Zehnkampf-Legende Willi Holdorf ist tot

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Der erste deutsche Olympiasieger im Zehnkampf, Willi Holdorf, ist im Alter von 80 Jahren gestorben. Sein abschließender 1500-Meter-Lauf bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio ist unvergessen.

Er war der erste deutsche “König der Leichtathleten”. Willi Holdorf, der Zehnkampf-Olympiasieger der Spiele von Tokio 1964, starb am Sonntag im Alter von 80 Jahren nach schwerer Krankheit zu Hause im Dorf Achterwehr westlich von Kiel. Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC),  würdigte Holdorf als “Ikone” seiner Sportart: “Wie er bei den Olympischen Spielen in Tokio 1964 mehr über die Ziellinie getaumelt als gelaufen ist, war für mich das prägende Bild der Spiele.”

“Die Beine wollten nicht mehr”

Holdorf war nach neun Disziplinen als Führender in den abschließenden 1500-Meter-Lauf gestartet. 18 Sekunden durfte er maximal auf den zweitplatzierten Esten Rein Aun verlieren, der für die damalige Sowjetunion antrat. Am Ende schleppte sich Holdorf mit letzter Kraft über die Ziellinie, zwölf Sekunden nach Aun. Entkräftet brach er nach dem Lauf zusammen.

Die Konkurrenten halfen Holdorf wieder auf die Beine

“Aun rannte los wie ein Verrückter”, erinnerte sich Holdorf später. “Als ich auf die Zielgerade kam, lief er schon durchs Ziel. Da bin ich noch mal voll angetreten, aber drei, vier Meter vor dem Ziel wurde mir schwarz vor Augen. Dann lag ich hinter der Ziellinie und war im Kopf wieder völlig klar, aber die Beine wollten nicht mehr. Ein eigenartiges Gefühl.” Holdorf, der 1964 zu Deutschlands “Sportler des Jahres” gekürt wurde, überließ später seine Goldmedaille dem Deutschen Sportmuseum in Köln. 2011 wurde er in die “Hall of Fame des deutschen Sports” aufgenommen.

Fußballtrainer und Bobbremser

Nach seinem Olympiasieg beendete Holdorf bereits mit 24 Jahren seine Karriere, da er Geld verdienen musste, um seine Familie zu ernähren. Seine Vielseitigkeit bewies er auch als Trainer. Holdorf führte 1968 den Stabhochspringer Claus Schiprowski zu Olympia-Silber. In den 1970er Jahren arbeitete er auch als Fußballtrainer. In der Rückrunde der Bundesliga-Saison 1974/75 sprang er bei Fortuna Köln ein, konnte den Abstieg des Vereins aber nicht mehr verhindern. Von 1971 bis 1973 war Holdorf zudem Bremser im Zweierbob und Anschieber im Viererbob – und holte mit Horst Floth 1973 EM-Bronze. Später konzentrierte er sich auf seine Arbeit bei einem großen deutschen Sportartikelhersteller.

Siegerehrung: Holdorf mit Rein Aun (l.) und Bronzemedaillengewinner Hans-Joachim Walde (r.), ebenfalls aus Deutschland

Hallo, Herr Olympiasieger!

“Willi war ein toller Sportsmann und ein sehr guter Unternehmer – und für mich ist er einer der wenigen, die das beides geschafft haben. Er war mein Idol”, sagte der frühere DDR-Zehnkämpfer Christian Schenk, dem 1988 in Seoul als bisher einzigem Deutschen neben Holdorf ein Olympiasieg in der Königsdisziplin der Leichtathletik gelang: “Wir haben uns ab und zu gesehen und dann immer mit ‘Hallo, Herr Olympiasieger’ gegrüßt.”

Auch der aktuelle Weltmeister Niklas Kaul würdigte Holdorf. “Wenn man mit dem Zehnkampf anfängt, dann gibt es ein paar große Namen”, sagte der 22-Jährige, der 2019 überraschend den WM-Titel gewonnen hatte. “Willi Holdorf stand da ganz, ganz oben.”