Gastkommentar: Corona bedroht Frauengesundheit und Familienplanung in Afrika

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Das Bevölkerungswachstum Afrikas stellt die Entwicklungsarbeit vor enorme Herausforderungen. In der Pandemie werden nun ausgerechnet die reproduktiven Rechte vernachlässigt, warnt Evelyn Samba zum Weltbevölkerungstag.

Öffentlichkeitsarbeit für Familienplanung, sexuelle Aufklärung und HIV-Vermeidung in Uganda

Mit rund 320.000 bestätigten COVID-19-Fällen auf dem ganzen Kontinent ist Afrika bisher nicht so hart von der Pandemie getroffen worden wie andere Weltregionen. Viele afrikanische Regierungen haben bereits Maßnahmen ergriffen, um ihre Volkswirtschaften zu stützen und die Bürger vor Verdienstausfällen zu schützen.

Hingegen sind Diskussionen über die Auswirkungen von COVID-19 auf andere Bereiche des Lebens weitgehend vernachlässigt worden. So zum Beispiel die Familienplanung sowie die Gesundheit von Frauen und Mädchen, die von geschlechtsspezifischer Gewalt bedroht sind. Das hat bereits jetzt schlimme Auswirkungen in Form von zunehmenden ungewollten Schwangerschaften, und insgesamt für Mütter, Neugeborene, Kinder und Jugendliche in Afrika.

Mehr HIV und ungewollte Schwangerschaften

Wenn Ärzte, insbesondere Frauenärzte, in Afrika nur noch eingeschränkt aufgesucht werden können, erhöht sich das Risiko für schwangere Frauen und ihre Familien: Mehr unsichere Geburten, weniger Zugang zu Verhütungsmitteln und damit ein größeres Risiko, sich mit sexuell übertragbaren Krankheiten zu infizieren. All das hat auch langfristige Auswirkungen auf Frauen, ihre Familien und die Gesellschaft.

Evelyn Samba, Deutsche Stiftung Weltbevölkerung

In Simbabwe ging die Zahl der durchgeführten Kaiserschnitte bereits um 42 Prozent zurück, und im April fanden im Vergleich zum Vorjahr nur noch 15 Prozent der Geburten mit medizinisch fachkundigem Personal statt. Der Zugang zu Verhütungsmitteln ist in vielen Gebieten um 90 Prozent zurückgegangen. In einigen Teilen Kenias konnte nur noch ein Viertel der schwangeren Frauen eine Mütterberatungsstelle aufsuchen.

Die weitaus meisten Afrikanerinnen sind im Bereich der reproduktiven Gesundheit auf die öffentlichen Gesundheitseinrichtungen angewiesen. Doch der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) hat in einem Bericht festgestellt, dass in Krisenzeiten die Bedürfnisse im Bereich der reproduktiven Gesundheit mit als erstes vernachlässigt werden.

Recht auf Familienplanung auch in der Pandemie

Doch selbst während der COVID-19-Pandemie müssen afrikanische Regierungen genau diese Dienstleistungen weiterhin anbieten. Das bedeutet, dass der öffentliche Gesundheitssektor in der Lage sein muss, Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, sexuell übertragbare Infektionen einschließlich HIV und andere Probleme bei Sexualität und Kinderwunsch zu behandeln sowie den Zugang zu Verhütungsmitteln sicher zu gewährleisten. Hebammen müssen in der Lage sein, Frauen zu besuchen, Informationskampagnen müssen fortgesetzt werden – auch wenn alle eine Gesichtsmaske tragen – und Kondome müssen auch an entlegenen Orten verteilt werden. Und selbst während der Pandemie haben afrikanische Frauen (und ihre Partner) das Recht auf ein befriedigendes und sicheres Sexualleben – und sie müssen entscheiden können, ob und wann sie Kinder haben wollen.

Wenn dies nicht gesichert ist, ist in den Ländern Afrikas mit einem Anstieg sexuell übertragbarer Infektionen einschließlich HIV, mit einer Zunahme unbeabsichtigter Schwangerschaften und damit unsicherer Abtreibungen sowie mit einem Anstieg der Todesfälle bei Müttern und Neugeborenen zu rechnen.

Kein Geld für das Gesundheitswesen

Schon vor der Pandemie hatten viele afrikanische Regierungen mit Problemen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit zu kämpfen. Vielerorts ist es nicht gelungen, das Gesundheitswesen ausreichend zu finanzieren – einschließlich der sexuellen und reproduktiven Gesundheitsversorgung. Trotz mancher Fortschritte im Laufe der Jahre kommen viele afrikanische Frauen und Mädchen bis heute immer noch nicht in den Genuss ihrer reproduktiven Rechte. Viel zu viele Frauen haben keinen Zugang zu modernen Verhütungsmitteln, zu viele Jugendliche und junge Menschen werden ungewollt schwanger oder infizieren sich mit HIV. Die Müttersterblichkeit ist nach wie vor inakzeptabel hoch. Auf die afrikanischen Länder südlich der Sahara entfielen 66 Prozent der geschätzten weltweiten Müttersterblichkeit im Jahr 2017.

Alltag in Afrika – Untersuchung einer Schwangeren in der Demokratischen Republik Kongo

Über Jahrzehnte erzielte Verbesserungen stehen jetzt auf dem Spiel, wenn wir inmitten der Pandemie nicht auf die reproduktive Gesundheitsversorgung achten.

Umfassende Verpflichtung der Regierungen Afrikas

Hoffnung besteht darin, dass wir die Selbstverpflichtungen der höchsten politischen Funktionsträger für die Verbesserung reproduktiver Gesundheit haben. Auf dem Gipfeltreffen in Nairobi zum 25. Jahrestag der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung (ICPD+25) im Jahr 2019 haben sich die afrikanischen Regierungen umfassend verpflichtet: Sie wollen dringend benötigte Informationen und Dienstleistungen zur Familienplanung bereitstellen, die Müttersterblichkeit senken sowie sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen und schädliche Praktiken verbieten.

Wenn nun die afrikanischen Regierungen die öffentlichen Gesundheitssysteme reorganisieren, um gegen COVID-19 gewappnet zu sein, müssen die Entscheidungsträger zugleich bedenken: Es ist ebenfalls unerlässlich, endlich angemessene Mittel bereitzustellen, um den Bedarf an reproduktiver Gesundheitsversorgung für afrikanische Frauen und ihre Partner zu decken.

Evelyn Samba ist Landesdirektorin der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW) in Kenia. Die NGO arbeitet in mehreren afrikanischen Ländern und in Europa zu Fragen der nachhaltigen und rechtebasierten Bevölkerungsentwicklung. Ein Schwerpunkt liegt auf Beratung und Unterstützung des Zugangs von Frauen und Jugendlichen zu Aufklärung und Mitteln der Familienplanung.