Dann eben auf die harte Tour: Naomi Osaka

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Sie war schon Weltranglisten-Erste und kann durch einen weiteren Sieg bei den US Open ihre Ausnahmestellung im Damen-Tennis bestätigen. Auch, weil die Japanerin Naomi Osaka lernen musste, eine Menge auszuhalten.

“Hafu” ist ein ziemlich ekelhaftes Wort im Japanischen. Ein Halber. Halb-Japaner, Halb-Ausländer. Exotisch aussehend, das ja, irgendwie ungewöhnlich, aber im Grunde: fremd. Keiner von uns. Der Schritt zum Rassismus ist dann nur ein kleiner. Dass eine “Hafu” heute in Japan mitunter als exotische Schönheit angesehen wird, ändert daran nichts. Viele Japaner denken darüber ganz anders. Die gehört nicht zu uns. 

Im “weißen Sport” 

Die Tennisspielerin Naomi Osaka könnte, wenn sie in diesen Tagen nicht so viel mit Tennis zu tun hätte, viel erzählen über den Rassismus in Japan, über subtile und direkte Formen von Diskriminierung. Ihr Vater, Leonard Francois, kommt aus dem Karibikstaat Haiti. Ihre Mutter Tamaki Osaka stammt von der Insel Hokkaido. “Hafu”. Es heißt, ihr Großvater habe Naomis Mutter regelrecht verstoßen, nachdem sie einen Mann mit dunkler Hautfarbe geheiratet hat. Die Familie ging in die USA. Vater Francois hatte im Fernsehen die Williams-Schwestern beobachtet. Auch Naomis Schwester Mari lernte das Spiel, das bis heute bei manchen “weißer Sport” heißt. Und das ist nicht nur eine Frage der Kleidung, sondern auch des elitären Denkens. 

Zielstrebig: Naomi Osaka beim Aufschlag

Naomi Osaka wurde die Stärkere der beiden Schwestern. Sie stieg auf, und irgendwann hatte sie nicht nur Erfolg, sondern auch Sponsoren, etwa den japanischen Instant-Nudel-Hersteller “Nissin”. Der fand es während der Australian Open 2019 angemessen, seine Heldin in einem Zeichentrick-Spot mit ziemlich weißer Haut zu zeigen. Doch bald hatte man in Tokio begriffen, dass das nur eine mäßig gute Idee war – und zog den Spot zurück. Osaka gewann das Turnier und wurde Nummer eins der Weltrangliste.

Damals nahm das die heute 22-Jährige noch relativ gelassen. Beim Vorbereitungstunier auf die diesjährigen US Open in New York zeigte Osaka aber, dass sich das mit der Gelassenheit durchaus geändert hat. Es war ausgerechnet Osaka, die die Turnierveranstalter dazu nötigte, sich dem Sportboykott der US-Sportler aufgrund der rassistischen Übergriffe anzuschließen. Sie sei eine “black woman”, erklärte Osaka auf Twitter. Und fragte: Wann hört das jemals auf?

Wer die junge Japanerin auf der WTA-Tour der weiblichen Tennisprofis über eine Weile beobachtet hatte, konnte mit dieser Entwicklung nicht zwingend rechnen. Fast legendär die Auftritte von Naomi auf früheren Pressekonferenzen nach ihren Matches, in denen sie manchmal die Fragen der Journalisten nicht verstand, etwas verträumt oder verpeilt kichernd alles Mögliche erzählte und irgendwie wirkte wie eine Figur, die nicht von dieser Welt und gerade nur einmal kurz zu Besuch war. Eine Freude, ihr zuzuhören. Und regelmäßig die Kommentare danach: Sie ist ja noch sehr, sehr jung.

Serena Williams – und der Eklat

Aber dann kam der 8. September 2018. Das US Open-Finale gegen Serena Williams. Ganz New York wollte Williams siegen sehen, wollte “die Story”, wollte endlich den 24. Grand-Slam-Titel für die US-Amerikanerin. Und dann durften 23.771 Zuschauer mit ansehen, wie die junge Japanerin besser spielte. Wie Serena Williams nach Verwarnungen und Punktabzug wegen verbotenen Coachings einen Eklat hinlegte und noch auf dem Platz Schiedsrichter Carlos Ramos als “Dieb” bezeichnete. Osaka gewann, weinte während der Siegerehrung neben ihrem entthronten und schließlich wieder beruhigten Idol, nachdem sie zuvor die Pfiffe des Publikums einfach weggesteckt hatte.

Nach dem Eklat: New York pfiff, Osaka gewann trotzdem – und verdient

Seit diesem Spiel 2018 hat Osaka gezeigt, dass sie eben auch auf die harte Tour nach oben kommt. Von ihrem in der Szene hoch anerkannten Erfolgstrainer Sascha Bajin hat sie sich getrennt, ohne mit der Wimper zu zucken. Inzwischen wird sie von Wim Fisette gecoacht, der eine gewisse Sabine Lisicki ins Wimbledon-Finale brachte. Als sie 22 wurde, entschied sich Osaka gegen die US-Staatsbürgerschaft, die sie hatte, seit sie in Long Island aufwuchs. Die japanischen Gesetze verlangen, dass sich junge Menschen mit zwei Nationalitäten entscheiden. In der Vorbereitung der – nun aber verschobenen – Olympischen Spiele in Tokio ließ sie sich zum Aushängeschild der Ausrichter aufbauen. Die japanische Fed-Cup-Mannschaft kann ohne sie kaum auskommen. “Hafu”? Sollen sich die Leute doch das Maul zerreißen.