Musiker wollen Donald Trump ihre Songs verbieten

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Musiker wie Neil Young, die Rolling Stones und R.E.M. wollen verhindern, dass Trump weiter ungefragt ihre Songs einsetzt. Doch hat ihre Kampagne Erfolg?

Make America Great Again – mit Musik?

Bruce Springsteen gegen Ronald Reagan, Bobby McFerrin gegen George H.W. Bush, Sting gegen George W. Bush und Jackson Browne gegen John McCain: Dass Musiker in den USA gegen – meist konservative – Politiker vorgehen, weil diese ihre Musik gegen ihren Willen bei Wahlkampfveranstaltungen spielen, ist nichts Neues.

Oft scheitern Klagen von Musikern

Doch seit Donald Trump 2015 mit seinen pompösen Kundgebungen im Wahlkampf mitmischt, ist es Volkssport geworden, dass Popstars gegen den Politiker klagen. Die beispiellose Welle von Unterlassungsaufforderungen wurde zum Merkmal von Trumps Präsidentschaft. Zu ihr gehören Klagen von Neil Young, den Rolling Stones, Adele, Rhianna, Pharrell Williams und Tom Petty. Doch die Möglichkeiten waren bisher sehr begrenzt.

Der kanadisch-amerikanische Musiker Neil Young hat diese Woche Donald Trump verklagt. Er wirft ihm Urheberrechtsverletzungen vor. Bei der kontrovers diskutierten und wenig besuchten Wahlkampfveranstaltung am 5. Juli in Tulsa, Oklahoma, wurden seine Songs “Rockin’ in the Free World” und “Devil’s Sidewalk” gespielt.

Youngs Anwälte schrieben in der Klageschrift, dass der Künstler “mit gutem Gewissen nicht zulassen kann, dass seine Musik als ‘Titelsong’ genutzt werde für eine die Gesellschaft spaltende, unamerikanische Wahlkampagne voller Ignoranz und Hass”.

Doch mit seiner Forderung auf 150.000 US-Dollar Schadenersatz wird Young wahrscheinlich scheitern.


  • Musik im Präsidenten-Wahlkampf

    George Washington – “God Save Great Washington“

    George Washington war der erste Präsidentschaftskandidat, der ein Lied in seinem Wahlkampf einsetzte. “God Save Great Washington” gilt als persönliche Hymne des ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten. Man übernahm kurzerhand die Melodie der britischen Hymne “God Save The King” (heute “God Save The Queen”) und ersetzte das Wort “King” mit dem Namen des Präsidenten.


  • Musik im Präsidenten-Wahlkampf

    John F. Kennedy im Wahlkampf 1960 – Frank Sinatra “High Hopes”

    Der Oscar-prämierte Frank Sinatra-Hit “High Hopes” aus dem Jahr 1959 erhielt für den Wahlkampf von John F. Kennedy 1960 einen neuen Text von Sammy Cahn und wurde zum offiziellen Wahlkampf-Jingle.


  • Musik im Präsidenten-Wahlkampf

    Ronald Reagan im Wahlkampf 1984 – Bruce Springsteen “Born In The U.S.A.”

    Die Songauswahl für Reagans Wahlkampf 1984 gilt als größter Fehlgriff in der Geschichte der Wahlkampfsongs. “Born In The U.S.A.” ist nicht so patriotisch, wie man zunächst annehmen könnte. Bruce Springsteen distanziert sich in dem Song vom Vietnamkrieg und kritisiert die damalige US-Regierung und ihren Umgang mit den Kriegsveteranen.


  • Musik im Präsidenten-Wahlkampf

    Bill Clinton im Wahlkampf 1992 – Fleetwood Mac “Don’t Stop”

    Hinter der Auswahl dieses Songs soll folgende taktische Überlegung stecken: “Don’t Stop (Thinking About Tomorrow)” wurde 1977 veröffentlicht und war damals besonders bei jungen Amerikanern beliebt. 15 Jahre später gehören die Fleetwood Mac-Fans von damals zu den Wählern mittleren Alters, also zu der Generation mit besonders hoher Wahlbeteiligung.


  • Musik im Präsidenten-Wahlkampf

    George W. Bush im Wahlkampf 2000 – Tom Petty “I Won’t Back Down”

    Tom Petty protestierte gegen die Nutzung seines Songs und verbot dem Republikaner George W. Bush, das Lied zu verwenden. Im Jahr 2020 gab es dann erneut Ärger. Der amtierende US-Präsident Donald J. Trump ließ den Song bei einem Wahlkampf-Auftritt in Tulsa (Oklahoma) spielen. Die Erben des mittlerweile verstorbenen Musikers schickten Trump daraufhin eine Unterlassungserklärung.


  • Musik im Präsidenten-Wahlkampf

    Barack Obama im Wahlkampf 2008 – Stevie Wonder: “Signed, Sealed, Delivered… I’m Yours”

    “Signed, Sealed, Delivered” von Stevie Wonder erklang im Wahlkampf 2008 regelmäßig nach den Reden von Barack Obama. Die Botschaft an seine Wähler: “Ich gehöre Euch!” Obama hatte große Teile der Popkultur hinter sich: Bruce Springsteen, Beyoncé oder Katy Perry gehörten dazu. Rapper und Produzent will.i.am von den Black Eyed Peas produzierte eigens den Track “Yes We Can” zu seinen Ehren.

    Autorin/Autor: Dagmar Schönowsky


Christian Seyfert, Anwalt für Urheber- und Medienrecht mit Kanzlei in Frankfurt am Main in Deutschland, sagt, dass die Klage “keine solide Grundlage” habe: denn Youngs Label sei wahrscheinlich Mitglieder von Verwertungsgesellschaften wie der “American Society of Composers, Authors and Publishers” (ASCAP) und “Broadcast Music, Inc.” (BMI). Und von denen habe die Firma, die Trumps Wahlkampf organisiert, vermutlich eine Lizenz zur Nutzung der Songs erworben.

“Und als Mitglied der Verwertungsgesellschaften hätten Neil Young und seine Verleger die Nutzungsrechte seiner Musik an eben diese übertragen”, sagte Seyfert im Gespräch mit der DW.

Die Rolling Stones haben eine Lösung

Ähnlich ist es den Rolling Stones ergangen. Als Trump mit den Gitarrenriffs des Stones-Klassikers “You Can’t Always Get What You Want” die Bühne in Tulsa verließ, hat das das Fass für die Stones zum Überlaufen gebracht. Trotz etlicher Unterlassungsklagen der Band hat Trump den Song seit 2016 immer wieder bei Wahlkampfkundgebungen genutzt.

In einem Interview mit “Deadline”, einem US-amerikanischem Unterhaltungsportal, gab BMI zu, dass die Trump-Kampagne tatsächlich auch über eine Lizenz verfüge, die die Nutzung der Musik im politischen Kontext erlaube. Diese Lizenz ermögliche “die öffentliche Aufführung von mehr als 15 Millionen Musiktiteln aus dem Repertoire von BMI, unabhängig davon, wo die Veranstaltungen stattfindet”. BMI fügte jedoch hinzu, dass es eine Bestimmung gebe, “die es BMI erlaubt, musikalische Werke auszuschließen, wenn ein Songwriter oder Verleger Einwände gegen die Verwendung bei einer Wahlkampfveranstaltung hat”.

Populismus mit Musik: Donald Trump unterlegte seine Wahlveranstaltung in Tulsa mit unzähligen Songs von Künstlern, die dazu nie ihr Einverständnis gegeben hatten

Diese Einwände haben die Rolling Stones nun erhoben. Die Folge: Ihre Songs dürfen nun nicht mehr für politische Zwecke eingesetzt werden. Eine solche Nutzung stellt nun einen Verstoß gegen die Lizenzvereinbarung dar – ob das vor einem Gericht Bestand hat, ist bis jetzt allerdings noch unklar.

“Neil Young sollte dasselbe tun”, sagt Rechtsanwalt Seyfert. “Er könnte seiner Verwertungsgesellschaft sagen, dass er seinen Vertrag mit ihr kündigen wird, wenn diese sein Liedmaterial weiterhin für politische Zwecke lizenziert.

Ein solches Vorgehen könnte auch die Streitigkeiten um das musikalische Erbe von Tom Petty lösen: Denn der Song “I Won’t Back Down” des 2017 verstorbenen US-Künstlers wurde trotz Unterlassungsklage in Tulsa gespielt. Seine Familie sprach sich in einem Tweet vehement dagegen aus und stellte klar, dass sich der Musiker nie dafür hergegeben hätte. “Wir glauben an Amerika und wir glauben an die Demokratie”, schreiben die Hinterbliebenen, Trump repräsentiere aber keinen der noblen Werte, die dahinter stünden. 

Künstler wollen nicht mit Trumps Populismus zu tun haben

Laut dem US-amerikanischen Anwalt Greg Kanaan, der seine Kanzlei in Connecticut hat, geht es hier nicht um Urheberrecht oder Lizenzvereinbarungen. Stattdessen handele es sich um ein Problem, das den Ruf eines Künstlers, sein Marke, betrifft.

“Wenn die Verwendung eines Liedes durch einen Politiker beim Käufer der Musik den Eindruck erweckt, der Musiker würde den Politiker unterstützen, und wenn diese Verbindung dem Ruf des Musikers dann schadet”, könnten die Künstler auf ein Gesetz zur Regelung von Markenrechtsverletzungen zurückgreifen. Dies sei als “The Lantham Act” bekannt, schrieb Anwalt Kanaan 2015 in seinem Blog.

Damals wurde der gerade gestartete Wahlkampf von Donald Trump von einer Welle an Unterlassungsklagen wegen unerlaubter Musikverwendung überzogen – unter anderem von der Band R.E.M., deren Hit “It’s the End of the World as We Know It” bei einer Trump-Kundgebung in Washington D.C. gespielt wurde. “Verwenden Sie weder unsere Musik noch meine Stimme für Ihr schwachsinniges Affentheater von Wahlkampagne”, schrieb Frontmann Michael Stipe in einer E-Mail.

Doch Klagen auf Markenrechtsverletzungen hatten in der Vergangenheit vor Gericht fast nie Erfolg, erklärt US-Anwalt Kanaan. Es  sei eben schwer zu ermessen, welchen Eindruck die Verwendung eines Musikstücks für politische Zwecke auf potenzielle Käufer mache.

“Die meisten Leute”, so schrieb er in dem Blogeintrag, “gehen nicht davon aus, dass R.E.M. Trump unterstützt, selbst wenn die Lieder der Band während seiner Kundgebungen prominent gespielt werden. Wir alle wissen, dass der Musikgeschmack nicht von den politischen Neigungen bestimmt wird; die Menschen mögen einfach die Musik, die ihnen gefällt.”

Das hielt R.E.M.-Bassist Mike Mills jedoch nicht davon ab, im Januar zu twittern, dass die Band nicht gutheißt, dass Trump ihre Musik weiterhin ohne Zustimmung spielt.

Im Januar hat Twitter-Chef Jack Dorsey einen Tweet von Donald Trump löschen lassen: Das Parodie-Video, das die US-Demokraten verspottet, ist mit dem R.E.M.-Song “Everybody Hurts” hinterlegt. Es heißt, Mills hätte Dorsey zu dem Schritt bewegt.

#AskFirst: Musiker wollen gefragt werden

In einem öffentlichen Brief fordert die Artist Rights Alliance (ARA) nun von den großen politischen Parteien, “klare Richtlinien aufzustellen, die vorschreiben, dass vor der öffentlichen Nutzung eines Musiktitels in einem politischen Kontext oder bei einer Wahlkampfveranstaltung die Zustimmung der Künstler, Songwriter und Urheberrechtsinhaber der jeweiligen Aufnahmen eingeholt werden muss.” Kurz: Die Vereinigung fordert Politiker auf, vor der Nutzung der Musik erst zu fragen: #AskFirst. 

Die Tatsache, dass Pop-Größen wie Mick Jagger, Keith Richards, Elton John, Steven Tyler, Sheryl Crow und Lionel Richie den Brief unterzeichnet haben, zeigt, dass sie rechtlich sonst relativ wenig tun können. 

Der öffentliche Brief der ARA verfolge das Ziel, die Kampagnenmacher in den USA schlecht aussehen zu lassen, so der deutsche Anwalt Christian Seyfert. “Aber er hat keine rechtlichen Konsequenzen, wenn diese die Songs trotzdem nutzen wollen und die jeweiligen Verwertungsgesellschaften den Wahlkampfteams trotzdem Nutzungslizenzen verkaufen.”