Deutsche Wohnen im Dax

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Wohnungen statt Flugzeuge – der Immobilienriese Deutsche Wohnen ersetzt die traditionsreiche Lufthansa im Deutschen Aktienindex. Dahinter steckt eine Geschichte, die manche Mieter nicht freut.

Die Deutsche Wohnen ist eigentlich ein Kind der Deutschen Bank, auch wenn sie mit der nichts mehr zu tun hat. Gegründet wurde der Wohnungskonzern vor rund zwanzig Jahren als Behältnis für den Immobilienbesitz der Bank. Damals gehörte die Lufthansa bereits seit vielen Jahren zur ersten Liga deutscher Wirtschaftsunternehmen, nämlich seit Gründung des Deutschen Aktienindex Dax im Jahr 1988. Dort ersetzt die Deutsche Wohnen nun also die Lufthansa.

Die Deutsche Wohnen ist in den 20 Jahren ihres Bestehens zum zweitgrößten deutschen Wohnungsvermieter aufgestiegen. Nach einer Reihe von Übernahmen und Zukäufen ist der Immobilienriese fast 15 Milliarden Euro wert – das ist fast so viel wie die Deutsche Bank selbst, die inzwischen nur noch auf eine Marktkapitalisierung von 17 Milliarden Euro kommt.

Früher lag der Wohnungsbestand des Unternehmens vor allem im Rhein-Main-Gebiet, passend zum Firmensitz der Deutschen Bank, und im Südwesten. Heute konzentriert sich der Großteil ihrer Immobilien auf Berlin – insgesamt sind es immerhin 164.000 Wohn- und Gewerbeeinheiten. Wert: rund 24 Milliarden Euro. Im letzten Jahr 2019 kletterte das operative Ergebnis aus dem Vermietungsgeschäft, die für die Branche wichtigste Ertragskennzahl (abgekürzt FFO), um elf Prozent auf 538 Millionen Euro.

Deutsche Wohnen – Feindbild in Berlin

“Deutsche Wohnen enteignen!”

Die prominente Lage in der deutschen Hauptstadt ist Wohl und Wehe gleichzeitig für die Deutsche Wohnen. Denn dort wurde sie zum Ziel einer breiten Kampagne unter dem Slogan “Deutsche Wohnen enteignen!”.  Das deklarierte Ziel erreichte die Aktion, die innerhalb recht kurzer Zeit viele Tausend Unterstützer fand, zwar nicht. Wohl aber führte sie letztlich zum sogenannten Mietendeckel in Berlin, der seither die meisten Mieter freut und die Wohnungsunternehmen nervt. Im Januar hatte das dortige Abgeordnetenhaus die Mieten für fünf Jahre eingefroren. Nur Neubauten seit 2014 und öffentlich geförderte Wohnungen sind davon ausgenommen.

Der Mietenstopp, gegen den mittlerweile Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht laufen, trifft natürlich auch die anderen Größen der Branche, allen voran Marktführer Vonovia. Die reagieren auf ihre Art – es gibt ständig Gerüchte über neue Großfusionen. Die Immobilienkonzerne LEG und TAG hatten erst letzten Monat Fusionsgespräche bestätigt, gehen aber nun doch weiter getrennte Wege. Man habe insbesondere keine Einigung über das mögliche Umtauschverhältnis der Anteile erzielen können, hieß es.

Zum Schwur kam es dagegen bei den beiden Gesellschaften Ado Properties und Adler Real Estate. Aus ihrem Zusammenschluss entsteht ein Konzern mit 75.000 Wohnungen und einer Bewertung an den Börsen von 8,6 Milliarden Euro.

Auch in Berlin aktiv: Ado Properties

Zusammengehen mit dem Marktführer?

Vonovia ist bereits seit fünf Jahren Mitglied im illustren Dax-Zirkel, und der Konzern mit Sitz in Bochum ist um einiges größer als Dax-Neuling Deutsche Wohnen: 400.000 Wohnungen in Deutschland, Schweden und Österreich, 3,6 Milliarden Euro Jahresumsatz und ein Börsenwert von gut 30 Milliarden Euro.

Nun könnte der Dax-Aufstieg von Deutsche Wohnen die immer wiederkehrenden Spekulationen um eine Fusion mit Vonovia neu beleben. Erst vor ein paar Wochen hatte Vonovia gesagt, einen neuen Vorstoß gebe es nur, wenn die Berliner Politik das mittrage. Einen ersten Versuch zur Übernahme hatte Vonovia vor vier Jahren aufgegeben, nachdem sich der Vorstand und die Aktionäre von Deutsche Wohnen gewehrt hatten. Vonovia-Chef Rolf Buch und Deutsche-Wohnen-Boss Michael Zahn hatten sich monatelang mit harten Bandagen bekämpft. Aber das könnte ja Schnee von gestern sein.

Gesuchtes Gut: Neubauten mit Wohnungen

Ihre eigene Sicht auf diesen Reigen haben die Mieter. Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, sagt dazu: “Der Erfolg der Deutschen Wohnen aus Investorensicht ist das Leid der Mieter.” Wild kritisierte hohe Mieten, Betriebskostengewinne durch interne Tochterunternehmen, niedrige Instandsetzungsinvestitionen und Einsparungen beim Personal. “Leistungen minimieren, Einnahmen erhöhen – das mag an der Börse erfolgreich sein, für die Nutzer der Wohnungen ist diese Devise jedoch mangelhaft”, so Wild.

ar/bea (dpa, rtr – Archiv)