Gibt es ein Recht auf Homeoffice?

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Die Corona-Krise hat die Arbeitswelt auch in Deutschland auf den Kopf gestellt. Mussten für Homeoffice-Jobs früher extra Vereinbarungen getroffen werden, hat das Virus Hunderttausende zur Arbeit von zu Hause verdammt.

Für den Arbeitgeberpräsidenten ist die Sache klar: Pläne des Bundesarbeitsministers für ein “Recht auf Homeoffice” seien “blanker Unsinn”, polterte Ingo Kramer am zurückliegenden Wochenende gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Idee sei so angelegt, dass man sich als Arbeitgeber “entschuldigen muss, wenn ich das nicht einrichten kann”. Doch klar ist auch: Die Corona-Krise hat die Arbeitswelt in Deutschland verändert. 

Zahlreiche Unternehmen haben einen Großteil ihrer Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. Eine Umstellung, die vielen anfangs nicht leichtgefallen ist, galt es doch, die Arbeit von Zuhause aus mit Kinderbetreuung und Haushalt zu vereinbaren. Abgesehen von diversen Corona-Hotspots im Land hat sich die Situation mittlerweile stabilisiert, so dass Unternehmen beginnen, ihre Mitarbeiter aus dem Homeoffice ins Büro zurückzuholen. Auf der anderen Seite haben viele Arbeitnehmer – vor allem Pendler – inzwischen Gefallen an der Arbeit zu Hause gefunden.  

Eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) bestätigt das: Viele der von den Forschern befragten 500 Unternehmen planen nach Corona mit mehr Homeoffice. Die übergroße Mehrheit habe gute Erfahrungen mit dieser Arbeitsform gemacht. Allerdings zeigt die Studie auch Defizite auf: Bei vielen verschwimme im Homeoffice die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit.    

So bleibt schließlich die Frage: Gibt es eine Pflicht zur Rückkehr in den Betrieb oder kommt ein “Recht auf Homeoffice”? 

Im Moment braucht es vor allem Schutzkonzepte 

Noch ist die Pandemie nicht vorüber. Darum gelten nach wie vor die Corona-Schutzmaßnahmen. Insofern kann kein Arbeitgeber diese Vorschriften für seinen Betrieb aufheben, betont der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Dr. Boris Dzida von der Kanzlei Freshfields/Bruckhaus/Deringer. “Denn wann Corona in Deutschland beendet ist, das wird letztlich das Robert-Koch-Institut entscheiden. Und solange Corona noch da ist, müssen Arbeitgeber Sorge dafür tragen, dass das Ansteckungsrisiko für Arbeitnehmer im Betrieb soweit wie möglich reduziert wird.”

Das heißt: Unternehmen müssen ein Schutzkonzept für die Mitarbeiter erstellen und umsetzen.

Angst allein vor einer möglichen Ansteckung am Arbeitsplatz genügt keinesfalls, um nicht wieder vom Homeoffice ins Büro zu wechseln. “Etwas anderes gilt aber”, sagt Boris Dzida, “wenn nämlich ein Arbeitnehmer einer Risikogruppe angehört und der Arbeitgeber aufgrund der Art der Tätigkeit kein Schutzkonzept erstellen kann, das den Arbeitnehmer ausreichend schützt.” In solchen Ausnahmefällen, resümiert der Arbeitsrechtler, “kann es durchaus einen Anspruch auf Homeoffice-Arbeit geben.”

Dabei komme es natürlich immer auf die Umstände im Einzelfall an. Wenn solche Mitarbeiter etwa in Einzelzimmern statt in Großraumbüros ihre Arbeit erledigen können, dabei möglichst wenig Kundenkontakten ausgesetzt sind oder in Aufzügen eine Maskenpflicht besteht, dann, so Boris Dzida, “dürfte auch für Risikogruppen eine Pflicht zur Rückkehr ins Büro bestehen.”

Angst allein rechtfertigt kein Home-Office

Wenn es aber aufgrund der Tätigkeit nicht möglich ist, Angehörige von Risikogruppen ausreichend zu schützen, dann könne für diese Arbeitnehmer durchaus “ein Anspruch bestehen, weiterhin im Homeoffice zu arbeiten.” Es kommt somit sowohl auf die Umsetzung der Schutzmaßnahmen im Betrieb als auch auf die Art der ausgeübten Tätigkeit an. In Zweifelsfällen, ob die Schutzvorkehrungen ausreichen, empfehlen Rechtsexperten des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) den Betriebsrat einzuschalten.

Unabhängig von den durch Corona einschneidend veränderten Gegebenheiten am Arbeitsplatz geht es bei der Frage, ob Arbeitgeber ihre Mitarbeiter zur Rückkehr vom Homeoffice ins Büro verpflichten können, auch darum, ob sich dazu Regelungen in einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag finden. Regelungen, die übrigens auch schon vor Corona gegolten haben.

Zwischen Job und Haushalt noch die Hausaufgaben mit der Tochter am Computer.

Ist etwa im Arbeitsvertrag vereinbart, dass der Mitarbeiter an drei Tagen in der Woche von Zuhause aus arbeiten darf, dann kann nach den Worten von Arbeitsrechtler Boris Dzida der Arbeitgeber keine vollständige Rückkehr ins Büro erzwingen. “Denn bei einer entsprechenden Vereinbarung hat man ja ein Recht auf Home-Office.”

Corona macht gesetzliche Regelung erforderlich

Je länger die Pandemie andauert, je länger gelten auch die Schutzvorschriften. Letztlich bedeutet das in vielen Fällen auch eine Verlängerung der Arbeit im Homeoffice. Diese Verlängerung erfüllt nach Ansicht von Boris Dzida aber nicht die Voraussetzungen für eine “betriebliche Übung”. Darunter versteht man im Arbeitsrecht, dass Arbeitnehmer aus einer regelmäßigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen eines Arbeitgebers einen Anspruch ableiten können, dass  auch künftig so verfahren wird.

Bei Corona jedoch, betont Boris Dzida, handele es sich um eine Ausnahmesituation. Insofern bleibt abzuwarten, wie lange diese Ausnahmesituation noch fortbesteht. Der Deutsche Gewerkschaftsbund jedenfalls erwartet, dass der Gesetzgeber alsbald klare Vorgaben für die Arbeit von zu Hause trifft. Schließlich habe die Bundesregierung schon für den Herbst ein Gesetz zum Recht auf Home-Office angekündigt. Heftiger Widerstand der Arbeitgeber dürfte zu erwarten sein.