Deutsche haben mehr Angst vor Trump als vor Corona

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Trotz Corona – die Deutschen sind optimistisch und haben so wenig Ängste wie lange nicht mehr. Das ist das überraschende Ergebnis einer Studie. Auf der Angstskala ganz oben steht ein Politiker.

Das hatte sogar die Forscher überrascht. Seit 28 Jahren führen sie im Auftrag der Raiffeisen-und Volksbanken Versicherung R+V eine Umfrage zu den Ängsten der Deutschen durch. Und ausgerechnet im Corona-Jahr 2020 zeigen sich die Deutschen so wenig ängstlich wie seit Jahrzehnten nicht. Natürlich tragen sie in der Öffentlichkeit einen Mund-Nasenschutz und sind vorsichtig. Aber Angst vor einer Corona-Infektion haben nur wenige. Deshalb sinkt der Index aller Ängste von 39 auf 37 Prozent und erreicht damit den niedrigsten Wert seit Beginn der Umfrage im Jahr 1992.

“Die Deutschen reagieren auf die Pandemie keineswegs panisch”, erklärte Brigitte Römstedt, Leiterin des R+V-Infocenters. “Viele Sorgen gehen zurück.” Die Menschen hätten das Gefühl, “wir haben alles im Griff und packen das schon”, erklärt Römstedt auf Nachfrage der DW. Anders als noch vor ein paar Jahren, als die Angst vor Krieg, Terrorismus, Zuwanderung und Extremismus die Deutschen stark verängstigt hatte.

Für die Studie wurden 2400 Männer und Frauen im Alter ab 14 Jahren in Deutschland befragt. Die Forscher haben die Menschen zwischen Anfang Juni und Ende Juli nach ihren größten politischen, wirtschaftlichen, persönlichen und ökologischen Ängsten befragt und dabei herausbekommen, dass den Deutschen die Corona-Seuche relativ wenig Angst macht.

Nur 32 Prozent (Vorjahr 35 Prozent) befürchten in diesem Corona-dominierten Jahr eine schwere Erkrankung. “Ebenfalls nur etwa jeder dritte Befragte befürchtet, dass er selbst oder Menschen in seinem Umfeld sich mit dem Coronavirus infizieren könnten”, erklärt Expertin Römstedt. Zu einem ganz ähnlichen Befund kam Anfang des Monats auch der ARD-Deutschlandtrend. 

Mehr Angst vor Wohlstandsverlust als vor COVID-19

Die Deutschen bleiben also trotz wieder ansteigender Infektionszahlen und im Bewusstsein, dass die Gefahr noch anhalten wird, ziemlich gelassen. Nur 42 Prozent (siehe Grafik weiter unten) der Befragten befürchten, dass es durch die Globalisierung in Zukunft häufiger zu Pandemien kommen könnte. “Angesichts der rasanten weltweiten Ausbreitung des Virus hatten wir hier höhere Werte erwartet. Nach unseren Erkenntnissen haben die Menschen aber deutlich mehr Angst davor, dass das Virus ihren Wohlstand bedroht als ihre Gesundheit”, sagt Römstedt.

Weniger Container am Hamburger Hafen? Die Prognosen für die Wirtschaft 2020 sehen schlecht aus

Die Konjunkturprognosen für 2020 sehen düster aus. Ein Abschwung, manche reden sogar von tiefer Rezession, wird kommen. Nach Schätzungen der Bundesregierung wird das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um rund sechs Prozent schrumpfen. Das bleibt nicht ohne Wirkung auf das Stimmungsbild. Die wirtschaftlichen Ängste und ein möglicher Verlust des Arbeitsplatzes stehen wieder weiter oben auf der Angstskala. Die Furcht vor steigenden Lebenshaltungskosten liegt mit 51 Prozent auf Platz zwei.

Professor Manfred G. Schmidt hat das nicht überrascht. Der Politikwissenschaftler an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg berät die Versicherung seit Jahren bei der Auswertung der Ängste-Studie. Vor allem bleibe eine Unsicherheit: “Die Befürchtung, dass eine zweite Corona-Infektionswelle einen weiteren, noch tieferen Wirtschaftseinbruch bringen könnte, trägt zur weit verbreiteten Unsicherheit über die Zukunft der Wirtschaft bei.” Und dann ist da natürlich das Thema Arbeitslosigkeit. Es steht zwar “nur” auf Platz 13 von 20. Aber rund 40 Prozent der Deutschen befürchten ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit; ein Plus von 12 Prozent.

Macht Angst: US-Präsident Donald Trump

Am 3. November wählen die Amerikaner einen neuen – oder den alten – Präsidenten. Für viele Deutsche wäre eine Wiederwahl Donald Trumps wohl eine Horrorvorstellung. Für sie steht der US-Präsident nämlich ganz oben – Platz eins auf der Angst-Skala mit 53 Prozent. Schon 2018 führte er die Rangliste in der Versicherungsumfrage an.

Professor Manfred G.Schmidt hält diese Ängste für “berechtigt”. “Trump sorgt mit seiner Außenpolitik immer wieder für schwere internationale Verwicklungen.” Als Beispiele nennt der Politikwissenschaftler den Handelskrieg mit China oder Attacken sogar gegen verbündete Staaten wie Deutschland. Hinzu komme: “Die USA ziehen sich aus internationalen Kooperationen zurück.”

Streit um Zuwanderung schürt kaum noch Ängste

Politische Themen, die bislang für große Ängste sorgten, verlieren – glaubt man der Umfrage – an Bedeutung. Am stärksten gesunken sind die Sorgen rund um das Thema Zuwanderung. Nach einem Rückgang von mehr als zehn Prozentpunkten sind sie auf dem niedrigsten Stand seit fünf Jahren. 2020 befürchteten 43 Prozent der Befragten, dass es durch den weiteren Zuzug von Ausländern zu Spannungen zwischen Deutschen und hier lebenden Ausländern kommt (Vorjahr: 55 Prozent), und dass der Staat durch die große Zahl der Geflüchteten überfordert ist (Vorjahr: 56 Prozent).

Nur eine Minderheit kritisiert die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung

Und noch ein erstaunliches Ergebnis hat die Befragung der R+V-Versicherung zu Tage gefördert: Die Bundesbürger trauen der Politik und den Politikern wieder mehr zu. Nur rund 40 Prozent der Deutschen befürchten derzeit, dass die Politiker von ihrer Arbeit überfordert sind – so wenige wie nie zuvor in diesem Jahrtausend. Das habe – so die Autoren der Studie – mit dem insgesamt guten Krisenmanagement der Regierung in der Corona-Pandemie zu tun. Brigitte Römstedt bringt es auf den Punkt: Die Politiker seien “noch keine Musterschüler, werden aber versetzt”.