Russland-Sanktionen: Was soll’s?

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Bundeswirtschaftsminister Altmaier wünscht sich einen neuen Aufbruch in den deutsch-russischen Beziehungen. Dahinter stecken massive Geschäftsinteressen nicht nur im Energiebereich. Aus Berlin Sabine Kinkartz.

Die “Russland-Meister” – unter diesem Titel erzählt die deutsch-russische Auslandshandelskammer auf ihrer Webseite die Geschichte von deutschen Unternehmen in Russland. Eins davon ist Phoenix Contact, ein Spezialist für Elektrotechnik. Die Produkte sorgen dafür, dass Maschinen in der Industrie auf die Millisekunde genau die richtige Menge an Strom und Daten bekommen. Das 1923 gegründete Unternehmen mit Stammsitz im nordrhein-westfälischen Blomberg hat es geschafft, dass jede fünfte Klemme, die irgendwo auf der Welt elektrische Leitungen verbindet, aus seiner Fertigung stammt.

2017 eröffnete Phoenix Contact die erste Produktion in Russland. Nicht etwa, weil man sich davon niedrigere Löhne oder ähnliches erhoffte. “Russland ist unser größter europäischer Markt außerhalb von Deutschland”, erklärt Geschäftsführer Frank Stührenberg auf einer Russland-Konferenz des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) in Berlin. “Die politischen Rahmenbedingungen sind nicht so, dass für unsere Kunden langfristig ein sicherer Import gegeben ist und deswegen wollen wir eine möglichst breite Palette unserer Produkte in Russland herstellen können.”

Eine lange Liste mit Verboten

Seit fast sechs Jahren sind die von der Europäischen Union gegen Russland verhängten Sanktionen wegen der Annexion der Krim und des Krieges in der Ukraine in Kraft. Jahr für Jahr wurden sie bislang erweitert und verlängert, aktuell bis Juli 2020. Die Liste der Verbote beim Im- und Export ist lang. Wer in Russland Geschäfte machen will, produziert daher am besten im Land. 4000 deutsche Unternehmen seien inzwischen vor Ort, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier auf der Russland-Konferenz des DIHK. Es gebe viele zusätzliche Unternehmen, die bereit wären, in Russland zu investieren. Der Dialog zwischen beiden Ländern müsse intensiviert werden – trotz der Sanktionen, die nicht weniger geworden seien.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier auf der Russland-Konferenz

“Natürlich hat es Spannungen gegeben, aber richtig ist auch, dass wir zum ersten Mal seit einigen Jahren in den großen politischen Fragen wieder Hoffnung empfinden”, so der CDU-Politiker mit Blick auf das Treffen zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen im Dezember und die Einigung im Streit um den russischen Gastransitdurch die Ukraine. “Der Besuch der Bundeskanzlerin in Moskau war ein deutlicher Hinweis darauf, dass wir entschlossen und gewillt sind, unsere beiderseitigen Wirtschaftsbeziehungen auszubauen. Ich wünsche mir einen neuen Aufbruch für unsere bilateralen Beziehungen.”

Wie lange werden die Sanktionen noch bleiben?

Die Wirtschaft hört das gerne. In einer Umfrage der deutsch-russischen Auslandshandelskammer unter ihren Mitgliedsunternehmen sprechen sich 93 Prozent der Befragten für eine Abschaffung der Sanktionen aus. Die Hälfte würde die Strafmaßnahmen am liebsten sofort streichen, die andere Hälfte folgt den politischen Vorgaben und macht die Abschaffung von der Erfüllung des Minsker Abkommens abhängig.

Der russische Handelsminister Denis Manturow (li.) mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier

Zu den EU-Sanktionen äußerte sich Altmaier auf der Russland-Konferenz nicht. Die von den USA zusätzlich verhängten Sanktionen, die sich gegen den Bau der deutsch-russischen Gaspipeline Nordstream 2 richten, bedauert er. Die Pipeline sei wichtig, denn wegen des Ausstiegs aus der Atomenergie und der Kohle werde Deutschland demnächst mehr Gas brauchen als heute. Auch, um in einem zukünftigen Schritt Wasserstoff als Energieträger zu erzeugen.

Energiepolitik wird wichtiger

Die Herstellung von Wasserstoff ist sowohl mit erneuerbaren Energien als auch mit Gas möglich. Daran arbeitet bereits der russische Gaslieferant Gazprom. Wasserstoff könnte ebenfalls über die Nordstream-Pipeline nach Deutschland geliefert werden. “Ich sehe hier große Potenziale für unsere künftige Zusammenarbeit”, so Minister Altmaier, der die Einrichtung einer deutsch-russischen Arbeitsgruppe zur Energiepolitik ankündigte.

Darüber sprach er in Berlin auch mit dem früheren russischen Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin, der inzwischen Wirtschaftsberater von Präsident Wladimir Putin ist. Oreschkin kam etwas später zur Russland-Konferenz des DIHK, weil er vorher noch einen Termin im Kanzleramt hatte. Auch das ein Hinweis darauf, wie wichtig die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen von der Bundesregierung genommen werden.

Schnelleres Internet als in Deutschland

Über sein Gespräch mit Angela Merkel wollte Oreschkin auf der Konferenz nichts sagen. “Alles, was im Büro der deutschen Bundeskanzlerin geschieht, bleibt auch dort.” Selbstbewusst zählte er aber auf, welche Fortschritte Russlands Wirtschaft gemacht habe. Die Inflation liege bei nur zwei Prozent und es werde von staatlicher Seite viel dafür getan, um für Investoren attraktiver werden. “Das ist schon eine sehr positive Geschichte.”

Laut Oreschkin liegt der Fokus vor allem darauf, die Bürokratie abzubauen und im digitalen Bereich zu investieren. Wer einen schnellen und günstigen Internetanschluss brauche, sei in Russland herzlich willkommen. “In Moskau und vielen anderen Gebieten in Russland ist die Qualität der Internetanschlüsse schon jetzt besser als in Deutschland.”