Deutz AG – Welche Zukunft hat der Diesel?

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Die Deutz AG baut Motoren für Nutzfahrzeuge im Bau-, Agrar- und Logistikbereich – noch dominiert der Diesel. Aber die Entwicklung alternativer Antriebe läuft auf Hochtouren, sagt Deutz-CEO Frank Hiller im DW-Gespräch.

Deutsche Welle: Herr Dr. Hiller, die Hersteller normaler Pkw bauen in der Regel auch die Motoren für ihre Fahrzeuge selbst. Bei Off-Highway-Fahrzeugen, also Nutzfahrzeugen, ist das anscheinend anders. Können Sie kurz das Geschäftsmodell der Deutz AG beschreiben.

Frank Hiller: Die Deutz AG ist ein unabhängiger Motorenhersteller. Wir bauen im Wesentlichen Motoren für den Off-Highway Bereich. Das heißt also Motoren für Maschinen, die nicht auf der Straße fahren. In erster Linie Bau- und Agrarmaschinen, und für den Logistik-Bereich.

Sie beliefern also andere Hersteller. Warum bauen diese Fahrzeug- und Maschinenbauer die Motoren nicht selbst?

Das hängt zum einen damit zusammen, dass die Stückzahlen bei unseren Kunden oft nicht so groß sind, dass sich eine eigene Fertigung lohnt. Zum anderen ist die Varianten-Vielfalt für Off-Highway-Anwendungen sehr hoch. Deshalb ist es für unsere Kunden oft unwirtschaftlich Motoren selbst herzustellen. Wir haben einen entsprechenden Produktbaukasten, der es uns ermöglicht, Motoren individuell und gleichzeitig effizient herzustellen.

Wie viele Motoren bauen sie ungefähr im Jahr?

Wir bauen heute pro Jahr rund 200.000 Motoren. Wir sind natürlich bestrebt, auch hier zukünftig noch zu wachsen – insbesondere im asiatischen Markt, mit dem Fokus auf China.

Wo stehen sie in Sachen Absatz international gesehen?

Wenn wir die Umsätze nach den einzelnen Regionen aufteilen, differenzieren wir Europa, Nord- und Südamerika sowie Asien. Der Absatz in Europa beläuft sich auf rund 60 Prozent, in Asien und Amerika jeweils zirka 20 Prozent. Man muss natürlich wissen, dass unsere Kunden, wie zum Beispiel Baumaschinenhersteller, die Endgeräte wiederum exportieren. Die Population von Anwendungen, in denen Deutz-Motoren verbaut sind, ist sehr international.

Frank Hiller, Vorstandsvorsitzender der Deutz AG

Und wo würden Sie sich selbst sehen in einem Vergleich mit der Konkurrenz. Wenn es eine Hitparade der weltweiten Motorenhersteller gäbe – sind sie unter den ersten Zehn?

Ja, wir sind bei den unabhängigen Herstellern im vorderen Bereich. Aber es gibt trotzdem noch Entwicklungsmöglichkeiten, insbesondere in China. Man muss wissen, dass China rund 30 Prozent des erreichbaren Marktes für uns ausmacht und dort sind wir noch unterkritisch. Deswegen haben wir vor zwei Jahren eine neue China-Strategie eingeleitet, die den Marktanteil in China deutlich erhöhen soll.

Sie sagten ‘unterkritisch’. Der Begriff wird dem Laien vielleicht nicht so viel sagen. Wofür steht er?

In China gibt es natürlich viele lokale Motoren-Hersteller. Der Marktanteil, den wir heute in China haben, liegt im einstelligen Prozentbereich. Diesen können und wollen wir deutlich erhöhen.

Sie als Deutz AG sind ja nicht nur irgendein Motorenhersteller, sondern der älteste Motorenhersteller der Welt. Ihr Firmengründer Nikolaus August Otto hat vor rund 150 Jahren den Viertaktmotor quasi erfunden. Welche Bedeutung hat diese lange Tradition für ihr Unternehmen?

Ja genau, das Unternehmen Deutz gibt es seit mehr als 150 Jahren und steht natürlich für den Ottomotor, für das Viertakt-Prinzip. Und das hilft uns, weil die Marke Deutz weltweit sehr bekannt ist.

Nutzen Sie den Titel ‘ältester Motorenhersteller der Welt’ auch als Marketing- oder Verkaufsinstrument? Sie können auf die längste Erfahrung beim Motorenbau verweisen.

Absolut. Es kommt darauf an, auf die Bedürfnisse der Kunden einzugehen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, welchen Anforderungen die Motoren für die Maschinen der Kunden entsprechen müssen. Diese Kompetenz baut man sich nicht so schnell auf, da hilft auch eine lange Tradition. Außerdem ist natürlich die Marke ‘Deutz’ extrem stark und bekannt. Das hilft uns insbesondere für unsere China-Strategie. Auch wenn wir dort noch einen relativ geringen Marktanteil haben, so kennt ‘Deutz’ in China eigentlich jeder.

Haben Sie schon mal Situationen erlebt, in der ein Kunde gesagt hat, mein Großvater hat schon mit Deutz-Motoren gearbeitet?

Ja, das gibt es sehr oft, insbesondere im Agrarbereich. In der langen Geschichte von Deutz wurden ja nicht nur Motoren hergestellt, sondern auch Endprodukte. Es gab den Deutz-Traktor, der überall bekannt ist, und von daher gibt es viele Menschen, die diese Marke gut kennen und sogar echte Fans sind.

Blick in die Motorenproduktion im Kölner Werk

Jetzt müssen Sie sich etwas von dieser langen Tradition des Verbrennungsmotors lösen, denn im Zuge der Klimadiskussion kommen alternative Antriebe ins Spiel. Wie ist da der Stand der Dinge bei der Deutz AG?

Speziell das Thema Elektrifizierung haben wir bereits vor drei Jahren aufgegriffen. Wir sehen einen eindeutigen Nutzen darin, Emissionen und auch den CO2-Verbrauch zu reduzieren. Außerdem gibt es für unsere Kunden viele Anwendungsfälle, in denen der elektrische Antrieb dem Verbrennungsmotor überlegen ist, insbesondere im unteren Leistungsbereich. Denken Sie beispielsweise nur an die Gabelstapler. Bereits heute sind ein Großteil dieser Anwendungen elektrifiziert, nur die sehr leistungsstarken Modelle benötigen dort noch Verbrennungsmotoren.

Und in welchen Bereichen ist der herkömmliche Antrieb, sprich der Verbrennungsmotor, nicht wegzudenken?

Der Verbrennungsmotor und insbesondere der Dieselmotor, der bei den Verbrennungsmotoren die höchste Effizienz aufweist, zeichnet sich dadurch aus, dass er sehr leistungsstark und gleichzeitig autonom ist. Wenn Sie sich beispielsweise im Agrarbereich Anwendungen anschauen wie einen Traktor, dann ist es heute relativ schwierig vorstellbar, diesen vollelektrisch zu betreiben. Hier wird der Verbrennungsmotor noch lange die Nummer eins sein.

Woran liegt das?

Um bei dem Beispiel zu bleiben: Ein Traktor, der ja als Zugmaschine eingesetzt wird und große Lasten bewegen muss, würde im Elektrobetrieb eine riesige Batterie brauchen. Beim heutigen Stand der Technik müsste diese rund 15 Tonnen wiegen. In diesem Bereich ist es also nur schwer vorstellbar, dass man eine elektrische Anwendung aufbaut, die die gleiche Reichweite und das gleiche Leistungs-Profil erzielen kann, wie ein Verbrennungsmotor.

Welche Bereiche könnte die Elektrifizierung in Zukunft denn erobern?

Ende dieses Jahres, Anfang nächsten Jahres werden wir erste Serienprodukte auf den Markt bringen. Vor allem in den Bereichen, in denen aus Kundensicht ein wirklicher Kosten-Nutzen-Effekt entsteht. Das ist anders als in der Pkw-Industrie. Dort spielt natürlich auch das Image eine Rolle, dem ein Kunde durch den Kauf eines Elektroautos entsprechen will. Bei uns müssen sich Investitionen vor allem rechnen. Zudem gibt es gewisse Anwendungen im kleineren Leistungsbereich, wie beispielsweise elektrische Mini-Bagger, die sehr sinnvoll für den innerstädtischen Betrieb sind, weil sie Emissionen und Geräusche deutlich reduzieren.

Setzen Sie neben dem Elektromotor noch auf andere alternative Antriebsarten?

Ja, es gibt noch zwei weitere interessante Wege, die wir verfolgen, die aber noch etwas weiter in die Zukunft weisen. Der Elektroantrieb ist greifbar nah, das werden Lösungen sein, die man kurzfristig auch in der Serie sieht. Aber wir sehen auch bei Wasserstoff-Anwendungen ein großes Potenzial. Sie können Wasserstoff in einer Brennstoffzelle nutzen, aber sie können Wasserstoff auch direkt verbrennen – in einem Verbrennungsmotor. Das wäre dann auch ein nahezu emissionsloser und – auf der Kostenseite – gleichzeitig sehr effizienter Motor. Die Herausforderung besteht natürlich nicht nur darin, den Motor umzurüsten. Wir brauchen auch die Sicherheit, dass in der Zukunft eine entsprechende Wasserstoff-Infrastruktur verfügbar sein wird. Ein anderes Thema sind synthetische Kraftstoffe, sogenannt E-Fuels, die einen geschlossenen CO2-Kreislauf ermöglichen.

Welchen Zeithorizont sehen Sie? Wann werden solche Antriebsformen auch in der Breite zur Anwendung kommen?

Elektrische Antriebe setzen wir als erste in Serienprodukte um. Im Bereich Wasserstoff verfügen wir bereits über die Technologie. Hier geht es im Wesentlichen noch um das Thema Infrastruktur. Das sehen wir eigentlich dann mehr als mittel- oder langfristige Perspektive. Es könnte noch fünf bis zehn Jahre dauern, bis sich Lösungen abzeichnen, die sich für unsere Kunden lohnen.

Nach welcher Strategie gehen Sie vor bei diesen Entwicklungsprojekten? Arbeiten Sie in erster Linie mit Bordmitteln, also mit eigenen Leuten oder setzen Sie verstärkt auf Unterstützung von Fremdfirmen?

Die Herausforderung ist sicherlich, dass man auch die Aufwendungen für Entwicklungsleistungen unter Kontrolle behalten muss. Wir haben in der Vergangenheit viel Geld ausgegeben, um den Verbrennungsmotor weiterzuentwickeln und noch effizienter zu machen. Jetzt ist es nicht mehr nur der Verbrennungsmotor, den wir natürlich auch in der Zukunft weiterentwickeln werden – hinzu kommen der Elektroantrieb und der Wasserstoff-Motor.

Deswegen spielen natürlich für uns Kooperationen eine wesentliche Rolle – im universitären Forschungsbereich, aber auch mit anderen Unternehmen. Durch diesen Technologie-Schwenk zu alternativen Antrieben generell, hat das Thema Kooperation eine ganz andere Bedeutung bekommen. Viele Unternehmen, die man in der Vergangenheit als Wettbewerber gesehen hat, sind bereit, bei bestimmten Technologien zusammenzuarbeiten, um die Entwicklungskosten unter Kontrolle zu halten und möglichst schnell zu Erfolgen zu kommen.

Was glauben Sie – wann wird der Komplex alternative Antriebsarten einen nennenswerten Prozentsatz ihrer Gesamtproduktion erreichen?

Als wir vor drei Jahren in diese Technologien eingestiegen sind, haben wir als Ziel definiert, dass wir 2022 rund fünf bis zehn Prozent unseres Umsatzes mit elektrifizierten Antrieben machen wollen. In unserer Branche wird es nicht so schnell gehen wie in der Automobilindustrie, wo man heute schon bei bestimmten Herstellern über einen 60-Prozent-Anteil von Fahrzeugen mit elektrischen Antrieben spricht. Dabei ist für uns auch die Entwicklung in der Automobilindustrie extrem entscheidend, weil durch deren Vorreiterrolle eine Kostenreduzierung auf der Komponenten-Seite entsteht, die uns zugute kommt. Also je nachdem, wie sich das Thema in der Automobilindustrie entwickelt, wird es auch im Off-Highway- und im Nutzfahrzeug-Bereich ein entsprechendes Gewicht finden.

Das Gespräch führt Klaus Ulrich.

Frank Hiller ist CEO der Deutz AG. Insgesamt zählt das Unternehmen rund 4000 Mitarbeiter und ist in 130 Ländern auf allen Kontinenten vertreten. Hergestellt werden Motoren für Nutzfahrzeuge im Bau-, Agrar- und Logistikbereich. Mehr als 150 Jahre ist es her, dass Nicolaus August Otto und Eugen Langen die erste Motorenfabrik der Welt in Köln gegründet haben – die Keimzelle der heutigen Deutz AG, die noch immer noch ihren Hauptsitz in der Domstadt hat.