Weniger UN-Friedenstruppen im Einsatz

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Seit 1948 sollen UN-Missionen für Frieden in der Welt sorgen. Doch die Einsätze sind heikel, manchmal erfolglos. Die Weltmächte zögern, neue UN-Missionen zu starten. Deshalb springen heute andere in die Bresche.

Der Frieden zwischen Israelis und Arabern – gesichert. Der Konflikt zwischen Indien und Pakistan – gelöst. Ende der 1940er Jahre hatte man bei den Vereinten Nationen die Hoffnung, dass man mit internationalen Friedenseinsätzen diese Ziele erreichen könnte. Mit dem Einsatz zur Überwachung des Waffenstillstands zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn (UNTSO) begann so im Jahr 1948 die Geschichte der Blauhelme – eine Geschichte voller Hoffnungen, Erfolge – aber auch Rückschläge.

Ein Jahr später startete die Militärbeobachter-Gruppe der Vereinten Nationen in Indien und Pakistan, kurz UNMOGIP. Die Zahl der Einsätze – und mit ihnen die der unaussprechlichen Abkürzungen – ist seitdem auf 72 angestiegen. UNTSO und UNMOGIP laufen bis heute. Dauerhaften Frieden konnten diese UN-Einsätze bislang nicht bringen.

Trump kürzt das Budget

Fast 90.000 Soldaten und Polizisten sind heute in UN-Friedensmissionen im Einsatz. Das sind etwa 20.000 weniger als noch im Jahr 2015. “Einige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats haben das Gefühl, dass UN-Einsätze zu teuer und wenig zielführend sind”, sagt Jaïr van der Lijn vom Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri. “Deshalb wollen sie den Etat für Friedenseinsätze reduzieren, allen voran die Trump-Regierung.” 

Fast 4000 Blauhelme haben seit 1948 im Einsatz ihr Leben verloren

Vor 30 Jahren, als der Ost-West-Konflikt zu Ende ging, hatten die Weltmächte noch multilaterale Ambitionen. Zwischen 1989 und 1994 genehmigten sie im UN-Sicherheitsrat 20 neue Einsätze, versiebenfachten die Zahl der Blauhelme, die 1988 sogar kollektiv den Friedensnobelpreis erhalten hatten. Doch die UN konnte den hohen Erwartungen der Weltgemeinschaft nicht gerecht werden. Jugoslawien, Ruanda und Somalia wurden zum Synonym für gescheiterte UN-Missionen.

Kuddelmuddel der Krisenkräfte

Beim Massaker von Srebrenica, dem Völkermord an den Tutsi, dem Morden in Mogadischu hatten die UN versagt. Dort waren die Friedenshüter im Einsatz, obwohl noch lange kein Frieden herrschte. Ab Mitte der 1990er Jahre sahen sich deshalb mehr und mehr regionale Bündnisse wie die NATO in der Pflicht, Frieden zu schaffen. Dieser Trend setzt sich heute fort, sagt Sipri-Forscher van der Lijn im DW-Interview. “Während die Zahlen bei den Missionen zur Friedenssicherung stark zurückgehen, steigt die Truppenstärke bei den Nicht-Friedensmissionen, vor allem den Einsätzen zur Terrorismus-Bekämpfung.” Etwa in der Sahel-Region, in der die Multinational Joint Task Force (MNJTF) aus tschadischen, nigrischen und nigerianischen Soldaten gegen die Dschihadisten von Boko Haram kämpft.

Die vielen regionalen Akteure lassen das Einsatzfeld dabei immer unübersichtlicher werden. So auch in Mali, wo die UN-Mission MINUSMA ein Friedensabkommen überwachen und die Zivilbevölkerung schützen soll. Neben ihr unterstützt eine EU-Mission die malische Polizei. Eine andere EU-Mission bildet das malische Militär aus. Eine französische Militärmission bekämpft islamistische Gruppen, teilweise mit internationaler Unterstützung. Und dann ist da noch die G5 Sahel Joint Force, eine Einsatztruppe von fünf Sahelländern, die ebenfalls für Sicherheit sorgen soll.

“Jeder macht sein eigenes Ding”

In Somalia, der Zentralafrikanischen Republik oder Afghanistan sei die Situation ähnlich kompliziert, sagt Konfliktforscher van der Lijn. “Die Internationale Gemeinschaft hat diese komplexen Konstellationen verschiedenster Organisationen geschaffen, die ihre eigenen Operationen starten. Sie haben große Schwierigkeiten zusammenzuarbeiten. Manches wird doppelt gemacht oder man macht sich Konkurrenz. Und manchmal macht jeder sein eigenes Ding und es gibt keine echte Koordination. Die UN hat seit den 1990er Jahren viel gelernt und wäre besser in der Lage, solche Einsätze zu übernehmen.”

Die Mehrheit der Blauhelme kommt heute aus den Ländern südlich der Sahara sowie aus Südostasien. Die USA sind das einzige westliche Land, das eine größere Anzahl von Truppen zur Verfügung stellt. Sie sind vor allem in der Operation Resolute Support (RSM) in Afghanistan im Einsatz. Doch auch deren Zahl will US-Präsident Donald Trump weiter reduzieren.

“Die afrikanischen Staaten schicken insbesondere Truppen in ihre Nachbarschaft”, sagt van der Lijn. “Zum Beispiel Äthiopien schickt fast nur Soldaten nach Somalia und in den Sudan. Damit möchte es im Grunde seine nationale Sicherheit schützen. Und die Nachbarn Malis beteiligen sich an MINUSMA, damit das Problem ein Problem Malis bleibt und nicht ihre eigene Stabilität gefährdet.”

Erfolg in blauer Uniform

Etwas weniger als 1600 US-Dollar monatlich pro eingesetztem Blauhelmsoldaten erhalten die Truppensteller. Das ist ein Grund, weshalb vor allem Länder mit niedrigem Einkommensniveau Soldaten schicken. Nach wie vor sind 70 Prozent aller Friedenstruppen in Afrika südlich der Sahara stationiert. Zuletzt liefen dort aber einige größere Missionen aus, während in Libyen und Jemen neue UN-Einsätze starteten.

Forscht zu Friedenseinsätzen und Konfliktmanagement: Sipri-Direktor Jaïr van der Lijn

Van der Lijn ist optimistisch, dass die Blauhelme auch dort zum Frieden beitragen können. “Wir konzentrieren uns immer auf die Misserfolge aus den 1990er Jahren”, sagt er, “auf Ruanda, Bosnien, Somalia. Aber selbst damals gab es gute Erfolge”. Etwa in Mosambik, Kambodscha, El Salvador oder Guatemala. Auch die heutigen Einsätze in Mali oder die MONUSCO in der Demokratischen Republik zeigten Fortschritte.

Und selbst den Dauereinsatz der UN im Nahostkonflikt sieht Lijn als Erfolg: “Insofern, als er potentielle Spannungen entschärft und sichergestellt hat, dass es etwas Stabilität gab und der Status Quo gewahrt wurde.” Auch nach 72 Jahren Blauhelm-Einsatz der UNTSO in Israel und Palästina dürfte dieser Job noch lange nicht vorbei sein.


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    Autorin/Autor: Martina Schwikowski