Schule trotz Corona – wie soll das funktionieren?

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Mancherorts enden in Deutschland schon die Sommerferien. Das neue Schuljahr soll im Regelbetrieb starten. Doch “normal” wird es an den Schulen nicht zugehen – wie das Beispiel Mecklenburg-Vorpommern zeigt.

Schülerinnen und Schüler einer vierten Klasse im Mai in Frankfurt am Main

In Deutschland dürften viele Eltern mit Schulkindern dieser Tage nach Mecklenburg-Vorpommern schauen. Im Bundesland an der Ostsee geht am Montag die Schule wieder los. In den 16 Bundesländern liegen die Sommerferien zu unterschiedlichen Zeiten, von Juni bis September gestreckt, damit nicht alle gleichzeitig in den Ferien sind. Mecklenburg-Vorpommern war Nummer eins auf der Ferien-Liste. Nun beginnt hier der große Test.

An 563 Schulen sollen 152.700 Schülerinnen und Schüler von Montag bis Freitag “normal”, mindestens aber vier oder fünf Stunden unterrichtet werden. Selbst Musik- und Sportunterricht ist wieder erlaubt.

Das sei machbar, weil es nur wenige aktive COVID-19-Fälle gebe, hieß es von der Landesregierung. Mecklenburg-Vorpommern zählt bundesweit die niedrigsten Infektionszahlen. Doch “normal” wird es trotzdem nicht zugehen.

Infektionen verhindern

Strenge, landesweit gültige Hygieneregeln an den Schulen sollen eine Ausbreitung der Pandemie verhindern. Begrüßung mit Hautkontakt – verboten. Mit den Händen ins Gesicht fassen – möglichst vermeiden. Lüften – nach jeder Unterrichtsstunde. Keine Treppengeländer anfassen – und natürlich Händewaschen! Desinfektionsmittel sollen nur im Einzelfall eingesetzt – dann aber nicht versprüht, sondern dem Wischwasser zugesetzt werden. Eine Maskenpflicht gibt es nicht. Die Lehrerschaft kann sich kostenlos auf das Coronavirus testen lassen.

Unterricht nur mit Hygienemaßnahmen: Ein Aufkleber in einer Schule in Rostock mahnt zum Abstandhalten

Neu ist auch: Die Schülerschaft muss neu organisiert werden. In der Regel zwei Jahrgangsstufen – zum Beispiel die 5. und 6. Klassen – sollen eine Art Kohorte bilden. Diese kann bis zu einigen hundert Schülern groß sein. Untereinander sollen sich die Kohorten möglichst nicht begegnen – dafür sind innerhalb der Kohorten die Abstandsregeln obsolet. Um das zu gewährleisten, finden Unterrichtsstunden leicht zeitversetzt statt. Es gibt pro Kohorte eigene Bereiche auf dem Pausenhof, in Garderobe und Kantine. Die Idee dahinter: Sollte es Infektionen geben, dann muss vielleicht nur die jeweilige Kohorte in Quarantäne geschickt werden – und die anderen können weitermachen.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) als oberste Gesundheitsbehörde hatte eine solche strikte Trennung von Gruppen in den Schulen angeraten. Es sei jetzt wichtig, die Klassenverbände zusammen zu halten, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler. So solle das Ansteckungsrisiko gesenkt und eine mögliche Infektionskette leichter nachvollziehbar werden.

Distanz-Unterricht eingeplant

Online-Unterricht für Zuhause, von den dortigen Behörden “Distanz-Unterricht” genannt, soll in Mecklenburg-Vorpommern zunächst die Ausnahme sein. “Ergänzender Distanz-Unterricht findet überwiegend als digitales Lernen statt und dient vorwiegend dem Üben sowie Festigen”, heißt es dazu in einem Erlass des Bildungsministeriums. Dabei soll “der Grad des selbstorganisierten Lernens entsprechend der individuellen Lernentwicklung vom Primarbereich bis zur gymnasialen Oberstufe zunehmen”. Heißt: Für 1. und 2. Klassen sind nur drei von 40 Wochenstunden Distanz-Unterricht vorgesehen. In den Klassenstufen 7 bis 9 dürfen es schon 26 von insgesamt 101 Wochenstunden sein.

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Nach Angaben des Bildungsministeriums wird der Distanz-Unterricht zunächst vor allem dort verstärkt eingesetzt, wo nicht genug Lehrerinnen und Lehrer zum Präsenz-Unterricht kommen können, weil sie zur Risikogruppe gehören. Natürlich wolle man aber mit den Plänen auch schon ein Gerüst für den Fall steigender Infektionszahlen anbieten, sagt Pressesprecher Henning Lipski. Damit das technisch-organisatorisch dann auch klappe, habe sich in den letzten Wochen einiges getan.

Neue Unterrichtsmaterialien

So wird den Schulen jetzt ein cloudbasiertes kommerzielles Lernmanagement-System aus Norwegen angeboten. Laut Website ist das Produkt dort bereits seit 20 Jahren auf dem Markt.

Zudem würden dieser Tage zehn Millionen Euro aus dem Digital-Pakt der Bundesregierung an die Kommunen verteilt, sagt Lipski. Mit dem Geld sollen vor Ort Laptops oder andere Geräte gekauft werden, die sich Schüler ausleihen können. Zuletzt hatte es bundesweit immer wieder Warnungen gegeben, dass ärmere Kinder oft keinen Computer hätten, um am Online-Unterricht teilzunehmen.

Ein weiterer Punkt der Debatte um das digitale Lernen: Wie machen sich die Lehrkräfte – oftmals selbst keine Digital Natives – eigentlich fit für den Online-Unterricht? 2000 Lehrkräfte hätten inzwischen in Mecklenburg-Vorpommern an Online-Schulungen teilgenommen, heißt es. Das Land habe dafür Lizenzen bei einem Startup aus dem EdTech-Bereich gekauft. Dort könne man sich zum Beispiel in “digitaler Didaktik” fortbilden.

Wie gefährlich wird das?

Sollte es zu neuen Ansteckungen kommen, sind es in Deutschland nicht die Schulen, die entscheiden, wie es weitergeht, sondern die lokalen Gesundheitsämter. Ob also eine Klasse unter Quarantäne gestellt oder eine ganze Schule geschlossen werden muss. Großflächige Schulschließungen wie im Lockdown geschehen sollen wenn möglich vermieden werden – da ist sich die Politik einig.

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Auch viele Ärzte befürworten einen möglichst “normalen” Unterricht. Auch weil Schulen sowieso vergleichsweise als wenig gefährdet eingestuft werden. Im Bundesland Sachsen wurden im Mai und Juni 2600 Schüler und Lehrer getestet – eine der ersten Studie dieser Art. Laut Studienleiter Wieland Kiess, Chef der Leipziger Uni-Klinik, sei unter den Teilnehmern keine einzige akute Infektion festgestellt worden. Weniger als 20 hatten Antikörper im Blut, also Hinweise auf eine überstandene Infektion.

Kinder seien keine herausragende Infektionsquelle für Erwachsene, sagt Kiess. Er spreche sich deshalb gegen flächendeckende Schulschließungen aus, sollten neue Fälle aufflammen. Denn ein erneuter Schul-Lockdown wäre nicht gut für die Entwicklung der Kinder und verursache körperliche und psychische Folgeprobleme. Mit dieser Meinung ist Kiess nicht allein, sie wird auch von der Bundesärztekammer vertreten.