarah Willis findet überall Spuren von Beethoven, die bis in die Gegenwart reichen.

Zum Beispiel seine 9. Sinfonie: Sie ist als Europa-Hymne bis heute ein Symbol für Freiheit und Solidarität, auch wenn die Nationalsozialisten Beethovens bombastische Werke einst für ihre Zwecke missbrauchten.

Beethoven und der Jazz

Die amerikanische Pianistin Katie Mahan spielt Beethovens Klaviersonate Opus 111

Seine Zeitgenossen haben Beethoven nicht immer verstanden,  besonders seine Spätwerke blieben vielen ein Rätsel. Ausufernde Klavierkaskaden, Synkopen und hüpfende punktierte Sechzehntel, das klingt nicht nach Klassik, sondern – nach Jazz. Man findet sie aber auch in Beethovens letzter Klaviersonate, Op. 111, auch “Boogie Woogie”-Sonate genannt.

Wynton Marsalis ist nicht nur ein berühmter Jazztrompeter und der künstlerische Direktor des “House of Jazz at Lincoln Center” in New York, sondern auch ein großer Beethoven-Fan. Im Lincoln-Center hat ihn Sarah Willis besucht. Marsalis liebt besonders Beethovens Streichquartett Opus 135 mit den Synkopen. “Beethoven versteht das rhythmische Verhältnis von drei Schlägen in einer Zweier-Umgebung. Das ist typisch für afrikanische Musik oder Musik aus dem Nahen Osten – da hat er das wahrscheinlich her, von der türkischen Musik.”

Wynton Marsalis kennt sich hervorragend mit Beethovens Werken aus

Dass eine berühmte Jazz-Koryphäe mit ihr ausgerechnet über Beethovens späte Streichquartette reden wollte und die Melodien sogar mitsingen konnte, hat Sarah Willis beeindruckt. “Das war ein großes Geschenk bei diesem Projekt, dass man neben den Legenden sitzen und ihre Begeisterung teilen konnte”, erzählt Willis von den Dreharbeiten. “Besonders das Glitzern in den Augen von Wynton Marsalis, wenn er über Beethoven spricht.”

Was würde fehlen, wenn es Beethoven nicht gegeben hätte?  Der vielfach preisgekrönte Jazztrompeter Wynton Marsalis ist sich nicht ganz so sicher. “Es gibt so vieles auf der Welt. Ich denke mir oft, wenn man irgendeinen Menschen, was auch immer er geleistet hat, aus der Welt herausnimmt, wäre die Welt immer noch in Ordnung. Es gibt viele Menschen, die noch nie von Beethoven gehört haben. Und ihr Leben ist auch nicht schlecht.”


  • Das kleine Beethoven-Einmaleins

    Das musikalische Genie

    Ludwig van Beethoven (1770-1827) war ein Wunderkind. Sein Vater, der einen zweiten Mozart aus ihm machen wollte, soll ziemlich harte Übungsmethoden gehabt haben. Das erste Konzert spielte Ludwig mit sieben Jahren, erste Kompositionen folgten mit zwölf. Sein wahres Genie zeigte sich vor allem in seinen späteren Werken, die bis dahin geltende Maßstäbe sprengten – und bis heute inspirieren.


  • Das kleine Beethoven-Einmaleins

    Der Popstar

    Heute gehört Beethoven zu den meistgehörten und -gespielten Komponisten der Welt. Berühmt war er schon zu Lebzeiten, was nicht bei allen Ausnahmemusikern jener Zeit der Fall war – man denke etwa an das traurige Schicksal Mozarts, der in einem anonymen Armengrab bestattet wurde. An der Beerdigung Beethovens hingegen nahmen 20.000 Menschen teil – die Hälfte der damaligen Innenstadtbewohner von Wien.


  • Das kleine Beethoven-Einmaleins

    Der erste freischaffende Künstler

    Zu Zeiten des Barocks und der frühen Klassik waren Komponisten wie etwa Bach, Haydn oder Händel meist am Hofe eines Fürstens oder Königs angestellt – oder im Kirchendienst. Nicht so Beethoven: Ihm gelang es, einen Kreis von Förderern aufzubauen, die ihn finanziell regelmäßig unterstützten. Hinzu kamen Einnahmen durch Konzerte und durch die Veröffentlichung von Kompositionen.


  • Das kleine Beethoven-Einmaleins

    Seine Kompositionen

    Sein Œuvre ist bis heute eine stetige Inspirationsquelle für Musiker. Dazu zählen neun Sinfonien, fünf Klavierkonzerte, das Violinkonzert, 16 Streichquartette, 32 Klaviersonaten, die Oper “Fidelio” sowie die Messe in C-Dur op. 86 und die Missa solemnis op. 123. Erhalten sind außerdem akribisch geführte Skizzenbücher – Ludwig hatte seine Ideen und Entwürfe stets notiert.


  • Das kleine Beethoven-Einmaleins

    Die legendäre Fünfte Sinfonie

    Ta-ta-ta-TAAA. Ein Klopfmotiv, bestehend aus vier Tönen ohne Melodie – unerhört! Heute steht es synonym für Beethoven, und die “Schicksalssinfonie” gehört zu den meist gespielten Klassikwerken. Direkt bei der Uraufführung 1808 kam die Sinfonie jedoch nicht gut an: Die ungewohnten Töne machten das Publikum ratlos. Außerdem hatte das Orchester zu wenig geprobt und das Theater war unbeheizt.


  • Das kleine Beethoven-Einmaleins

    Der Klassiker: “Für Elise”

    Ein 200 Jahre alter Ohrwurm: als Filmmusik, in Telefonwarteschleifen, als Klingelton, im Fahrstuhl. “Für Elise” ist eines der populärsten Klavierstücke. Unklar bis heute: Wer war Elise? Beethoven war oft – meist unglücklich – verliebt. Frau und Familie hatte er nie. Im Fall “Elise” kreisen Musikwissenschaftler um vier mögliche Angebetete, der das fröhliche Klavierstück gewidmet sein könnte.


  • Das kleine Beethoven-Einmaleins

    Die Neunte Sinfonie

    Sinfonien sind für ein Orchester gedacht. Sänger? Die hatten bislang auf der Bühne nichts zu suchen. Da sich Beethoven bekanntlich nicht viel aus Konventionen machte, erfand er in seiner neunten und letzten Sinfonie das Genre neu. So treten im letzten Satz nicht nur Sänger, sondern zusätzlich noch ein Chor auf. Einige Takte dieser Sinfonie wurden 1972 zur offiziellen Europahymne.


  • Das kleine Beethoven-Einmaleins

    Seine Taubheit

    Es ist unvorstellbar: Ein Komponist, der seine eigene Musik nicht mehr hört. Beethovens Gehörleiden begann bereits mit Ende 20. Dieser Schicksalsschlag bedrohte nicht nur seine Karriere, sondern auch seinen gesellschaftlichen Umgang. Während einer Kur 1802 plagten ihn gar Selbstmordgedanken. Doch die Liebe zur Musik holte ihn zurück – es folgten 25 höchst produktive Komponistenjahre.


  • Das kleine Beethoven-Einmaleins

    Seine Wirkungsorte: Bonn, Wien…

    Ludwig van Beethoven wurde in Bonn geboren. Hier hatte er seine ersten Auftritte, Förderer und Mentoren. Die Stadt am Rhein ist heute DIE Beethoven-Stadt, mit Beethoven-Haus samt umfassendem Archiv und dem jährlichen Beethovenfest. Mit 22 Jahren zog Ludwig nach Wien, wo er zahlreiche Unterstützer fand. Hier nahm er auch Kompositionsunterricht bei Joseph Haydn. 1827 verstarb er in Wien.

    Autorin/Autor: Nadine Wojcik