Das Homeoffice bleibt uns erhalten

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Jahrelang fristete das Homeoffice ein Schattendasein. Dann zwang die Corona-Pandemie Chefs und Mitarbeiter zum Umdenken. Experten sind sich einig: Das Corona-Homeoffice ist nur der Vorgeschmack auf eine neue Normalität.

Geht es nach Oliver Bäthe, dann geht der Siegeszug des Homeoffice auch nach dem Ende der Corona-Pandemie weiter. Der Chef des Versicherungs-Riesen Allianz gerät fast ins Schwärmen, wenn er über die Erfahrung seines Unternehmens spricht, das weltweit mehr als 140.000 Menschen beschäftigt,

Innerhalb weniger Tage habe die Allianz im März 90 Prozent der Arbeit ins Homeoffice verlegt, sagte er Anfang Juli im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters. Damals wurden bei der Allianz alle Dienstreisen abgesagt. Aus den Erfahrungen habe man gelernt, so Bäthe. Auch er werde künftig teilweise von zu Hause arbeiten, weil auch er dort manchmal erheblich produktiver sei.

Bäthe geht davon aus, dass sich die Büroflächen des Allianz-Konzerns auf längere Sicht um ein Drittel reduzieren ließen. Und von den Reisekosten ließen sich dauerhaft 50 Prozent einsparen. ”Wir brauchen die ganzen Reisen nicht mehr.”

Künftiger Siemens-Chef Roland Busch: “Führungsstil, der sich an Ergebnissen orientiert, nicht an der Präsenz im Büro”

Neue Normalität bei Siemens

Auch beim Siemens-Konzern steht die Entscheidung fest, dass nach der Corona-Pandemie nicht mehr alle Mitarbeiter jeden Tag in ihr früheres Büro kommen müssen. Der Vorstand hat bereits vor Wochen ein “New Normal Working Model” verabschiedet, das ortsunabhängiges Arbeiten in viel größerem Maßstab möglich machen soll.

“Ziel ist, dass alle Beschäftigten weltweit im Schnitt zwei bis drei Tage pro Woche mobil arbeiten können – und zwar immer dann, wenn es sinnvoll und machbar ist”, teilte der Münchner Technologiekonzern Mitte Juli mit. “Damit verbunden ist auch ein anderer Führungsstil, der sich an Ergebnissen orientiert, nicht an der Präsenz im Büro”, sagte der designierte Vorstandschef Roland Busch.

Flexibel in die Post-Corona-Ära

Bei dem Konzept gehe es ausdrücklich nicht nur um Arbeiten am heimischen Schreibtisch, wie es in der Coronakrise wegen der Ansteckungsgefahr für bis zu 300.000 Siemens-Mitarbeiter Alltag geworden war. Jeder Mitarbeiter solle in Absprache mit seinen Chefs den Arbeitsort wählen, an dem er am produktivsten sei. Das könnten auch gemeinsame Büros außerhalb der Siemens-Standorte sein, etwa wenn der Weg dorthin kürzer ist.

Absprachen seien etwa durch Online-Konferenzen möglich, von denen es schon jetzt bei Siemens über 800.000 pro Tag gebe. “Präsenz-Zeiten im Büro sollen das mobile Arbeiten sinnvoll ergänzen”, unterstreicht der Siemens-Konzern.

Die Pandemie habe gezeigt, dass das mobile Arbeiten in weit größerem Rahmen möglich ist als bisher gedacht und sogar viele Vorteile biete, erklärte Siemens. Das Konzept wurde während der Corona-Pandemie erarbeitet und man sei bereits dabei, es für mehr als 140.000 Mitarbeiter an rund 125 Standorten in 43 Ländern umzusetzen, so Siemens.

Zukunfts-Trend auch nach Corona: Leere Büroetagen, wie hier in Berlin?

Umfragen bestätigen Homeoffice-Trend

Die Allianz und Siemens liegen dabei voll im Trend: Auch viele andere deutsche Unternehmen wollen einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zufolge nach der Corona-Krise am Homeoffice festhalten. Und das nicht nur im Dienstleistungsbereich, sondern auch im verarbeitenden Gewerbe. Vor der Pandemie haben Beschäftigte in der Chemie-, Automobil- und Maschinenbaubranche nur in jeder vierten Firma regelmäßig von zuhause aus gearbeitet, so das Ergebnis der ZEW-Studie.

Im unternehmensnahen Dienstleistungsbereich sind es mittlerweile mehr als 50 Prozent und im verarbeitenden Gewerbe mehr als 40 Prozent der Unternehmen, die auch künftig aufs Homeoffice setzen wollen.

“Die flächendeckende Erkenntnis, dass zusätzliche Tätigkeiten ins Homeoffice verlagert werden können, verstärkt den Impuls, den die Corona-Krise auf die Verbreitung ortsflexibler Arbeit ausübt. Aufgrund der neuen Erfahrungen und Erkenntnisse planen viele Unternehmen, das Homeoffice auch nach der Krise intensiver zu nutzen als vor dem Beginn der Corona-Pandemie”, sagt Studienautor Daniel Erdsiek, beim ZEW für den Forschungsbereich Digitale Ökonomie zuständig.

Dabei musste etwa jedes dritte Unternehmen kurzfristig in neue Technologien investieren, um während der Krise das Homeoffice zu nutzen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage unter etwa 1800 Unternehmen aus der Informationswirtschaft und des verarbeitenden Gewerbes, die das ZEW im Juni 2020 durchgeführt hat.

Die Allianz will ihre Büroflächen um rund ein Drittel verringern

“Insbesondere in größeren Unternehmen führt die Corona-Pandemie zu einer langfristigen Ausweitung der Homeoffice-Angebote. So rechnen etwa 75 Prozent der Unternehmen in der Informationswirtschaft ab 100 Beschäftigten mit einer dauerhaften Ausweitung der Heimarbeit”, sagt Daniel Erdsiek. Bei den Unternehmen mittlerer Größe liegt dieser Wert hingegen bei 64 Prozent und bei den kleinen Unternehmen mit fünf bis 19 Beschäftigten bei 40 Prozent. Im verarbeitenden Gewerbe rechnet mehr als die Hälfte der großen Unternehmen mit dauerhaft vermehrtem Homeoffice durch die Krise.

Aber nicht alle deutschen Großkonzerne setzen so stark aufs Homeoffice wie Allianz und Siemens. Beim weltweit größten Rückversicherer Munich Re arbeitet derzeit etwa die Hälfte der Mitarbeiter im Büro in der Münchener Konzernzentrale. Ihr Anteil soll schrittweise wieder erhöht werden, um eine “geregelte Rückkehr ins Büro sicherzustellen”, gab das Unternehmen gegenüber der Münchener Abendzeitung an.

Homeoffice bis Sommer 2021 bei Facebook

In den besonders stark von der Pandemie getroffenen USA werden die Unternehmen dagegen wohl noch länger dazu gezwungen sein, ihre Mitarbeiter durch Heimarbeit zu schützen. Das welt größte soziale Netzwerk Facebook erlaubt seinen Mitarbeitern noch bis mindestens Juli 2021, von zuhause aus zu arbeiten.

Außerdem bekommen die Beschäftigten zur besseren Ausstattung jeweils1000 Dollar, wie eine Firmensprecherin mitteilte. Damit folgt Facebook anderen Technologie-Konzernen wie Google und Twitter, die ähnlich vorgehen. Facebook zufolge ist es unwahrscheinlich, dass viele Büros in den USA und Lateinamerika noch in diesem Jahr wieder öffnen, denn die Corona-Infektionszahlen sind noch immer sehr hoch.