Schafft es Alessandro Zanardi noch einmal?

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Papst Franziskus spricht ihm Mut zu, seine Fans beten für ihn und die Sportwelt zeigt sich berührt: Das Schicksal des schwer verletzten Para-Sportlers Alessandro Zanardi bewegt viele. Sein Zustand ist weiter kritisch.

Ein großer Optimist: Alex Zanardi in seinem zweiten Sportlerleben als Handbiker

Seine Geschichte schien nahezu perfekt: Ein Held, der durch einen dramatischen Unfall aus der Bahn geworfen wird, dann wieder aufsteht und gegen alle Widerstände wieder zum erfolgreichen Helden wird. Hollywood liebt solchen Stoff. Dramaturgen sprechen von einer Heldenreise, die meistens ein Happy End hat. Ein erneuter, fataler Rückschlag war im Drehbuch des Lebens von Alessandro Zanardi nicht vorgesehen. Doch dann geschah er.

Alessandro Zanardi, den die meisten Wegbegleiter nur Alex nennen, stieß am vergangenen Freitag in der Toskana auf seinem Handbike mit einem LKW zusammen und trug dabei schwere Kopf- und Gesichtsverletzungen davon. Der viermalige Paralympics-Sieger liegt jetzt im künstlichen Koma. Täglich gibt es Wasserstandsmeldungen aus dem Krankenhaus in Siena. Zuletzt waren es keine guten. Sein Zustand sei kritisch, er werde künstlich beatmet, seine Kopfverletzungen seien schwer und er könnte beide Augen verlieren, befürchten die Ärzte. Ganz Italien nimmt Anteil am Schicksal des 53-Jährigen, die Sportwelt, in der Zanardi auf viel Sympathie trifft, tut es ohnehin. Nun soll es keine täglichen Mitteilungen mehr zum Gesundheitszustand des ehemaligen Formel-1-Piloten geben, teilte das Krankenhaus mit. Seine Familie wünscht es so.

“Sie haben aus einer Behinderung eine Lehre der Menschlichkeit gemacht”

Viel mehr Beistand geht ohnehin nicht mehr. Papst Franziskus höchstpersönlich ist in Gedanken bei Zanardi. “In dieser schmerzlichen Zeit bin ich Ihnen nahe, ich bete für Sie und Ihre Familie. Ihre Lebensgeschichte ist ein Beispiel, wie man nach einem plötzlichen Stopp wieder starten kann”, schrieb Papst Franziskus in einem persönlichen, handgeschriebenem Brief an den Italiener: “Durch den Sport haben Sie gelehrt, das Leben als Protagonist zu meistern, und haben aus einer Behinderung eine Lehre der Menschlichkeit gemacht.” Große Worte für eine große Sportlerlaufbahn.

Großes Interesse, große Anteilnahme: Vor dem Krankenhaus drängen sich die Reporter um einen behandelnden Arzt

Als junger Rennfahrer arbeitete sich Zanardi über die Formel 3000 in die Formel 1, wo er jedoch wenig Erfolg hatte. Der kam in der amerikanischen Champ-Car-Serie, die er gleich zwei Mal gewann. Motiviert davon kehrte er in die Formel 1 zurück und wollte “eine Rechnung begleichen”. Doch er blieb erneut glücklos und kehrte in die Champ-Car-Serie zurück, wo es 2001 auf dem Lausitzring zu einem folgenschweren Unfall kam. Nach einem Fahrfehler wurde Zanardi von einem anderen Fahrzeug mit mit 320 km/h getroffen, musste sieben Mal wiederbelebt werden und verlor beide Beine oberhalb der Knie.

Zanardi erfand sich neu

Doch mit großem Willen kämpfte sich Zanardi in seine zweite Laufbahn als Athlet. Denn er betrachtete die Dinge anders: “Ich habe nicht meine Beine verloren, sondern ein zweites Leben gewonnen.” Schon zwei Jahre nach seinem Unfall saß er wieder in einem Rennwagen und fuhr die fehlenden 13 Runden auf dem Lausitzring als Show zu Ende. Es folgten dann aber echte Erfolge als Rennfahrer, etwa bei der Tourenwagen-WM oder der italienischen GT-Meisterschaft. Auch beim 24-Stunden-Rennen von Spa ging er an den Start. Doch das reichte Zanardi nicht, er erfand sich als Sportler neu und wurde Ausdauersportler. Auf dem Handbike gewann er vier paralympische Goldmedaillen sowie zwei Mal Silber, er gewann den New-York-Marathon und beendet sogar den Ironman auf Hawaii.

Zanardi ist zu einer Ikone des Sports geworden, weil er viele mit seinem Willen inspiriert

“Heute laufe ich, schwimme ich … Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg”, hat Zanardi seine Lebensphilosophie einmal auf den Punkt gebracht, wobei sein “Getriebe nur Vorwärtsgänge” habe. Das galt auch für den vorerst letzten Akt seiner sportlichen Karriere. Zanardi nahm in der Toskana an einem nicht angemeldeten Rennen teil, obwohl in Italien aufgrund des Corona-Ausbruches Radrennen noch untersagt sind. Er wollte dennoch dabei sein, stürzte und wurde von einem LKW erfasst, der auf der nicht abgesperrten Strecke fuhr.

Der große Optimist und Kämpfer

Es steht nicht gut um ihn, wieder einmal. Doch auch wenn die Prognosen ungünstig scheinen, man darf Zanardi und seinen Willen nie abschreiben. “Ich bin Alex Zanardi, ein großer Optimist”, hat er einmal in einem Film über sich gesagt. “Ein Mann, der gelernt hat, dass du, solange du etwas hast, worum du kämpfen kannst, auch deine größte Niederlage in deinen größten Sieg verwandeln kannst.” Vielleicht schafft er es noch einmal.