Von Notz zu BND-Urteil: “Ein Meilenstein”

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Wir brauchen einen schlagkräftigen Geheimdienst, sagt Grünen-Politiker Konstantin von Notz im DW-Gespräch. Aber er müsse sich an das Grundgesetz halten – darum sei das BND-Urteil des Bundesverfassungsgerichts so wichtig.

Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Berlin

DW: Was verändert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts für Journalisten und Whistleblower weltweit?

Konstantin von Notz: Dieses Urteil ist wirklich ein Meilenstein für den Grundrechtsschutz der digitalen Welt. Es zeigt, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist und dass Journalistinnen und Journalisten nicht weltweit abgehört werden können. Es ist an viele Voraussetzungen gebunden, insbesondere was den Datenaustausch mit anderen Ländern angeht. Das war auch das, was letztlich durch Edward Snowden und die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag an fragwürdiger Praxis sichtbar wurde. Jetzt werden klare Voraussetzungen geschaffen, was geht und was nicht.

Dem Gericht war es ganz wichtig klarzustellen, dass der BND, eben auch wenn er im Ausland aktiv ist, an das deutsche Grundgesetz gebunden ist und dass er seine Arbeit an der Menschenwürde, der Kommunikationsfreiheit und auch an der Informations- und Pressefreiheit aus Grundgesetz-Artikel 5 ausrichten muss.

Grünen-Politiker Konstantin von Notz

Ohne Kontrolle werden alle überwacht

Sie sagen, es geht auch um den Austausch von Informationen zwischen den Diensten. Schwächt dieses Urteil nicht die deutsche Auslandsspionage?

Nein. Ich glaube, dass Rechtsstaatlichkeit immer eine Stärke ist. Dort, wo man sich an Recht und Gesetz hält, sind Gesellschaften besser und stärker aufgestellt als Diktaturen und Unrechtsstaaten. Bei der Überwachung von Journalisten muss man sich klarmachen: “Così fan tutte”, so machen es alle. Und wenn am Ende jeder Nachrichtendienst alle im Ausland aktiven Journalisten überwacht und abhört, deren Datenströme rastert, dann sind nachher alle überwacht, weil jeder ein Ausländer ist und das Internet ist ein internationales Kommunikationsmedium. Und dann bleibt weder die Deutsche-Welle-Journalistin in Berlin, noch der CNN-Korrespondent in Simbabwe unbeobachtet und das kann nicht sein.

Wir haben einen Schutz der Pressefreiheit. Wir haben einen Schutz der Quellen von Journalistinnen und Journalisten. Wir haben einen Schutz der privaten Kommunikation, in die eingegriffen werden kann, aber nur unter hohen Voraussetzungen und mit guter Begründung. Insofern ist es wirklich wegweisend und gut, dass das Bundesverfassungsgericht gesagt hat: Das muss man hier auf die Füße stellen.

Damit es auf den Füßen steht, sollen aber alle mitmachen. Steht Deutschland nicht einsam mit dem Urteil da?

Deutschland bleibt ein wichtiger Partner in dem nachrichtendienstlichen Verbund. Auch andere Nachrichtendienste wie der GCHQ (britischer Geheimdienst, Anm. D. Red.) haben sehr straffe Kontrollgremien. Ich glaube nicht, dass das die Rolle des BND schwächen wird. Aber die Debatte muss international weitergehen. Da sind wir erst am Anfang.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe

Wenn wir die hart erkämpften Freiheitsrechte, die wir in der analogen Welt nicht voraussetzungslos geschenkt bekommen, sondern erkämpft haben – wenn wir die in der digitalen Welt verlieren, dann verlieren wir sie insgesamt. Und dann bleibt von unserer Freiheit wenig übrig. Dann landet man in digitalen totalitären bis autoritären Systemen. Insofern hat das Bundesverfassungsgericht eine wirklich wichtige Entscheidung getroffen.

Fall Snowden als Augenöffner

Sie erwähnten den Fall Snowden. Wie wichtig war er am Ende?

Nach Snowden gibt es praktisch keinen Nachrichtendienst der westlichen Hemisphäre, der sein Prozedere nicht geändert hätte. Weil die Dinge, die da gelaufen sind, an allen parlamentarischen Kontrollen vorbeigingen – in den USA, in Großbritannien, in Frankreich, in den Niederlanden, in Deutschland. Das war so überall untragbar. Alle haben ihre Gesetze verändert, die parlamentarische Kontrolle verbessert, Kriterien geschaffen.

Das deutsche BND-Gesetz hatte bestimmte Leerstellen. Eine davon war, dass man gesagt hat: Artikel 10 ist ein deutsches Grundrecht. Das steht aber in der Verfassung nicht drin. In der Verfassung steht drin, dass das ein Jedermann-Grundrecht ist und dass der deutsche Staat die Kommunikationsfreiheit von allen zu beachten hat. Das heißt nicht, dass man niemandes Telefonate mithören darf, sondern man braucht rechtsstaatliche Kriterien und Verhältnismäßigkeit.

Bis zu Snowden wussten viele Parlamente und auch Regierungen nicht so genau, was eigentlich in dem Bereich passiert. Insofern befinden wir uns in einem Prozess der rechtlichen Verklarung dieser Techniken und Methoden. Dass wir einen schlagkräftigen, rechtsstaatlich gebundenen Bundesnachrichtendienst brauchen, daran zweifele ich nicht, keine Sekunde. Er ist wichtig, gerade in diesen Zeiten. Aber wir haben den Anspruch als Rechtsstaat, dass er sich eben auch an die Verfassung hält. Und das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hier nochmal unterstrichen.

Konstantin von Notz ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag und Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium zur Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes. 

Das Gespräch führte Rosalia Romaniec.

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BND-Praxis verfassungswidrig