Tabitha Dombroski: Ballerina mit Herz und Verstand

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Der Weg zur Ballettkarriere ist hart. Man brauche Disziplin und mentale Stärke, erzählt die neuseeländische Tänzerin Tabitha Dombroski im DW-Interview.

Tabitha Dombroski gehört mit ihren 20 Jahren zur Kompanie des “Swiss Offspring Ballet”. Ihre zweijährige Ausbildung zur staatlich geprüften Balletttänzerin hat sie an der Akademie der Stuttgarter John Cranko Schule abgeschlossen. Sie stammt aus Neuseeland, wo sie mit drei Jahren angefangen hat, Ballett zu tanzen. Zwischendurch versuchte sie sich auch in Jazz, Stepptanz und zeitgenössischem Tanz.

Doch Ballett war die Tanzrichtung, die sie mit 17 nach Europa führte, wo sie an verschiedenen Akademien vortanzte. Letztlich wurde die John Cranko Schule ihre Ausbildungsstätte. Dort choreografierte sie auch zum ersten Mal. Gleich drei von Dombroskis Stücken kamen bei der jährlichen Tanz-Matinee der Schule 2019 zur Aufführung. Im Gespräch mit der DW erzählt die Profitänzerin von den Bedingungen der Ausbildung, den Grenzen der eigenen Belastbarkeit, von der Wichtigkeit mentaler Stärke und von wünschenswerten Veränderungen in der Tanzerziehung. Weil eine Ballettkarriere selten bis zum Rentenalter dauert, will sie sich mit einem Psychologie-Fernstudium noch ein zweites Standbein aufbauen.

Früh übt sich, was ein Meister werden will: Tabitha Dombroski fing mit drei Jahren an, Ballett zu tanzen.

DW: Frau Dombroski, was fasziniert Sie so am Ballett?

Tabitha Dombroski: Ballett ist ein Lebensstil, aber ein sehr harter. Es ist so körperlich und erfordert viel Disziplin und Entschlossenheit. Wer schon früh mit dem Ballett beginnt, wächst dadurch, reift und bekommt sämtliche Dinge erledigt. Es ist einfach so schön – und zugleich auch so anstrengend. Die Körperlichkeit des Sports erfordert, dass du wunderschön und artistisch zugleich bist und alles leicht aussehen lässt. Ballett ist eine Ausdrucksweise.

Ballett hilft also auch in anderen Lebensbereichen weiter?

Ja, das tut es. Es hilft beim Zeitmanagement. Man ist einfach in allen Bereichen des Lebens diszipliniert, das zieht sich durch.

Warum wollten Sie an die Akademie der John Cranko Schule?

Es ist einfach eine der besten Ballettschulen der Welt. Und es ist eine der letzten, rein nach der russischen Methode lehrenden Schulen. Darin ist sie stark verwurzelt. Die Schule hat einige der vielseitigsten Tänzer hervorgebracht. Ich mag zeitgenössischen Tanz ebenso wie Ballett.

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Russische Tänzer trotzen Corona

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Großes Ballett: Russische Tänzer trotzen Corona

Wie sieht denn so ein Arbeitstag an der Akademie aus?

Der Unterricht begann um neun Uhr mit einer zweistündigen Balletteinheit. Danach wurden Solos oder Variationen geübt. Nach dem Mittagessen waren entweder Proben für Stücke angesetzt, in denen man mitwirkte, oder wir lernten zum Beispiel Flamenco und den Einsatz von Kastagnetten, wir hatten Pas de deux-Unterricht und zeitgenössische Einheiten. Bis spät in die Nacht choreografierte ich für die jüngeren Schüler. Im ersten Ausbildungsjahr hatten wir auch über die Woche verteilt akademischen Unterricht, dazu gehörten Musik, Anatomie, Tanzgeschichte und Deutsch.

 

Auf Facebook schreiben Sie, dass Sie die Zeit dort “überlebt” haben. Können Sie das bitte etwas näher ausführen?

Ich wuchs mit verschiedenen Tanzstilen auf, machte auch viel zeitgenössischen Tanz und Jazz. Ich war auch sehr artistisch in meiner tänzerischen Ausdrucksweise – mit dem Einsatz von Mimik und der oberen Körperhälfte. Nach der russischen Methode zu trainieren, bedeutet, es geht zuerst und ausschließlich um Technik. Daher war es sehr gut, das war, was ich benötigte. Aber es war sehr hart, weil die einfachsten Bewegungen perfekt sein müssen – jedes Mal, wenn man sie ausführt. Und die Lehrer sind sehr streng mit dir. Die lassen dir nichts durchgehen. Sie tun es, weil sie sehr um ihre Tänzer bemüht sind. Sie bringen dich an deine Grenze. Du musst die Schule abends vollkommen erledigt und müde verlassen. Ja, das ist sehr hart für den Körper. Ballett ist eine mit dem Körper ausgeführte Kunst. Deshalb ist das Training so hart – um sicherzustellen, dass du sehr fit bist und aussiehst, wie eine Ballerina.

An welchem Punkt würden sie sagen: “Es ist zu hart”? Gab es etwas, das nicht zeitgemäß war an der Ausbildung?

Das ist sehr interessant. Es ist eine sehr altmodische Art des Trainings, das klassische Ballett-Training stand im Vordergrund. Das ist anders. Heutzutage ist physische und psychische Gesundheit ein großes Thema und das ist nicht wirklich integriert in die Ausbildung. Es gibt keine Gesundheitsexperten, die alles überblicken. In neuseeländischen Schulen ist das anders. Dort sind sie sehr gesundheitsbewusst in dieser Hinsicht. Hier erwarten Sie auf eine Art, dass du selbst weißt, was gut für dich ist und dass du weißt, wann etwas zu viel für dich ist und du eine Pause machen solltest. Man assistiert sich selbst – seinem Körper und seinen mentalen Bedürfnissen. Das funktioniert auch für manche Leute. Ich denke, ich bin sehr gut darin. Ich hatte auch vorher schon Training für genau solche Dinge. Aber ich denke, für jüngere Schüler, die ein wenig früher von Zuhause wegziehen, ist das sehr hart.

Die Frage stellt sich auch deshalb, weil es Vorwürfe gegen die Staatliche Ballettschule Berlin gegeben hat, von denen Sie gewiss gehört haben. Von zu langen Ausbildungstagen war beispielsweise die Rede. Oder davon, dass Schüler ohne Ankündigung nachgedehnt wurden. 

Tatsächlich habe ich von einigen der Vorwürfen gegen die Staatliche Ballettschule Berlin gehört. Das ist sehr interessant. Ich denke, die Stunden, die wir an der John Cranko Schule gearbeitet haben, waren nicht so lang. Ich habe gewiss um einiges mehr gearbeitet, als ich noch in Neuseeland war. Es war sehr hart, ja. Aber es war sehr konzentriert. Sie stellten sicher, dass wir Zeit hatten, uns auszuruhen. Wenn Schüler viele Proben hatten, verfolgten sie genau das. Und mein Lehrer machte es einigen Tänzerinnen leichter, wenn sie einen anstrengenden Tag hatten. Das ging also nicht den ganzen langen Tag. Wir hatten große Pausen, um unsere Tanks aufzufüllen. Ja, und ich glaube, sie dehnen einige der Jüngeren, aber nicht in einem Maß, wie es in der rhythmischen Sportgymnastik der Fall ist. Es ist dort nicht wirklich ein Problem. Es geht zuallererst eher um Techniken und kleinere Dinge.

“Schwanensee” mit dem Shanghai-Ballett in Berlin (2018)

Sprechen wir noch einmal über die Technik. In “Schwanensee” gibt es eine vom schwarzen Schwan getanzte Figur – eine sehr lange Pirouette – die als eine der schwierigsten überhaupt gilt. Wie wird man darauf vorbereitet?

Ich denke, alle weiblichen Hauptrollen sind äußerst schwierig. Sie bestehen aus sehr ähnlichen Elementen. Sie haben alle Drehungen und man benötigt eine gute Balance. Man muss biegsam sein und stark und alles soll flüssig wirken. Das benötigt Monate an Proben, um diese Solos perfekt hinzubekommen. Die Wiederholung macht’s. Es heißt einfach üben, üben, üben. Je öfter du es wiederholst, desto mehr setzt es sich in dein Muskelgedächtnis und du kannst es tun, ohne darüber nachzudenken.

Eines Ihrer eigenen Stücke, das letztes Jahr noch im Rahmen ihrer Ausbildung aufgeführt wurde, heißt “Meditative State”. Haben Sie mit Meditationen und Achtsamkeitsübungen eigene Erfahrungen gemacht?

Ja. Ich liebe Yoga und ich habe immer schon Achtsamkeitsübungen gemacht und meditiert. Deshalb fange ich auch mit einem Psychologie-Studium an, weil mich der Verstand interessiert. Es ist wahr: Alles, was du im Leben tust, ist eine Spiegelung dessen, was in deinem Kopf vor sich geht. Dinge erscheinen nur manchmal größer, als sie sind. Es ist notwendig, in sich zu gehen, zu atmen und sich zu entspannen, bevor man etwas angeht. Ballett ist so hart und ist schnell vorbei. Du musst dich früh ins Ballett verlieben, und dich so stark anstrengen, wie du nur kannst, so früh du kannst. Für eine Karriere ist am wichtigsten, sicherzustellen, dass du sie aus den richtigen Gründen verfolgst , dass du von Herzen liebst, was du tust und damit glücklich bist und dass du deine Gesundheit und dein Wohlbefinden nicht opferst für sie. Ballett kann sehr lohnend sein, aber für die Belohnungen – auf der Bühne stehen und jedermanns Traumrollen tanzen zu dürfen und Applaus dafür zu bekommen – muss man hart kämpfen.

Das Interview führte Verena Greb.