Schweinegrippe: Neues H1N1 Virus mit Pandemie-Potential

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Chinesische Virologen haben einen neuen Subtyp des Virus H1N1 entdeckt, der sich seit 2016 in Schweinebeständen vermehrt hat. Auch bei Schweinezüchtern konnten Antikörper gegen das Virus bereits nachgewiesen werden.

Die gute Nachricht vorweg: Zwar haben sich gut ein Zehntel der für die Studie untersuchten Schweinezüchter mit dem neuen Genotyp 4 (G4) des Schweinegrippe-Virus H1N1 infiziert. Dies hat jedoch bisher zu keiner neuen gefährlichen Grippewelle geführt.

Carl Bergstrom, Biologe an der Universität Washington stellte auf Twitter klar, dass durch das neue Virus keine unmittelbare Pandemie-Gefahr ausgehe.

“Es gibt keinen Hinweis darauf, dass G4 von Mensch zu Mensch weitergegeben wird, obwohl es schon seit fünf Jahren weit verbreitet ist.”

Dennoch warnen die Autoren in ihrer Studie, die sie am 29. Juni 2020 in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)  veröffentlicht haben, dass “die systematische Beobachtung von Influenza-Viren in Schweinen essentiell für die Frühwarnung und Vorbereitung für die nächste potentielle Pandemie” sei. Auch sollen die Gesundheitsbehörden die in der Schweinezucht und Fleischindustrie tätigen Personen verstärkt darauf untersuchen.

Das Autorenteam umfasst unter anderem Tiermediziner der landwirtschaftlichen und tiermedizinischen Fakultäten in Peking und Shandong sowie Virologen des Nationalen Instituts für Virenkontrolle und Prävention  in Peking. 

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Es liegt an den Genen

Die Wissenschaftler sind deshalb besorgt, weil der neue Subtyp bestimmte Gene enthält, die ihn als “Kandidaten für ein pandemisches Virus” auszeichnen.

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Afrikanische Pinguine bedroht

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Vogelgrippe bedroht die seltenen afrikanischen Pinguine

Das Virus ist nah verwandt mit einem H1N1 Schweinegrippevirus, das sich 2009 weltweit ausgebreitet hatte. Es ist ebenfalls verwandt mit dem Geflügelgrippe-Virus.

Die Wissenschaftler stützen sich in ihrer Studie auf Daten aus den Jahren 2011 bis 2018. In diesem Zeitraum nahmen sie 30.000 Nasenabstriche von Schweinen in zehn Provinzen des Landes und konnten 179 Schweinegrippe-Subtypen isolieren. Ab 2016 konnten sie feststellen, dass das neuartige Virus G4 H1N1 unter Schweinen dominant wurde. 

Zudem konnten die Forscher in folgenden Versuchsreihen zeigen, dass sich das Virus in den Epithelzellen der menschlichen Atemwege vermehren kann. In Experimenten mit Frettchen wiesen sie nach, dass es durch Aerosole übertragbar und infektiös ist.

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Interview: Grippe oder Erkältung?

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Keine Immunität durch saisonale Grippe

Hinzu kommt, dass Menschen offensichtlich nicht durch andere Virusinfektionen – etwa durch die saisonale Grippe – eine Kreuz-Immunität gegen das neue Virus aufgebaut haben. Die Wissenschaftler hatten 338 Beschäftigte in Schweinezuchtbetrieben serologisch darauf untersucht, ob sie sich bereits mit dem Virus infiziert hatten.

Bei 35 waren sie fündig geworden, das entspricht 10,4 Prozent. Unter jüngeren Arbeitern zwischen 18 und 35 Jahren lag die Infektionsrate sogar bei 20,5 Prozent. In der Allgemeinbevölkerung konnte eine Infektion bei 4,4 Prozent der Menschen nachgewiesen werden. Das ist aber noch kein Beweis, dass das Virus auch vom Menschen zu Menschen übertragen wird.

Die Forscher warnen zudem, dass durch Mutationen im Menschen daraus ein noch infektiöseres Virus entstehen könne. 

“Die Arbeit sollte uns daran erinnern, dass neue zoonotische Krankheitserreger jederzeit auftauchen können”, sagte James Wood, Professor für Tiermedizin an der Universität Cambridge, der nicht an der Studie beteiligt war. “Nutztiere, die in intensiverem Kontakt zum Menschen stehen als Wildtiere, können eine wichtige Quelle für pandemische Viren sein”, warne er. 

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  • Achtung, ansteckend!

    Schön, aber gefährlich

    Vor allem für kleine Kinder und ältere Menschen sind Grippeviren gefährlich. Mit bloßem Auge sieht man sie nicht. Aber man merkt schnell, wenn sie da sind: an Fieber, Schüttelfrost, Gliederschmerzen, Kopfschmerzen und Husten. Dabei bestehen die Viren aus nicht viel mehr als einer Eiweißhülle und einem kleinen Erbgutstrang.


  • Achtung, ansteckend!

    Keine Banalität

    Eine mögliche Grippe-Pandemie macht den Menschen Angst. Denn sie kann gefährlich werden. Bei der Spanischen Grippe (1918-1920) starben über 25 Millionen Menschen. Darunter waren viele 20- bis 40-Jährige. Viele starben an den Folgen einer Lungenentzündung. Auch hier war der Grippevirus H1N1 schuld.


  • Achtung, ansteckend!

    Was hilft?

    Bei einer Virusgrippe wird der Arzt meist nur die Symptome bekämpfen: Hustensaft und Schmerzmittel verschreiben, fiebersenkende Mittel geben oder dafür sorgen, dass der Patient schlafen kann. Für schwere Fälle hingegen gibt es antivirale Medikamente: Sie hemmen die Vermehrung des Virus im Körper.


  • Achtung, ansteckend!

    Knifflige Impfstoffherstellung

    Gegen Grippe kann man sich impfen lassen. Allerdings verändert sich das Grippevirus durch Mutation sehr schnell. Jedes Jahr wird daher ein neuer Impfstoff entwickelt – unter streng sterilen Bedingungen. Er besteht aus inaktivierten Viruspartikeln der drei Virusstämme, die in dem Jahr besonders häufig sind.


  • Achtung, ansteckend!

    Grippeviren aus Hühnerembryos

    Einige Impfstoffhersteller vermehren die Grippeviren in befruchteten Hühnereiern. Denn Grippeviren befallen auch Vögel – das bebrütete Hühnerei dient als primitiver Vogelersatz. Man gewinnt die Viren für den Impfstoff dann aus dem sich entwickelnden Hühnerembryo. Ein Hühnerei reicht in etwa für eine Impfdosis.


  • Achtung, ansteckend!

    Schweinegrippe

    Influenzaviren befallen auch Schweine und lösen bei ihnen Atemwegserkrankungen aus. Dazu gehört auch der Virus-Subtyp H1N1. Er befällt viele Säugetierarten, auch den Menschen. 2009 kam es zu einer Pandemie mit einem Schweinegrippevirus.


  • Achtung, ansteckend!

    Panik – nicht nur in Hongkong

    Die Schweinegrippe breitete sich 2009 von Mexiko und den USA auf über 200 Länder aus. Vor allem in Südasien, Ostafrika und Südamerika erkrankten viele Menschen. Laut Weltgesundheitsorganisation starben weltweit mehr als 18.000 Menschen an den Folgen der Schweinegrippe.


  • Achtung, ansteckend!

    Bedrohung Vogelgrippe

    Grippeviren können auch Vögel befallen. Tiermediziner sprechen dann von Geflügelpest, das ist aber nur ein anderes Wort für Vogelgrippe. Im Grunde genommen kann jeder Influenza-A-Virus-Stamm Vogelgrippe auslösen, er muss sich lediglich auf Vögel als Wirt anpassen. Am bekanntesten sind die Typen H5N1, H7N9 und H5N8. Die Typen H5N1 und H7N9 können unter Umständen auf den Menschen übertragen werden.


  • Achtung, ansteckend!

    Und zu guter Letzt

    Händewaschen ist die beste Vorbeugung gegen Grippeviren. Vor allem sollte man sich nicht mit ungewaschenen Fingern an Augen und Nase fassen – so steckt man sich nämlich leicht mit Erregern an.