Wo Blasphemie als Straftat gilt

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Ein neues Todesurteil in Nigeria erinnert daran: In vielen Ländern ist Blasphemie strafbar. Zu den bekannteren Angeklagten zählt Asia Bibi – aber auch in Deutschland ergehen hin und wieder Urteile.

Justiz im nigerianischen Bundesstaat Kano

Noch ist das Urteil gegen den Sänger Yahaya Sharif-Aminu nicht rechtskräftig, aber in erster Instanz wurde er zum Tod durch Erhängen verurteilt. Der 22-Jährige soll in einem Lied den Propheten Mohammed beleidigt haben. Darauf steht im Scharia-Recht, das im nigerianischen Bundesstaat Kano und elf weiteren gilt, die Todesstrafe. “Das ist kein alltäglicher Vorgang”, sagt DW-Korrespondent Zaharaddeen Umar: “Seitdem 2001 die Scharia-Gesetze im Norden Nigerias wiedereingeführt wurden, sind auf dieser Grundlage nur zwei Personen wegen Blasphemie-Vorwürfen zum Tode verurteilt worden.” Sharif-Aminu kann noch Berufung einlegen, außerdem muss der Gouverneur das Urteil absegnen.

Wo gilt Blasphemie als Straftat?

Weltweit hat die Initiative End Blasphemy Laws (Blasphemie-Gesetze stoppen) acht Staaten gezählt, in denen Blasphemie mit dem Tod bestraft werden kann. Insgesamt gelten in rund 70 Ländern derartige Gesetze, wobei die Begriffe Blasphemie und Gotteslästerung unterschiedlich eng ausgelegt werden. Solche Rechtsnormen gehen teils zurück auf religiöse Texte – im Alten Testament (Levitikus 24, 16) heißt es etwa: “Wer den Namen des Herrn schmäht, wird mit dem Tod bestraft; die ganze Gemeinde soll ihn steinigen.”

In einigen europäischen Ländern existieren Blasphemie-Paragraphen in den Strafgesetzbüchern, darunter auch in Deutschland. In Irland wurde ein entsprechender Absatz nach einem Referendum 2018 aufgehoben. Auch Kanada, Norwegen, Schweden und die Niederlande haben in jüngerer Vergangenheit ähnliche Paragraphen gestrichen.

Besonders in streng muslimischen Ländern gibt es bis heute viele derartige Gesetze – in Pakistan wurden laut der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) seit 1991 mehr als 650 Christen angeklagt. Die IGFM beklagt, dass viele Menschen auch ohne Anklage auf einen Verdacht hin getötet worden seien, auch seien Richter nach Freisprüchen Opfer von Lynchjustiz geworden. In Pakistan ergehen Todesurteile oft trotz zweifelhafter Beweislage – im Fall eines Universitätsdozenten sprachen die Vereinten Nationen im Dezember von einem “Hohn auf die Gerechtigkeit”.

Was sind bekannte Fälle?

Das Todesurteil wegen Gotteslästerung gegen die pakistanische Christin Asia Bibi war 2010 das erste gegen eine Frau – und für sie selbst der Auftakt einer langen Leidensgeschichte. 2009 soll Bibi, damals 44 Jahre alt, gegenüber muslimischen Feldarbeiterinnen den Propheten Mohammed beleidigt haben. Nach neun Jahren Haft, davon acht in einer Todeszelle, wurde sie im Herbst 2018 aufgrund mangelnder Beweise freigesprochen. Trotzdem dauerte es noch ein halbes Jahr, bis sie nach einigen Wendungen freikam und nach Kanada ausreisen konnte.

Ein Poster wirbt für die Freilassung von Asia Bibi

Ein anderer bekannter Fall ist der des Internet-Aktivisten Raif Badawi. Er hatte in mehreren Texten für Religionsfreiheit in seinem Heimatland Saudi-Arabien geworben. Ein Gericht sah darin eine “Beleidigung des Islam” und verurteilte Badawi 2013 zu zehn Jahren Gefängnishaft, 1000 Peitschenhieben – die teils öffentlichkeitswirksam vollstreckt wurden – und einer Geldstrafe.

Kampf für die Freiheit: Haidar Badawi mit einem Porträt ihres Mannes im EU-Parlament in Straßburg

Internationale Aufmerksamkeit erregten auch die insgesamt zwölf Mohammed-Karikaturen, die 2005 in der dänischen Tageszeitung “Jyllands-Posten” erschienen. Im Islam gilt ein Bilderverbot, und weil dänische muslimische Organisationen die Zeichnungen darüberhinaus als Verspottung des Propheten empfanden, verklagten sie die Zeitung auf Basis des dortigen Blasphemie-Paragraphen. Gut zwei Monate später stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Die Karikaturen zogen heftige internationale Proteste – teils mit Todesopfern – nach sich, im Nahen und Mittleren Osten wurden mehrere westliche Botschaften wurden gestürmt, Attentate auf Karikaturisten geplant und vereitelt.

Wie ist die Lage in Deutschland?

Im deutschen Strafgesetzbuch (StGB) droht Paragraph 166 mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe für denjenigen, der “den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören”. Der Paragraph wird jedoch nur selten angewandt – selbst die Aktivistin, die in der Weihnachtsmesse 2013 auf den Altar des Kölner Doms sprang, den nackten Oberkörper mit dem Spruch “I am God” bepinselt, wurde lediglich wegen Störung der Religionsausübung belangt. Eines der jüngsten rechtskräftigen Blasphemie-Urteile stammt aus dem Jahr 2006: Das Amtsgericht im westfälischen Lüdinghausen verurteilte einen Rentner zu einer einjährigen Haftstrafe auf Bewährung, weil er als “Koran” etikettierte Klopapierrollen in Umlauf gebracht hatte. 

In Pakistan ergehen immer wieder Todesurteile wegen Blasphemie

Freigesprochen wurde 2017 jedoch ein pensionierter Lehrer, der Sprüche wie “Jesus – 2000 Jahre rumhängen. Und noch immer kein Krampf!” auf seinem Auto angebracht und dieses vor Kirchen geparkt hatte. Das Landgericht Münster erkannte in diesem Spruch jedoch keine Beschimpfung im Sinne des Blasphemie-Paragraphen.

Dass der Paragraph in naher Zukunft abgeschafft wird, gilt als unwahrscheinlich: Die aktuellen Regierungsparteien CDU und SPD haben sich in der Vergangenheit dafür ausgesprochen, ihn beizubehalten. Die CSU würde ihn sogar gerne verschärfen.